«Es wird immer Menschen geben, die Pflege benötigen»
16.10.2023 Rheinfelden«SwissSkills»-Siegerin Gabriela Petrovic, Fachfrau Gesundheit
Nach den nationalen Wettkämpfen strebt Gabriela Petrovic die World Championships an. Sie spricht über ihre Motivation für den Beruf, ihre Meinung über das Gesundheitswesen und ihren Wunsch ...
«SwissSkills»-Siegerin Gabriela Petrovic, Fachfrau Gesundheit
Nach den nationalen Wettkämpfen strebt Gabriela Petrovic die World Championships an. Sie spricht über ihre Motivation für den Beruf, ihre Meinung über das Gesundheitswesen und ihren Wunsch für die Zukunft.
Yasmin Malard
Ein sonniger Tag. Die Reha Rheinfelden vom Grün eingebettet. Gabriela Petrovic und Karen Ziegler nehmen neben mir im Sitzungszimmer Platz.
Die neunzehnjährige Gabriela, die bei den «SwissSkills» den Aargau vertreten hat, verbrachte das erste Lehrjahr in einem Altersheim und hat nun ihre Lehre diesen Sommer in der Reha abgeschlossen. Sie beschreibt sich selbst als eine offene und lustige Person, die hilfsbereit ist. «Man kann immer zu mir kommen, wenn etwas ist. Ich helfe einfach gerne.»
Konzentriert und beherrscht
Der nationale Wettbewerb, bei dem junge Berufstalente in ihrem fachlichen Können geprüft werden, fand dieses Jahr am 16. September in Delémont statt. Bei der Erstausscheidung stand die Körperpf lege im Vordergrund. Später im Finale wurde eine unerwartete Notfallsituation simuliert, welche die Teilnehmenden bewältigen mussten. Während des Wettbewerbs blieb Gabriela ruhig. «Was sie von den anderen unterschieden hat, war ihre Konzentrationsfähigkeit. Sie hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das eine ist die Kompetenz und das andere die Selbstbeherrschung in Stresssituationen», meint Karen Ziegler, ihre Vorgesetzte. Vor und nach dem Wettbewerb sei sie aber am Zittern gewesen, so die Teilnehmerin selbst. «Ich glaube, das hat man auch gemerkt.» Umso glücklicher war Gabriela Petrovic, als das Komitee sie zur Siegerin kürte. Auf die Frage, ob es eine Option wäre, an den Weltmeisterschaften 2024 mitzumachen, antwortet sie frisch und munter: «Auf jeden Fall.» Im Oktober steht ein Assessment-Tag bevor, an dem entschieden wird, welche von den drei Bestplatzierten der «SwissSkills» die Schweiz in Lyon vertreten darf. «Wenn ich dabei sein kann, möchte ich auch alles geben und die Goldmedaille holen», sagt sie ambitioniert.
Schlüssel zum Erfolg
Um zu gewinnen, brauche es eine gute Vorbereitung. Die fing bei ihr schon im zweiten Lehrjahr an. Letztes Jahr nahm sie dann an den kantonalen Prüfungen teil. Als Motivation für die Teilnahme nennt Gabriela Petrovic primär die Herausforderung, aber auch den Vorteil der Übung für die praktische Prüfung ihrer Lehre, die nun hinter ihr liegt. «Ich bekam vom Betrieb, meinen Arbeitskollegen und der OdA Santé (nationale Dachorganisation der Arbeitswelt Gesundheit; Anm. d. Red.) eine tolle Unterstützung. Es war also nicht nur Eigenleistung, sondern auch Gruppenarbeit.»
Schatten- und Sonnenseiten
Gabriela Petrovic faszinieren an der Arbeit als Fachfrau Gesundheit die Spontaneität und Abwechslung. «Wenn ich arbeiten gehe, weiss ich nicht, was auf mich zukommt. Eine gute Fachfrau Gesundheit muss in erster Linie flexibel sein.» Man könne nichts planen, sondern müsse spontan auf unvorbereitete Situationen eingehen und bereit sein, Verantwortung zu tragen. Sie könnte niemals in einem Beruf arbeiten, der durch und durch strukturiert ist und geregelte Arbeitszeiten hat. «Viele haben Probleme mit den unregelmässigen Arbeitsschichten, mir aber gefallen sie.» Dennoch bleibt ihr Job herausfordernd. «Teilweise habe ich Mühe mit den Angehörigen. Sie können verzweifelt und ungeduldig werden, während wir die Ruhe bewahren müssen. Manchmal sind sie schwieriger als die Patienten selbst.» Diese seien nämlich in der Regel sehr dankbar und würden ihre Arbeit schätzen. Klar gebe es auch schwierigere Fälle, wenn Patienten unter einer gravierenden Krankheit leiden würden, da seien die Pf legenden verständnisvoll, wenn sie nicht «schön» reagierten. Zudem kann sich Petrovic gut von negativen Kommentaren abgrenzen. «Es ist schliesslich mein Job, ich bin für das da.»
Hoffen, dass etwas passiert
Spätestens seit der Pflegeinitiative 2019 ist es kein Geheimnis mehr, dass die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen Luft nach oben haben. Ich wollte wissen, wie sie das sieht. Gabriela Petrovic: «Die Pflege ist ein toller Beruf, aber in jedem Bereich dieses Berufs macht sich der Personalmangel bemerkbar.» Dies werde sich durch die alternde Bevölkerung auch nicht so schnell ändern. Im Gegenteil: «Wenn die Leute immer älter werden, brauchen die Leute mehr Pflege. Mehr Pflege heisst mehr Personal und das haben wir schlichtweg nicht. Genau das ist das Problem.» Die Pf legeinitiative verspricht mehr Ausbildungsplätze, weniger kurzfristige Arbeitseinsätze und eine bessere Entlöhnung. Davon habe sie noch nichts mitbekommen, gibt sie zu. «Man hat uns aber auch gesagt, dass es Zeit braucht. Ich hoffe, dass noch etwas passiert!»
Grosse Pläne
Frühzeitige Berufsaustritte hat Gabriela Petrovic schon öfters mitbekommen. Die meisten Aussteiger würden sich lohntechnisch umorientieren. Um einen besseren Lohn zu erhalten, gibt es aber auch eine andere Möglichkeit, nämlich die Weiterbildung. Viele ihrer Kolleginnen nutzen dieses Angebot. Sie selber holt nebenberuflich die gymnasiale Matur nach. Dreieinhalb Jahre dauert das. Danach, wenn alles läuft, wie sie es sich vorstellt, soll es weiter gehen mit dem Medizinstudium. Wegen familiären Gründen war sie, seit sie klein war, oft in Spitälern. Der Wunsch, aufs Gymnasium zu gehen und danach Medizin zu studieren, schwirrt seit jeher in ihrem Kopf herum. Irgendwie kam es vorerst dann doch anders. Bereuen tut sie es aber nicht. «Die FaGe-Lehre ist eine gute Grundbildung.»
Nicht zu ersetzen
Was ist am Beruf der Pflege so wichtig? «Die Pflege ist ein systemrelevanter Beruf, den man nicht ersetzen kann. Heutzutage gibt es viele Erfindungen, die menschliches Personal ersetzen. Es wird aber immer Menschen geben, die Pflege benötigen.» Viele der Patienten fühlen sich allein. Aufgabe der Pflegenden sei es, das Wohlbefinden dieser einsamen Menschen zu fördern – der zwischenmenschliche Kontakt dabei unentbehrlich. «Die Pflegekräfte mit Maschinen zu ersetzen, stelle ich mir schwierig vor; nein, ich denke sogar unmöglich.»