Fröhliche Erinnerung an erfolgreichen Widerstand
03.04.2025 KaiseraugstVor 50 Jahren ist das Gelände des geplanten AKW Kaiseraugst besetzt worden
Dank des Widerstands der Bevölkerung konnte der Bau eines Atomkraftwerks in Kaiseraugst verhindert werden. Ehemalige Besetzer trafen sich diese Woche auf dem Gelände, um an die Geschehnisse von ...
Vor 50 Jahren ist das Gelände des geplanten AKW Kaiseraugst besetzt worden
Dank des Widerstands der Bevölkerung konnte der Bau eines Atomkraftwerks in Kaiseraugst verhindert werden. Ehemalige Besetzer trafen sich diese Woche auf dem Gelände, um an die Geschehnisse von 1975 zu erinnern. Am Samstag ist in Basel eine Jubiläumsfeier geplant.
Valentin Zumsteg
Auf dieser Wiese im Osten von Kaiseraugst hat sich vor 50 Jahren Historisches zugetragen. Die Bevölkerung wehrte sich gegen den geplanten Bau eines Atomkraftwerks mit zwei Kühltürmen. Am 1. April 1975 begannen ein paar entschlossene Leute mit der Besetzung des Areals, die elf Wochen dauern sollte. Der Protest wurde von der breiten Bevölkerung mitgetragen, immer weitere Kreise schlossen sich dem Widerstand an. Bauern unterstützten die Aktion mit Lebensmitteln und Brennholz. Erst als den Besetzerinnen und Besetzern zugesichert wurde, dass es Verhandlungen mit dem Bundesrat gibt und auf einen Bau des Kraftwerks vorerst verzichtet wird, zogen sie ab. Der Rest ist Geschichte: Das Atomkraftwerk wurde nie gebaut – dank der breiten Opposition der Bevölkerung.
Freudiges Wiedersehen der alten Kämpferinnen und Kämpfer
Genau dort, bei dieser geschichtsträchtigen Wiese, trafen sich am Dienstag ehemalige Besetzerinnen und Besetzer sowie Sympathisanten. Es war ein freudiges Wiedersehen der alten Kämpferinnen und Kämpfer. Fahnen und Transparente f latterten im Wind, fast wie damals.
Peter Scholer, einer der Urväter des Widerstands und Ehrenpräsident der Gewaltfreien Aktion Kaiseraugst (GAK), konnte rund zwei Dutzend Leute willkommen heissen. «Es freut mich sehr, liebe Familie, dass ihr da seid», erklärte er. Seine Stimme wurde durch ein Megafon verstärkt, das bereits vor 50 Jahren bei der Besetzung zum Einsatz kam. Scholer blickte zurück auf die Geschichte der Atomkraft – und den Widerstand dagegen. Sein Fazit: «Es wird in der Schweiz kein neues AKW geben.»
«Ewig dankbar»
Der Möhliner Grossrat Andreas Fischer (Grüne) war bei der Besetzung nicht dabei, er wurde erst 1977 geboren. Heute ist er Präsident von «Nie w ieder Atom k raftwerke Schweiz»: «Ich bin den Besetzerinnen und Besetzern ewig dankbar, dass ich nicht unter den Kühltürmen aufwachsen musste.» Hier in Kaiseraugst habe damals der Ausstieg aus der Atomkraft begonnen; doch abgeschlossen sei er noch nicht.
Fischer sprach sich gegen die geforderte Aufhebung des Neubauverbots für Atomkraftwerke aus. «Ich finde es skandalös, dass dies heute gefordert wird.» Weiter verlangte er einen verbindlichen Zeitplan für die rasche Abschaltung aller verbliebenen Atomreaktoren und die Beschleunigung des Ausbaus von Solar- und Windenergie.
«Der Rechtsstaat ist geritzt worden»
Eine andere Sicht auf die Besetzung und die Atomenergie hat Ulrich Fischer. Der ehemalige Aargauer Nationalrat war damals Direktor der Kernkraftwerk Kaiseraugst AG und sollte das AKW bauen. Auf Einladung von Peter Scholer kam er am Dienstag ebenfalls an den geschichtsträchtigen Ort zurück. «Mit der Besetzung des Areals ist ein rechtskräftig bewilligtes Projekt verhindert worden. Das war enttäuschend für mich, ich konnte es nicht verstehen», sagte Ulrich Fischer. Aus seiner Sicht ist damals der Rechtsstaat «geritzt worden», wie er gegenüber der NFZ erklärte. Etwas, das er sehr bedauert. «Es wurden dafür Atomkraftwerke in Leibstadt und Gösgen gebaut», tröstet er sich.
Auch nicht zu den Besetzern gehörte der heutige Kaiseraugster Gemeinderat Hanspeter Meyer. Ursprünglich sei er ein Befürworter eines Kraftwerks gewesen. Das änderte sich jedoch, als zwei Kühltürme geplant wurden. «Für die Gemeinde hat die Besetzung eine grosse Bedeutung. Sie hat unsere Gesellschaft verändert. Wegen unterschiedlicher Meinungen zum AKW gab es Familien und Vereine, bei denen die Mitglieder nicht mehr miteinander redeten.» Das habe sich später wieder gebessert. «Die Gesellschaft hat irgendwann gelernt, mit unterschiedlichen Meinungen umgehen zu können. Das war für Kaiseraugst ein heilsamer Prozess. Die Corona-Zeit brachte aber wieder einen Rückschritt», so Meyer.
Zum Abschluss der kleinen Feierlichkeit erklang am Dienstag «d’Ballade vo Kaiseraugschd» von Liedermacher Aernschd Born aus dem Megafon. Er gehörte ebenfalls zu den Besetzern. Einige seiner damaligen Mitstreiter sangen und summten mit – vielleicht mit einer Spur Wehmut und Nostalgie.
«50 Jahre nach Kaiseraugst». Feier zur erfolgreichen Verhinderung des AKW Kaiseraugst. Samstag, 5. April, ab 11 Uhr, in der Markthalle in Basel.