Hellikon verlor rund zehn Prozent seiner Bevölkerung
16.12.2025 WegenstettenAm Weihnachtstag sind es 150 Jahre her, dass in Hellikon das Treppenhaus im Schulhaus einstürzte, 73 Menschen in den Tod riss und 35 Personen zum Teil schwer verletzte. Am Sonntag kam es zu einer pietätsvollen Gedenkfeier.
Willi Wenger
Die Erinnerung an das schlimme ...
Am Weihnachtstag sind es 150 Jahre her, dass in Hellikon das Treppenhaus im Schulhaus einstürzte, 73 Menschen in den Tod riss und 35 Personen zum Teil schwer verletzte. Am Sonntag kam es zu einer pietätsvollen Gedenkfeier.
Willi Wenger
Die Erinnerung an das schlimme Ereignis des Treppenhaus-Einsturzes im Schulhaus von Hellikon an Weihnachten vor 150 Jahren war Gegenstand von Feierlichkeiten, an welchen die Bevölkerung am Sonntag in pietätvollem Rahmen der 73 Toten und 35 zum Teil schwerverletzten Personen gedachte.
Nach einem ökumenischen Gottesdienst in der Wegenstetter St. Michaelskirche mit einer kurzen Andacht und Segnung auf dem Friedhof folgte die eigentliche Gedenkfeier beim Schulhaus Hellikon. Diese wurde begleitet durch die Pfarrpersonen Hannah Audebert, Godwin Ukatu und Hans-Peter Widmer. Den gediegenen Rahmen stellte zudem die Bläsergruppe der Musikgesellschaft Hellikon sicher, die der pietätvollen Veranstaltung ein würdevolles Cachet verlieh.
Schreckliche Bilanz
Der Präsident der Kulturkommission Hellikon, Martin Schlienger, informierte in bewegenden Worten beim Schulhaus Hellikon über das schlimme Ereignis am Weihnachtsabend 1875. Schlienger sagte, dass sechs Schwerstverletzte erst am 1. Januar 1876 ins damalige Kantonsspital Königsfelden überführt werden konnten. Alle andern hätten zuhause weitergepflegt werden müssen. Vier Kinder wurden zu Vollweisen, 33 Kinder verloren entweder die Mutter oder den Vater.
Das heute denkmalgeschützte Schulhaus war in den Jahren vor dem Unglück quasi ein Vorzeigebau, wurden doch dessen Baupläne 1872 an der Weltausstellung in Wien präsentiert. Trotzdem: Drei Jahre später passierte das Unglück im Rahmen der Christbaumfeier, die zum dritten Mal in Folge mit dem Frauenverein als Organisator hätte stattfinden sollen. Die Frage der Schuld gab damals viel zu reden und wurde in Zeitungsartikeln vielfach thematisiert. Schlienger sagte am Sonntag nur so viel, dass die Ursache wohl primär in einer vorgenommenen, abgeänderten Konstruktion eines Querbalkens zu suchen gewesen sei.
Zehn Prozent der Bevölkerung gestorben
Gemeindeammann Thomas Rohrer ergänzte dahingehend, dass Hellikon damals rund zehn Prozent seiner grösstenteils armen Bevölkerung verloren habe. Es habe in der Folge über hundert Jahre gedauert, bis man wieder die Einwohnerzahl von 1875 erreicht habe. Den Besucherinnen und Besuchern der Feier wurde auch erzählt, dass im Nachgang zur Tragödie eine landesweite Sammelaktion stattgefunden habe. Es gingen 55 578 Franken an Spenden ein. «14 460 Franken mehr als das Schulhaus gekostet hatte», bemerkte Schlienger. Diese Spenden wurden unter anderem für die Waisenkinder, arme und weniger bemittelte Familien, Arztkosten, Verbandsmaterial, Särge und Bestattungskosten verwendet.
Gewicht zu gross
Das Unglück des im Jahr 1865 eingeweihten Schulhauses geschah am Weihnachtstag-Abend unmittelbar vor Beginn einer Christbaumfeier. Unter dem Gewicht der wartenden Kinder und Erwachsenen – infolge Regen waren diese bereits vor der Feier alle dicht gedrängt auf der Stiege im Schulhaus – stürzte der oberste Boden des Treppenhauses in die Tiefe.
Heute erinnert beim Massengrab auf dem Wegenstetter Friedhof ein Denkmal mit den Namen der Opfer an die Katastrophe. Wegenstetten deshalb, weil Hellikon zu jenem Zeitpunkt noch keinen eigenen Friedhof hatte und auch keine eigene Kirchgemeinde. Beim Schulhausportal Hellikon hängen seit 1925 zwei weisse Marmortafeln, die ebenfalls die Namen der Verunglückten tragen.
Ein Apéro beendete die Feier am frühen Nachmittag bei angeregten Gesprächen.
Die meisten erstickten
Von den 73 Toten stammten acht aus Wegenstetten. Drei Viertel der Menschen, die den Tod fanden, hatten kaum Verletzungen – sie erstickten in den Trümmern infolge einer grossen Gipsstaubwolke. Aus Hellikon waren dies der Chronik zufolge zwei verheiratete Männer, 14 meist junge Frauen, 29 Jünglinge und Jungfrauen sowie zwanzig Kinder. Aus Wegenstetten verloren eine Frau, vier Töchter und drei Jünglinge ihr Leben. Die Beerdigungen fanden in Etappen am 27. und am 28. Dezember in einem grossen Gemeinschaftsgrab statt. Teilgenommen haben auch an die 4000 Fremde, welche den Trauernden Trost spendeten. (wwl)


