Es dreht sich alles um den Wind
20.07.2024 OberhofBeide Seiten segeln seit Jahren hart am Wind, unliebsame Argumente werden gerne in diesen geschlagen, noch lieber dem Andersdenkenden der Wind aus den Segeln genommen. Seit 16 Jahren nehmen Befürworter und Gegner der geplanten Windkraftanlage Burg bei Oberhof für sich in Anspruch zu ...
Beide Seiten segeln seit Jahren hart am Wind, unliebsame Argumente werden gerne in diesen geschlagen, noch lieber dem Andersdenkenden der Wind aus den Segeln genommen. Seit 16 Jahren nehmen Befürworter und Gegner der geplanten Windkraftanlage Burg bei Oberhof für sich in Anspruch zu wissen, woher der Wind pfeift. Längst ist ein Sturm aufgezogen – Strom wird damit keiner erzeugt. (sir)
Geplant, vorangetrieben, verzögert
Der Windpark Burg – 16 Jahre und kein bisschen weiter
Die Anfänge des Projekts «Windpark Burg» reichen ins Jahr 2008 zurück. 16 Jahre später ist nach wie vor unklar, ob auf der Burgmatte oberhalb von Oberhof je ein Windrad zu stehen kommt. Welche Akteure involviert sind, wo gebremst und wo gefördert wird.
Simone Rufli
Die Pläne stammen aus dem Jahr 2008, die Betriebsgesellschaft Windpark Burg AG mit Sitz in Kienberg wurde im Jahr 2011 in Olten gegründet. Das Ziel: Der Bau von fünf Windenerg ieanlagen (WEA), vier auf Gemeindegebiet von Kienberg im Kanton Solothurn, die fünfte auf der Burgmatte auf Gemeindegebiet von Oberhof. Baukosten: rund 25 Millionen Franken; errechneter Stromertrag: rund 21 Gigawattstunden pro Jahr. Baustart im besten Fall im Jahr 2022. Obwohl der Wind bisweilen kräftig über die Jurahöhen bläst, ist das umstrittene Projekt seit Frühling 2021 blockiert. Einsprecher zweifeln am Nutzen der Anlage, sorgen sich um die Trinkwasser-Schutzzone der Burg-Quellen, befürchten massive Eingriffe in Flora und Fauna, dazu das Unverständnis darüber, dass die Bevölkerung von Wölflinswil nicht von Anfang an in die Planung miteinbezogen worden ist.
Laufende Verfahren
Seit Jahren kümmern sich auf beiden Seiten Anwälte um Einsprachen, ohne je über den Stand der Verfahren zu informieren. Über laufende Verfahren werde nicht kommuniziert, die immer gleiche Antwort auf jede Nachfrage. Im März dieses Jahres dann der Entscheid des Aargauer Regierungsrats, dass Oberhofs Gemeindeammann Roger Fricker und Vizeammann Heinz Herzog beim Entscheid über die im Bereich Burgmatte nötige Teiländerung des Oberhöfler Kulturlandplans und der BNO (Bau- und Nutzungsordnung) wegen des Anscheins von Befangenheit in Ausstand treten müssen. Ob die beiden tatsächlich in den Ausstand müssen, muss das Verwaltungsgericht klären. Fricker und Herzog haben den Entscheid angefochten. Auch dieses Verfahren ist hängig.
Schub durch zwei Initiativen …
Seit mittlerweile 12 Jahren kämpft der Verein «Pro Burg» gegen die geplanten Windenergieanlagen in Oberhof und Kienberg an. Gegen die im April 2021 erfolgte Planauflage hat der rund 300 Mitglieder zählende Verein eine Sammeleinsprache eingereicht. Zu Beginn dieses Jahres hat er Unterstützung bekommen durch zwei Volksinitiativen, lanciert vom Verband Freie Landschaft Schweiz, präsidiert vom jungen Grenchner Elias Vogt. Zwei Initiativen, die bei einem Erfolg massive Auswirkungen auch auf den Windpark Burg hätten. Zum einen die Gemeindeschutz-Initiative, sie will verfassungsmässig verankern, dass die betroffene Bevölkerung über Windkraftprojekte abstimmen kann, und zwar in der Standortgemeinde selber sowie in umliegenden «stark beeinträchtigen» Gemeinden. Davon würde auch Wölflinswil profitieren. Zum anderen die Waldschutz-Initiative. Sie bezweckt, den Bau von Windenergieanlagen im Wald und in einem Abstand von 150 Metern und weniger zum Wald und zu Waldweiden zu verbieten – und das auch rückwirkend, wenn die Anlagen nach dem 1. Mai 2024 gebaut werden. Ist sie erfolgreich, dürfte ihre Umsetzung das Aus für den Standort «Burg» bedeuten. Damit es beide Initiativen an die Urne schaffen, müssen innert 18 Monaten je 100 000 Unterschriften gesammelt werden. Lanciert wurden sie am 30. Januar 2024, die Sammelfrist endet am 30. Juli 2025.
… aber auch durch das Ja zum Stromgesetz
Auftrieb haben in diesem Jahr auch die Befürworter bekommen. Einige haben sich ebenfalls schon vor längerer Zeit in der Gruppe «Ja zum Windpark Burg» zusammengefunden. Der sogenannte Mantelerlass (Stromgesetz) räumt einer Windenergieanlage vor anderen Faktoren wie Wasser oder Wald ein vorrangiges Interesse ein. Das ist denn auch der Grund, weshalb der Mantelerlass von Elias Vogt und dem Verband Freie Landschaft Schweiz bekämpft wurde.
Elias Vogt hatte Ende Januar bei seinem Besuch in Wölflinswil eindringlich vor einem Ja zum Mantelerlass gewarnt. Am 9. Juni stimmten gleichwohl 68,7 Prozent der Stimmberechtigten (bei einer Stimmbeteiligung von 44,8 Prozent) an der Urne für das Stromversorgungsgesetz. Mit dem Ja zum Stromgesetz (Mantelerlass) – es soll im Januar 2025 in Kraft treten – erhält die Schweiz neue Bestimmungen, um mehr einheimische Energie aus Solar- und Windenergie zu gewinnen. Elias Vogt sprach am Abend des 9. Juni gegenüber SRF von einer Niederlage für den Natur- und Landschaftsschutz, gab sich aber auch zuversichtlich, dass die beiden Volksinitiativen zum Schutz der Natur und der Gemeinden zur Abstimmung gebracht werden können.
Jurapark für Verzicht
Eine Niederlage für die Landschaft verhindern, das ist auch das Ziel des Juraparks Aargau, zu dem sowohl Oberhof als auch Kienberg gehören. Die Geschäftsstelle des Juraparks hat sich bereits im Jahr 2017, im Rahmen der öffentlichen Mitwirkung, zum Projekt «Burg» geäussert und beantragt, auf die Anlage zu verzichten. Das Ja des Kienberger Souveräns zu den Windenergieanlagen anlässlich der Gemeindeversammlung vom Dezember 2018 hat der Jurapark damals ausdrücklich bedauert.
Windkraft im Winterhalbjahr wertvoll
AARGAU. Im Juni 2015 hat der Grosse Rat der kantonalen Energiestrategie zugestimmt. Nun ist das zweite Monitoring dieses Programms erschienen (vgl. NFZ vom 16. Juli). Bei den erneuerbaren Energien habe die Photovoltaik an Fahrt gewonnen, hält der Kanton fest. Bis heute werde im Aargau aber keine grössere Windkraftanlage betrieben. Das Ziel, mit Windkraft bis im Jahr 2035 rund 50 Gigawattstunden Strom zu produzieren, werde daher aller Voraussicht nach ohne zusätzliche Massnahmen nicht erreicht werden können. Die Windkraft sei eine äusserst ökologische und kostengünstige Produktionstechnologie, die gerade im Winterhalbjahr sehr wertvoll für das Energiesystem sei, darum müssten die Anstrengungen zur Nutzung der Windenergie intensiviert werden. Der Kanton hat das Potenzial der Aargauer Windkraft auf jährlich 1,2 Terawattstunden nach oben revidiert.