«Fricktaler Politiker machen sich stark für gute Gesundheitsversorgung»
01.01.2025 RheinfeldenAnneliese Seiler blickt auf eine intensive Zeit beim GZF zurück
Ende März 2025 lässt sich Anneliese Seiler als CEO beim Gesundheitszentrum Fricktal (GZF) frühpensionieren. Im Gespräch erklärt sie, warum ihr eine offene Kommunikation und eine Zusammenarbeit ...
Anneliese Seiler blickt auf eine intensive Zeit beim GZF zurück
Ende März 2025 lässt sich Anneliese Seiler als CEO beim Gesundheitszentrum Fricktal (GZF) frühpensionieren. Im Gespräch erklärt sie, warum ihr eine offene Kommunikation und eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe immer am wichtigsten waren.
Susanne Hörth
NFZ: Frau Seiler, Sie arbeiten seit 1. Januar 2007 beim GZF. Was waren für Sie die grössten Herausforderungen in diesen 18 Jahren?
Anneliese Seiler: Eine Herausforderung war sicher, als der ganze Operationsbetrieb in Rheinfelden konzentriert wurde. Es löste teilweise eine grosse Verunsicherung bei den Mitarbeitenden und der Bevölkerung aus. In Laufenburg hätte man gerne den Status quo behalten. Das ging aus wirtschaftlichen Gründen einfach nicht. Es war uns daher wichtig, die Leute eng zu informieren, sie in diesem Veränderungsprozess mitzunehmen und für ihre Fragen und Anliegen da zu sein. Und natürlich gehörte auch die Covid-Zeit für uns alle zu einer sehr grossen Herausforderung, die unseren Mitarbeitenden sehr viel abverlangt hat.
Gibt es noch weitere?
Ja. Herausfordernd waren und sind für mich immer die politischen Diskussionen um die Regionalspitäler. Wir haben am GZF viele tolle Mitarbeitende. Sie geben täglich ihr Bestes. Daneben sind sie immer wieder mit den politischen Diskussionen konfrontiert. Mal braucht es die Regionalspitäler, mal nicht. Dann will man sie wieder anders. Neben dem Führen eines Unternehmens, dem Fällen von strategischen Entscheiden auch immer wieder die verunsicherten Mitarbeitenden motivieren zu können, ist ein Spagat. Wir haben nun eine sehr gute GGpl*, welche die Rahmen der Regionalspitäler klar absteckt. Der Grosse Rat hat sich darauf geeignet. Ich wünsche mir, dass wir nun längerfristig auf dieser guten Grundlage aufbauen können.
Politische Diskussionen braucht es aber schon …
… Natürlich. Bestehendes muss regelmässig hinterfragt werden, Status quo geht nicht. Fragen wie etwas noch besser oder anders gemacht werden kann, braucht es sicher. Trotzdem ist es gut, wenn wir uns auf die eigentliche Versorgung der Patienten fokussieren können und eine gewisse Planungssicherheit haben. Das entlastet alle. Denn auch die Patienten spüren Unsicherheiten, die Bevölkerung ebenfalls.
Die Fricktaler Politiker haben in der Vergangenheit immer wieder ihre Unterstützung für das GZF deutlich gemacht …
Ja, unsere Fricktaler Politiker sind sehr engagiert und machen sich stark für eine gute regionale Gesundheitsversorgung, was wir ausserordentlich schätzen.
Was waren Ihre persönlichen Höhepunkte in den zurückliegenden 18 Jahren?
Highlights sind das, was von den Menschen zurückkommt. Wir haben so viele schöne Rückmeldungen von Patienten, von Mitarbeitenden und eben auch von der Politik und weiteren Partnern, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Für mich ist eine offene Kommunikation sehr wichtig. Viel kommt damit zurück. Wir haben viele Mitarbeitende, die sehr lange bei uns sind. Sie alle sind es, die sich einsetzen und für diese guten Rückmeldungen sorgen.
* Am 11. Juni 2024 hat der Grosse Rat die Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) 2030 einstimmig verabschiedet. Damit wurden die zehnjährige Entwicklungszeit abgeschlossen und die Leitplanken für die Entwicklung des Gesundheitssystems bis ins Jahr 2030 gesetzt.
«Die Gesundheitsversorgung können wir nur gemeinsam lösen»
Anneliese Seiler setzt auf die Zusammenarbeit aller Akteure und Partner
Der Mangel an Hausarztpraxen im Fricktal ist ein grosses Thema. Das Gesundheitszentrum Fricktal (GZF) will diesem Mangel mit Gemeinschaftspraxen begegnen. «Wenn wir es nicht machen, dann laufen wir Gefahr, dass die Versorgung stark überlastet und der demografischen Entwicklung nicht standhält», betont CEO Anneliese Seiler.
Susanne Hörth
NFZ: Für das Jahr 2023 musste das GZF mit 5,7 Millionen Franken ein Verlust ausweisen. Wie sieht es aktuell aus?
Anneliese Seiler: Zurzeit sind wir im positiven Bereich, obwohl der Jahresabschluss noch nicht vorliegt. Wenn es auch kein üppiges Polster ist, so hoffe ich doch, dass wir es bis Ende Jahr halten können.
Gibt es Zeichen dafür, dass es nicht so sein könnte?
Momentan haben wir saisonal bedingt wieder mehr kranke Mitarbeitende, was temporäre Anstellungen nötig macht.
Als einen der Gründe für den finanziellen Vorjahresverlust wurde der Fachkräftemangel genannt. Hat sich hier die Lage entspannt?
Im Pflegebereich können wir eine leichte Besserung feststellen. Aber nach wie vor ist es schwierig, diplomiertes Personal zu finden.
In welchem Bereich?
Anästhesie-Pflege, OP-Pflege. Intensiv-Pflegepersonal.
Das GZF ist ein Ausbildungsbetrieb. Bleiben da junge Leute nach ihrem Lehrabschluss auch im Unternehmen?
Ja und das erleichtert vieles. Aber es ist leider zunehmend schwieriger, Lernende zu finden. Sie, wie auch Fachkräfte zu finden, bleibt ein Schwerpunkt für die kommenden Jahre. Die Patienten sind ja da und schenken uns ihr Vertrauen. Dazu kommt auch noch die demografische Entwicklung. Die Leute werden immer älter. Die medizinische Versorgung muss sichergestellt werden.
Ende November hat das Schweizer Stimmvolk der Gesundheitsreform EFAS** zugestimmt. Welche Auswirkungen hat das für das GZF?
Vom Grundsatz her ist es richtig, dass die Finanzierung so angepasst wird. Ich unterstütze es sehr, dass Fehlanreize wegfallen. Es ist der einzig richtige Weg. Es löst aber nach wie vor nicht die ganze Tariffrage, das ist ja entkoppelt. Zentral ist, dass die unzureichenden Tarife im ambulanten Bereich korrigiert werden, ansonsten viele Spitäler in eine finanzielle Schieflage geraten werden. Viele Fragen bleiben und müssen noch geklärt werden.
Baselland will seine Kantonsspitäler neu ausrichten. Sogar der Bau eines neuen Spitals im mittleren Baselbiet wird in die Prüfungen einbezogen. Mit welchem Interesse verfolgt man beim GZF diese Neustrukturierung der medizinischen Versorgung im Nachbarkanton?
Das beobachten wir ganz genau. Es interessiert uns sehr, wie sich die Gesundheitsversorgung in unserer unmittelbaren Umgebung entwickelt. Inwiefern die deutliche Zunahme an Patienten, die wir aus dem Kanton Baselland verzeichnen, damit zusammenhängt, ist schwierig zu beurteilen.
Neben den beiden Spitälern in Rheinfelden und Laufenburg betreibt das GZF unter anderem auch fünf Haus- und Facharztpraxen, verteilt auf das ganze Fricktal. Die grösste davon befindet sich in Frick. Sind weitere solcher Praxen geplant?
Aktuell nicht. Der Mangel an Hausarztpraxen ist ein grosses Thema, insbesondere in den ländlichen Gebieten. Das Modell der integrierten Versorgung der kurzen Wege, welches das GZF im ganzen Fricktal lebt, soll diesem Mangel zumindest teilweise begegnen.
Sehen Sie das Führen von Hausarztpraxen als eine Kernkompetenz des GZFs an?
Der Grundgedanke für die IAVO-Praxen entstand, als einige Hausärzte in der Region keine Nachfolge finden konnten und in diesem Zusammenhang auf uns zukamen. Wenn wir es nicht machen, dann laufen wir Gefahr, dass die Versorgung stark überlastet und der demografischen Entwicklung nicht standhält. Hinzu kommt, dass viele Hausärzte nicht mehr allein arbeiten wollen. Sie wünschen sich einen Austausch unter Kolleginnen und Kollegen. Gerade bei jüngeren Generationen ist das enorm wichtig.
Ausserdem wollen viele Teilzeit arbeiten.
Deshalb Gemeinschaftspraxen?
In Gemeinschaftspraxen funktioniert es. Die Ergänzung mit Fachärzten kommt gut an. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir die Stellen der Hausärzte besetzen konnten. Es macht keinen Sinn auf Modelle zu setzen, bei welchen keine Ärzte gefunden werden können. Wir sind in gewissen Bereichen schon in einer massiven Unterversorgung.
Das heisst?
Der Aargau ist für Hausärzte nicht wirklich interessant. Zum einen, weil die Selbstdispensation von Medikamenten nicht möglich ist. Zum anderen ist es vielen auch zu ländlich. Im Raum Rheinfelden funktioniert es noch einigermassen, in Möhlin wird es schon schwieriger und im oberen Fricktal ist der Mangel an Hausarztpraxen deutlich spürbar.
Was braucht es für eine Verbesserung?
Die Versorgung der Bevölkerung können wir nur gemeinsam mit allen Akteuren und Partnern regeln.
Fokus muss sein: Wie stellen wir die Versorgung sicher und wie bringen wir es gemeinsam hin? Das muss das Ziel sein. Am Schluss geht es um die Bevölkerung, um den Patienten Es geht um die medizinische Versorgung. Es ist kein Selbstzweck.
Sie werden sich im März frühpensionieren lassen. Dem GZF bleiben Sie als VR-Präsidentin weiterhin treu. Als langjährige CEO bringen Sie einen grossen Rucksack an praxisnaher Erfahrung in den VR. Können Sie sich eine strategische Neuausrichtung des Verwaltungsrates vorstellen?
Nein. Ich konnte bisher gute Arbeit machen, weil ich gute Leute im Unternehmen und einen starken VR habe, der uns vertraut und den Rücken stärkt. Das beginnt in der obersten Zelle der Organisation und geht bis in alle Kapillaren. Das ist so wichtig. Dieses Glück hatte ich in all den 18 Jahren und mit diesem Esprit möchte ich als Präsidentin im Verwaltungsrat weiterarbeiten.
Ist es schwer, nach so vielen Jahren die Aufgaben in andere Hände zu übertragen?
Ganz und gar nicht, es ist wunderbar! Ich übergebe sie mit Oliver Grossen als neuen CEO in sehr gute Hände. An jemand, der fachlich hochkompetent ist und dem eine kollaborative Unternehmenskultur wichtig ist. Das es so ist, heisst für mich auch, dass ich gut loslassen kann. Ich bin niemand der dreinschwatzt. Das war bisher so, wird es auch weiterhin so sein.
Mit der Pensionierung beginnt für Sie mit grosser Sicherheit beruflich eine ruhigere Zeit. Wo trifft man Anneliese Seiler künftig vermehrt an, was sind Ihre Hobbys? Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich will endlich kochen, ich koche leidenschaftlich gerne. Ich möchte auch die Lebensmittel wieder frisch vom Markt einkaufen können. Dann freue ich mich auf die Natur, viel draussen sein. Ganz wichtig ist mir auch der Austausch mit den Menschen. Mehr Zeit haben, ist das grösste Geschenk. Für mich bedeutet das auch, das Jahr einmal ganz bewusst mit all seinen Ritualen zu erleben, durch die Jahreszeiten gehen, sie bewusst wahrnehmen. Ostern geniessen oder in der Adventszeit einfach wieder Guetzli backen, darauf freue ich mich.
** Ab 1. Januar 2028 werden alle ambulanten und stationären Leistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von Versicherern und Kantonen nach gleichem Verteilschlüssel finanziert.