Die Freundschaft der Feuerwehren Möhlin und Karsau begann 1964 mit einem Diebstahl, der mit einem Fest ausgelöst wurde. Über die Generationen wurde sie weitergegeben und scheint vorerst auch die Auflösung der Feuerwehr Karsau zu überstehen.
Boris Burkhardt
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Die Freundschaft der Feuerwehren Möhlin und Karsau begann 1964 mit einem Diebstahl, der mit einem Fest ausgelöst wurde. Über die Generationen wurde sie weitergegeben und scheint vorerst auch die Auflösung der Feuerwehr Karsau zu überstehen.
Boris Burkhardt
Es ist die Hellebarde. Es wird noch bis zur nächsten Begegnung dauern, bis sie wieder an der Wand im Sitzungszimmer im Feuerwehrmagazin Möhlin stehen wird. Sie erzählt die Geschichte der Feuerwehr Möhlin und ihrer wohl einzigartigen Freundschaft über den Rhein hinweg mit der Feuerwehr Karsau. Diese Freundschaft wird dieses Jahr 60 Jahre alt. «Ursprünglich handelt es sich um eine Lanze, die Teil der alten Karsauer Saug-Druck-Spritze war», erklärt Florian Schmidt: «Sie wurde wohl bei der 100-Jahr-Feier der Feuerwehr Nollingen 1964 vergessen und von den Möhlinern mitgenommen.» Schmidt war der letzte Kommandant in Karsau vor der Auflösung und Fusion zur neuen Badisch-Rheinfelder Abteilung Stadt diesen Mai.
«Die Karsauer fanden das nicht so lustig», weiss der Möhliner Kommandant Richard Urich von Zeitzeugen: «Die Möhliner sagten ihnen, wenn sie die Lanze zurückwollten, müssten sie sie holen kommen. Wir luden sie dann zu einem Fest ein.» Dadurch sei das Ritual entstanden, dass die Lanze, später durch die Hellebarde ersetzt, bei jedem Treffen den Besitzer gewechselt habe. Urich, Jahrgang 1976, kann sich noch als Bub an diese Anfänge erinnern. Sein Vater Walter Urich war ebenfalls in der Feuerwehr und später Kommandant. «Am Vatertag durfte ich ihn und seine Kameraden bereits nach Karsau begleiten», sagt Richard Urich über den feucht-fröhlichen Männeranlass, der sich in Deutschland an Auffahrt etabliert hat.
Der Weg zueinander ist nicht weit
Die Beziehungen gingen aber weit über Spass und Geselligkeit hinaus: 1977 arbeiteten die Feuerwehren Möhlin und Karsau beim Internationalen Orientierungslauf Schweiz– Deutschland in beiden Dörfern zusammen; in den Achtzigern organisierten sie viermal den Internationalen Feuerwehrmarsch zwischen beiden Dörfern als Wanderung und Bootsfahrt. Auch die Märsche sind Urich noch in Erinnerung. 1997 begann Richard Urichs eigene Feuerwehrkarriere. «Wir sind mit dieser Freundschaft aufgewachsen und haben sie mitgestaltet», sagt er über seine Generation.
Die Feuerwehren organisierten einmal pro Sommer eine gemeinsame Übung, besuchten sich gegenseitig bei ihren Generalversammlungen. Die Karsauer nahmen regelmässig an der Schlussprobe der Möhliner teil. Erst vor wenigen Jahren halfen die Möhliner bei einem Scheunenbrand in Karsau aus; die Karsauer kamen mehrmals bei Hochwasser nach Möhlin. Die Feuerwehr Möhlin ist allerdings nicht in das offizielle grenzüberschreitende Alarmierungssystem eingebunden wie Rheinfelden. «Oft beginnen solche Partnerschaften mit einem Vertrag oder Abkommen», sagt Urich: «Bei uns stand als erstes die Freundschaft.» Der Weg zueinander ist dabei nicht so weit, wie man des Rheins wegen denken mag: Die beiden Feuerwehren dürfen seit einigen Jahren das Kraftwerk Riburg-Schwörstadt befahren.
«Hatten Angst, dass unsere Freundschaft verlorengeht»
Dieses Frühjahr dann der grosse Umbruch: Karsaus Feuerwehr war bereits seit der Eingemeindung nach Badisch-Rheinfelden 1974 keine eigenständige Feuerwehr mehr, sondern eine Abteilung der Gesamtfeuerwehr Rheinfelden. Nun fusionierte die Abteilung Karsau aber mit den Abteilungen Rheinfelden, Nollingen und Warmbach zur neuen Abteilung Stadt und hat damit aufgehört zu existieren. «Wir hatten schon Angst, dass unsere Freundschaft durch die Neuorganisation verlorengeht», sagt Urich: «Aber an Beziehungen muss man arbeiten.»
Derzeit müssen sich die Möhliner Feuerwehrleute keine Sorgen um die Karsauer machen. Erst Ende September übergaben sie die Hellebarde anlässlich des Tags der Offenen Tür im neuen Gerätehaus in Badisch-Rheinfelden. Dort hat sie ihren Ehrenplatz in der Fahrzeughalle direkt neben dem Karsauer Oldtimer-Löschfahrzeug. An der Möhliner Schlussprobe am 25. Oktober waren neun Kameraden aus Rheinfelden, die meisten davon Karsauer, mit einem Löschfahrzeug dabei – allerdings ohne Hellebarde. Auch Karsaus ehemaliger Kommandant Schmidt legt grossen Wert darauf, die Freundschaft mit Möhlin auch in der Abteilung Stadt aufrechtzuerhalten. Der neue Abteilungsleiter Florian Johner hat bereits eine Einladung nach Möhlin erhalten.