Freispruch nach schweren Anschuldigungen
21.06.2024 RheinfeldenVerhandlung vor dem Bezirksgericht Rheinfelden
Am Mittwochnachmittag musste sich ein 21-jähriger Fricktaler vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe kinderpornografische Bilder bestellt und Videos geteilt. Das Gericht sprach ihn frei. Es glaubte ...
Verhandlung vor dem Bezirksgericht Rheinfelden
Am Mittwochnachmittag musste sich ein 21-jähriger Fricktaler vor dem Bezirksgericht Rheinfelden verantworten. Ihm wurde vorgeworfen, er habe kinderpornografische Bilder bestellt und Videos geteilt. Das Gericht sprach ihn frei. Es glaubte dem Angeklagten, dass er Opfer eines Profildiebstahls geworden war.
Valentin Zumsteg
Es sind schwerwiegende Straftaten, welche die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage dem 21-jährigen Studenten zur Last legte. Er solle im April 2021 von einem Unbekannten zwei kinderpornografische Bilder über die Messenger-App Kik auf seinem Mobiltelefon angefordert und auf seinem Laptop via Backup gespeichert haben. Weiter warf ihm die Staatsanwaltschaft vor, dass er an Heiligabend 2021 vier gleiche Videodateien mit kinderpornografischen Inhalten über sein Smartphone auf Snapchat hochgeladen und öffentlich zugänglich gemacht habe.
«Verstand die Welt nicht mehr»
Aufgrund des Tatverdachtes führte die Polizei im Juni 2022 eine Hausdurchsuchung bei seinen Eltern, bei denen er wohnt, durch. Der damalige Maturand, der kurz vor den Prüfungen stand, wurde unsanft geweckt und zu einer Befragung auf den Polizeiposten mitgenommen. «Ich verstand die Welt nicht mehr», sagte der Beschuldigte am Mittwoch vor Gericht. Er habe nicht gewusst, um was es gehe. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wies er vehement zurück. Die Fotos, die ihm die Polizei zeigte, habe er auf dem Posten zum ersten Mal gesehen. «Ich konnte mir die Vorwürfe nicht erklären», führte er weiter aus. Erst im Nachhinein habe er festgestellt, dass eine Fitness-App, die er früher nutzte, gehackt worden war. Zudem sei er auch von einem zweiten Datenleck bei Facebook betroffen gewesen – so wie Tausende andere Schweizer. «Mein Umgang mit Passwörtern war leider sehr laienhaft. Ich habe überall dieselben verwendet», erklärte er der Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab. Später habe er Hinweise von Instagram und Amazon erhalten, dass es auf seinen Konten ungewöhnliche Aktivitäten gebe.
Aus Sicht des Verteidigers war sein Mandant nicht Täter, sondern Opfer – und zwar eines Identitätsdiebstahls. «Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Seine Daten sind missbraucht worden, um Videos zu verbreiten.» Kriminelle verwendeten fremde Identitäten, um in der Anonymität agieren zu können. Es gebe Tausende von ähnlichen Fällen. Aus diesem Grund hat der Angeklagte – auf Anraten der Verteidigung – eine Anzeige gegen Unbekannt wegen Identitätsdiebstahls gemacht. Leider habe die Staatsanwaltschaft diese nicht weiterverfolgt. Überhaupt habe die Staatsanwaltschaft keine entlastenden, sondern nur belastende Beweise gesucht. «Es wurden absurde Vorwürfe erhoben», sagte der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft hätte das Verfahren gegen seinen Mandanten schon längst einstellen können und sollen.
«Sehr belastend»
«Das Strafverfahren war sehr belastend. Es sorgte für grosse Unsicherheit während zwei Jahren», sagte der Angeklagte vor Gericht. Es habe auch konkrete Folgen gehabt: So konnte er einen Zivildienst-Einsatz nicht leisten, weil ihm dies wegen des Verfahrens verwehrt worden sei. Eines habe er aber gelernt: «Ich achte viel besser auf Passwörter und digitale Sicherheit.»
Die Staatsanwaltschaft, die vor Gericht nicht vertreten war, forderte für den Angeklagten eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 30 Franken sowie eine Busse von 1600 Franken. Zudem sei dem Beschuldigten lebenslänglich jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit, die einen regelmässigen Kontakt zu Minderjährigen umfasse, zu verbieten. Die Verteidigung verlangte hingegen in allen Punkten einen Freispruch.
Für Gerichtspräsidentin Regula Lützelschwab präsentierte sich die Sache eindeutig: «Es war schnell klar, dass wir der Argumentation der Verteidigung vollumfänglich folgen.» Sie sprach den jungen Mann von den Vorwürfen bezüglich der kinderpornografischen Inhalte frei. Eine geringe Busse von 200 Franken muss er hingegen bezahlen, da bei der Hausdurchsuchung eine kleine Menge Marihuana gefunden wurde. Der Hauptteil der Verfahrenskosten sowie die Ausgaben für die Verteidigung gehen zulasten der Staatskasse und somit der Steuerzahler.
Der Angeklagte und seine Eltern waren nach der Urteilsverkündung sehr erleichtert. Offen ist, ob die Staatsanwaltschaft den Fall an die nächste Instanz weiterziehen wird.