Heimweh nach dem Ittenthaler Bauernhof-Garten
16.09.2023 Persönlich, IttenthalLuzia Tibig – ausgewandert vom Fricktal nach Seattle
«Ich war damals jung und bin einfach gegangen», sagt Luzia Tibig über ihre Auswanderung. Der Grund für ihren Umzug nach Seattle war ihr Mann Chet, den sie rund ein Jahr vorher auf Hawaii kennengelernt ...
Luzia Tibig – ausgewandert vom Fricktal nach Seattle
«Ich war damals jung und bin einfach gegangen», sagt Luzia Tibig über ihre Auswanderung. Der Grund für ihren Umzug nach Seattle war ihr Mann Chet, den sie rund ein Jahr vorher auf Hawaii kennengelernt hatte. «Als ich gemerkt habe, dass die Beziehung funktioniert, war klar, dass ich in Amerika bleibe.»
Karin Pfister
Am Strand von Hawaii haben Luzia und Chet Tibig 2005 geheiratet. Kennengelernt hatten sie sich zwei Jahre vorher ebenfalls auf Hawaii. Luzia Tibig ist auf einem Bauernhof in Ittenthal zusammen mit vier Geschwistern, darunter Zwillingsschwester Martina, aufgewachsen und wollte als junge Frau in Amerika Englisch lernen. Chet Tibig stammt ursprünglich von den Philippinen; sein Vater war in der Army und unter anderem auf Pearl Harbour stationiert. Nach dem ersten Kennenlernen auf Hawaii ist Chet nach Ittenthal gereist, danach kündigte Luzia Tibig ihre Stelle als Floristin und zog nach Everett in Seattle, um zu probieren, ob die Beziehung Bestand hat und ein Leben in den USA machbar wäre.
Fast 20 Jahre später wohnt Luzia Tibig noch immer in der selben Stadt, 2007 wurden Sohn Thailan und 2010 Tochter Caileah geboren. «Ich arbeite noch immer im selben Blumencenter, in dem ich damals angefangen habe», erzählt sie. Es ist eine grosse Firma mit rund 60 Mitarbeitern. Sie hat ihre Lehre einst in einem kleinen Blumenladen in Gipf-Oberfrick absolviert. «Eine Ausbildung, wie ich sie aus der Schweiz mitgebracht habe, kennt man hier nicht. Viele Mitarbeiter sind nur angelernt und immer am selben Ort in der Produktionskette tätig.» Ihre Chefs hätten schnell gemerkt, dass sie mehr könne und sie habe deshalb auch viel Verantwortung und mehr Freiheiten als die andern.
2009 haben Luzia und Chet Tibig ein Haus rund 40 Minuten ausserhalb des Stadtzentrums gekauft. «Wir wohnen auf dem Land, es hat Berge, Kühe und Pferde und sieht nicht viel anders aus als in der Schweiz», so Luzia Tibig. Seattle liegt an der Westküste der USA, gleich an der Grenze zu Kanada. «Ich bin sehr gerne am Meer, zum ‹Krebsle› und zum Fischen.» Das offene Meer sei zwar rund drei Stunden von ihrem Haus entfernt, aber es habe viele Einbuchtungen, die bis fast an ihren Wohnort grenzten. «In 15 Minuten sind wir am Salzwasser.»
Auf der Suche nach Jassern
Die Region sei multikulturell. «Ich habe mich nie als Ausländerin gefühlt». Schweizerin sei sie allerdings weit und breit die einzige. «Mein Sohn kann jassen, aber das reicht nicht. Ich bin immer noch auf der Suche nach zwei weiteren Jassern», erzählt sie schmunzelnd. Gerne spiele sie darum vor dem Einschlafen ein Spiel auf der Jass-App. Auch sonst hat sie ab und zu Heimweh nach dem Fricktal. Sie vermisst ihre Familie und ihre Freunde. «Wenn ich alle zwei Jahre für ein paar Wochen in die Schweiz kann, bin ich glücklich.» Glücklich sind auch ihre amerikanischen Freunde, denen sie das Spiel «Brändi Dog», eine Eigenkreation der Stiftung Brändi im Raum Luzern, mitbringen müsse. «Das Brettspiel ist hier sehr beliebt.»
Aus der Schweiz mitgenommen hat sie auch das Volleyballspielen. Luzia Tibig war einst Mitglied beim VBC Kaisten und trainiert immer noch zwei Mal wöchentlich, allerdings auf Plauschebene und im Sommer ist es Beachvolleyball.
Obwohl ihre Kinder hauptsächlich amerikanisch aufwachsen, die Ernährung ist schweizerisch. «Meine Kinder essen gerne Fondue und Raclette und ich vermisse die gute Lebensmittelqualität, welche die Schweiz bietet. Die Gesetze in den USA sind in diesem Bereich weniger streng und man merkt dies den Lebensmitteln teilweise an. Obwohl ich selber koche, haben die Mahlzeiten nicht dieselbe gute Qualität wie in der Schweiz. Ich vermisse die vielen guten Produkte aus dem grossen Garten meiner Mutter in Ittenthal.» Woran sie sich nie habe gewöhnen können, sei das Mittagessen auszulassen wie es die Amerikaner oft tun. «Die Menschen hier arbeiten mehr als in der Schweiz, üblich sind teilweise nur zwei Wochen Ferien pro Jahr und während den acht Stunden Schichten wird im Stehen schnell etwas gegessen.» Sie habe gleich zu Beginn in ihrem Geschäft gesagt, dass sie sich in der Mittagspause 20 Minuten hinsetzen möchte, um zu essen und mache dies bis heute so. «Wir sitzen bei uns Zuhause zu den Mahlzeiten immer alle zusammen am Tisch; das ist hier auch nicht unbedingt üblich.»
Ob Luzia Tibig für immer in Amerika bleibt, weiss sie noch nicht. Ursprünglich sei es angedacht gewesen, dass ihr Mann und sie nach der Pensionierung in die Schweiz ziehen. «Ob wir das wirklich realisieren, weiss ich noch nicht», sagt sie. «Es hängt vermutlich auch davon ab, was unsere Kinder machen. Sie haben den amerikanischen und den Schweizer Pass. Es ist für uns denkbar, dass die Kinder nach der obligatorischen Schulzeit in der Schweiz eine Lehre absolvieren, aber entschieden ist momentan noch nichts.»