«Es war wunderschön und alles eben»
30.12.2024 Sulz«Kanada war gut für uns», sagt Beat Schraner. Der Landwirt aus Sulz erinnert sich an seine Auswanderung in den siebziger Jahren und erzählt von seinem Leben heute. Nach vielen Jahren voller Arbeit geniesst er nun seine Pension mit Schweizer Auswandern vor Ort oder Reisen in ...
«Kanada war gut für uns», sagt Beat Schraner. Der Landwirt aus Sulz erinnert sich an seine Auswanderung in den siebziger Jahren und erzählt von seinem Leben heute. Nach vielen Jahren voller Arbeit geniesst er nun seine Pension mit Schweizer Auswandern vor Ort oder Reisen in die Schweiz.
Karin Pfister
Vier Tage nach der Hochzeit 1970 sind Beat und Annemarie Schraner von Sulz nach Kanada gereist. Eigentlich wollten sie nur ein Jahr bleiben, aber das Land hat sie fasziniert. «Wir haben in der Nähe der Niagara Fälle auf einer Obstfarm gearbeitet. Es war wunderschön. Das Klima war sehr angenehm und alles ist flach.»
Nach der Geburt des ersten Sohnes ist das Ehepaar zurück in die Schweiz gekommen und hat den elterlichen Bauernhof in Sulz übernommen. «Unsere Eltern hatten sich das gewünscht.» Dort kamen auch noch zwei Töchter zur Welt. Richtig heimisch geworden ist die Familie im Fricktal nicht mehr, Beat Schraner hat es zurück nach Kanada gezogen. 1977 hat er den Hof seinem Bruder verkauft und ist zusammen mit Frau und Kindern nach Übersee geflogen. Zuerst pachtete die Familie eine kleine Farm in der Nähe der Niagara Fälle. «Wir hätten gerne dort etwas gekauft, konnten uns diese Farmen aber nicht leisten.» In Williamsburg, zirka 50 Kilometer von Ottawa entfernt, fand die Familie dann eine Milchfarm mit 90 Hektaren Land. Schon im ersten Jahr fing Beat Schraner an, das Land zu entwässern. «Dank der Entwässerung war die Saison länger und die Erträge bedeutend höher.» Ackerbau wie Mais oder Sojapflanzen seien nur dank diesem System überhaupt möglich geworden. «Die Drainagen-Schläuche wurden teilweise alle sechs Meter in den Boden verlegt. Das machten Firmen mit Bulldozern, die Entwässerung war sehr aufwändig.» Auch sonst verlief der Start arbeitsreich. «Es war eine ältere Farm und wir mussten vieles renovieren.» Es seien schöne, aber anstrengende Jahre gewesen, erinnert er sich heute. Vieles war anders, als er es in der Schweiz gelernt hatte. «Die kanadischen Landwirte müssen wie Unternehmer denken. Es gibt keine festen Preise, die Preise sind nach der Börse ausgerichtet. Das muss man zuerst einmal verstehen.» Auch nach mehreren Jahrzehnten als Landwirt seien ihm in diesem Bereich hin und wieder kleine Fehler unterlaufen, weil das System so kompliziert sei. Im Laufe der Jahre konnte die Familie die Landf läche auf 500 Hektaren vergrössern.
Das Gespräch findet per Telefon statt. In Williamsburg hat es kürzlich zum ersten Mal in diesem Winter geschneit, wie per Videoanruf zu sehen ist. Obwohl Beat Schraner schon seit Jahrzehnten in Kanada lebt, ist er mit dem Fricktal immer noch verbunden. In den Anfangsjahren seien Ferien weder zeitlich noch finanziell drin gelegen. Seit er pensioniert ist, reist er ein- bis zweimal pro Jahr in die Schweiz. Sehr gerne besucht er Jodler- und Schwingfeste, trifft sich mit Landwirten, die er noch von seiner Ausbildung in den sechziger Jahren kennt oder fährt Velo mit Freunden. «Ich geniesse die Reisen und ich könnte mir auch vorstellen, mal für zwei bis drei Monate im Fricktal zu bleiben.»
Zu Hause ist Beat Schraner aber in Kanada. Auch drei seiner vier erwachsenen Kinder wohnen dort; der jüngsten Sohn lebt in New York. Alle Kinder waren während ihrer Schulzeit für einige Wochen oder Monate auf Bauernhöfen in der Schweiz, um das Leben dort kennen zu lernen. «Mein ältester Sohn Thomas hat später rund zehn Jahre in Zug als Lehrer gearbeitet, ist dann aber wieder zurückgekommen.»
Annemarie Schraner, die Ehefrau von Beat Schraner, ist vor zwei Jahren nach längerer Krankheit verstorben. «Ich habe sie mehrere Jahre gepflegt.» Wegen seines Alters und der Pflege seiner Frau hat er die Landwirtschaft aufgegeben. Auf seiner Farm wohnt er aber weiterhin gerne. «Der nächste Nachbar ist nur 200 Meter entfernt; ich bin nicht alleine, die Schweizer stellen sich das manchmal falsch vor», sagt er schmunzelnd. Regelmässig trifft er sich mit anderen Schweizer Auswandern zum Jassen.
Viele von Beat Schraners Nachbarn sind wie er in den siebziger und achtziger Jahren aus Europa gekommen. «Diese Bauern haben viel landwirtschaftliches Know-how ins Land gebracht. Vorher gab es fast nur Monokulturen.» Damals seien die Farmen noch bezahlbar gewesen. «Heute kommen fast keine Einwanderer mehr, die Preise sind stark gestiegen und ein normaler Landwirt kann sich keine Farm mehr leisten.»
Von den vier Kindern ist nur Tochter Susanne im landwirtschaftlichen Bereich geblieben. «Sie hat einen deutschen Farmer geheiratet und wohnt rund 30 Autominuten entfernt.» Ihre zwei Söhne haben eine landwirtschaftliche Ausbildung absolviert. «Ich hoffe, dass einer von meinen Enkeln später meine Farm bewirtschaftet.» Alle seine Enkelinnen und Enkel verstehen Schweizerdeutsch, sprechen können es nicht mehr alle. Williamsburg liege rund zehn Kilometer vom St. Lorenz-River und der Grenze zu den USA entfernt, die Amtssprache ist Englisch; im Landesinneren werde dann französisch gesprochen.
Der Klimawandel ist auch in Kanada angekommen. Früher war es in den Wintern regelmässig mehrere Wochen lang bis zu minus 30 Grad kalt, inzwischen seien die Winter milder geworden und solche Minus-Temperaturen die Ausnahme. Auch die Landwirtschaft habe sich verändert. «In den letzten Jahren haben viele Farmer auf Melkroboter umgestellt und die Betriebe werden immer grösser.» Verändert hat sich auch die Schweiz. «Ich finde es bei meinen Besuchen schade, dass es nur noch wenige Dörfer mit Restaurants gibt und diese Treffpunkte immer mehr verloren gehen.» Auch wenn Beat Schraner längst heimisch geworden ist in Kanada, so merke er doch immer wieder, dass er erst als erwachsener Mann ins Land gekommen sei. «Als Einwanderer bleibt man ein Einwanderer. Meine Kinder und Enkelkinder, die von klein auf hier gelebt haben, haben einen viel stärkeren Bezug zu Kanada.»