«Es ist ein wunderschöner Beruf»

  27.12.2025 Rheinfelden

Tierarzt Markus Müller geht Ende Jahr in Pension

Die Entscheidung für ein Veterinärmedizinstudium fiel bei Markus Müller früh. Ende Jahr, nach 41 Berufsjahren – davon 29 als Inhaber der Kleintierklinik «Am Sonnenberg» in Möhlin und der Kleintierpraxis in Laufenburg – beginnt für den überzeugten Tierfreund ein neuer Lebensabschnitt.

Susanne Hörth

NFZ: Herr Müller, der Mensch allein ist medizinisch schon sehr komplex. Als Tierarzt behandeln Sie eine Vielzahl von Tierarten – vom Hund über den Vogel bis zur Echse. Warum haben Sie sich für die Veterinärmedizin entschieden?
Markus Müller:
Da kamen sicher einige Zufälle zusammen. Ich bin in einem landwirtschaftlichen Umfeld aufgewachsen, Tiere gehörten einfach dazu. Zudem war der Vater eines Freundes Tierarzt, dessen Pferde ich reiten durfte. Ich war oft dort, übernachtete auch manchmal bei ihnen und war so regelmässig beim Kalbern oder bei Notfällen dabei. Das ging mir stets unter die Haut und hat mich sehr geprägt. Schon früh war für mich klar: Ich will Tierarzt werden.

Hatten Sie als Kind selbst ein Haustier?
Nein. Ich hätte gerne eines gehabt, aber wir wohnten direkt an der Hauptstrasse – da war es vernünftig, auf ein Haustier zu verzichten. Dafür konnte ich ab und zu reiten gehen.

Sie haben Ihr Studium vor 41 Jahren abgeschlossen und vor 29 Jahren die Tierklinik am Sonnenberg übernommen. Wie stark haben technologische Entwicklungen den Praxisalltag verändert?
Ultraschall, Endoskopie, CT, MRI – all diese Geräte kommen heute viel häufiger zum Einsatz und bringen oft, aber nicht immer, die nötige Klarheit. Aber nicht nur die Technik hat sich weiterentwickelt, auch das Wissen rund um Prophylaxe und Diagnostik ist enorm gewachsen. Die Arbeit eines Tierarztes ist deutlich komplexer geworden.

Inwiefern?
Wir machen nicht einfach Geräteoder Labormedizin. Diese Abklärungen können wir delegieren. Entscheidend ist, wie wir die Spezialuntersuchungen einsetzen und die Ergebnisse interpretieren und welche Behandlung wir daraus ableiten.

Das besprechen wir immer mit den Tierhaltern. Als Tierarzt muss man heute vielschichtiger denken und mehr Faktoren gleichzeitig berücksichtigen als früher.

Hat diese zunehmende Komplexität auch die Beziehung zwischen Tierarzt und Tierhalter verändert?
Auf jeden Fall. Als ich vor 40 Jahren anfing, ging man – etwas überspitzt gesagt – mit seinem Tier zum «Onkel Doktor» und stellte weniger Fragen. Mir war es aber schon immer wichtig, den Menschen zu erklären, warum ich etwas tue. Heute ist das noch bedeutender geworden.

Warum?
Im digitalen Zeitalter sammeln viele Menschen Informationshäppchen, können diese aber nicht immer richtig miteinander vernetzen. Deshalb ist eine umfassende, verständliche Erklärung durch den Tierarzt wichtiger denn je.


«Die Lebensqualität des Tieres stand für mich stets im Vordergrund»

Tierarzt Markus Müller geht in Pension: Fortsetzung von Seite 1

«Natürlich werde ich vieles vermissen», sagt Markus Müller. Ende dieses Jahres wird sich der Mitinhaber der Tierklinik Am Sonnenberg in Möhlin und der Kleintierpraxis in Laufenburg in den Ruhestand verabschieden.

Susanne Hörth

NFZ: Herr Müller, hat auch die Erwartungshaltung der Tierhalter zugenommen? Markus Müller: Ich denke schon. Für mich ist eine gründliche Beratung selbstverständlich und zugleich auch eine Absicherung im Hinblick auf den Ausgang der Abklärungen und der Therapie. Es gibt Situationen, die für alle Beteiligten emotional belastend sind. Da braucht es eine klare Abwägung von Für und Wider.

Gab es Momente, in denen Sie das Gefühl hatten, eher den Halter als das Tier zu behandeln?
Nicht wirklich. Es ist immer ein Dreiecksverhältnis: Der Besitzer kommt mit seinem Liebling zu mir. Wir beraten gemeinsam über sein Tier. Der Besitzer hat viel die stärkere emotionale Bindung zu seinem Tier als ich. Auch das fliesst in die Entscheidung über die Behandlung ein.

Viele Menschen betrachten ihr Haustier als Familienmitglied. Als Tierarzt wird von Ihnen erwartet, alles zu tun, damit das Tier möglichst alt wird. Gibt es für Sie Grenzen?
Es geht immer darum, medizinisch aufzuzeigen, was möglich ist. Es gibt verschiedene Haltungen der Tierbesitzer: Wenn das Büsi zwölfjährig ist und nicht mehr frisst, lässt er es einschläfern. Und es gibt Halter, die alles medizinisch Machbare ausschöpfen wollen.

Wie oft müssen Sie gegen den Willen eines Besitzers über Leben und Tod entscheiden?
Sehr selten. Für mich steht immer die Lebensqualität des Tieres im Vordergrund. Viele Halter fragen mich, wie sie diese schwierige Entscheidung treffen sollen.

Was antworten Sie?
Als junger Tierarzt habe ich gefragt, wie das Tier in seiner guten Zeit war. Nehmen wir einen Jagdhund: Kann er noch seiner Leidenschaft im Wald nachkommen, Kontakt zu anderen Tieren und Menschen aufnehmen, frisst er gut, wie sind Kot und Urin? So entsteht ein Gesamtbild, das zeigt, wann es Zeit ist, loszulassen.

Wie unterstützen Sie Menschen beim Entscheid über dieses Loslassen?
Heute sage ich ihnen: «Ihr spürt es.» Wenn ein Tier leidet, nicht mehr frisst, nicht mehr verdauen kann, sich kaum mehr bewegt, braucht es keine grossen Erklärungen. Die Entscheidung treffe nicht ich, ich helfe, wenn nötig, die Seite des Tieres zu sehen, der Tierhalter muss selbst entscheiden. Deshalb: Vertraut auf euer Gespür.

Sind Ethik und Tierschutz heute wichtiger geworden oder war das für Sie immer selbstverständlich?
Es wird heute sicher mehr darüber diskutiert. Für mich gehörte es aber immer selbstverständlich zur Arbeit eines Tierarztes.

Gab es in Ihrer langen Berufstätigkeit einen besonderen Moment, an den Sie gerne zurückdenken?
Nicht einen einzelnen Moment, sondern viele. So ist es zum Beispiel jedes Mal schön, wenn ein Hund, der beim ersten Besuch ängstlich oder unsicher war, beim zweiten Mal schwanzwedelnd auf mich zukommt, auf den Tisch springt und sich vertrauensvoll untersuchen lässt.

Sie gehen in wenigen Tagen in Pension. Mit welchem Gefühl?
Ich freue mich. Natürlich werde ich vieles vermissen. In den letzten Tagen haben sich viele Tierhalterinnen und Tierhalter bei mir bedankt und verabschiedet – das berührt mich sehr. Ich habe meine Arbeit immer mit grosser Freude gemacht und mich durch Kongresse und Weiterbildungen stetig weiterentwickelt. Tierarzt ist ein wunderschöner Beruf.

24 Stunden, sieben Tage die Woche …
So ist es. Der Beruf verlangt Engagement und die Bereitschaft, im Team mitzuarbeiten und sich ständig weiterzubilden – für das Wohl der Tiere, die Zufriedenheit der Besitzer und den eigenen Anspruch.

Der soziale Aspekt im privaten Umfeld sowie meine Hobbys kamen dabei oft zu kurz. Jetzt wird es dafür mehr Zeit geben. Darauf freue ich mich.


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