«Es braucht extrem gute Bildung»
24.01.2025 FrickDer Leiter Volksschule warnt davor, zum Spielball zu werden
Françoise Moser, Präsidentin des Planungsverbands Fricktal Regio, konnte am gestrigen zweiten Tag des Gemeindeseminars im Rampartsaal in Frick zu einem Thema begrüssen, das alle betrifft und viele bewegt: ...
Der Leiter Volksschule warnt davor, zum Spielball zu werden
Françoise Moser, Präsidentin des Planungsverbands Fricktal Regio, konnte am gestrigen zweiten Tag des Gemeindeseminars im Rampartsaal in Frick zu einem Thema begrüssen, das alle betrifft und viele bewegt: Bildung.
Simone Rufli
Den Ergebnissen einer im Jahr 2024 ausgewerteten Umfrage beim Lehrpersonal zufolge, hat das Aargauer Schulpersonal grundsätzlich Freude an der Arbeit, beklagt aber eine zunehmende Belastung. Für die Belastung ursächlich seien mehrere Faktoren, wie Patrick Isler, Leiter Abteilung Volksschule beim BKS (Departement Bildung, Kultur und Sport) zum Einstieg ins Thema «Bildung» erklärte. Schülerinnen und Schüler treten mit unterschiedlichen Vorkenntnissen sowie verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen in die Schule ein. Ein Beispiel: Erfüllten Kinder früher einen bestimmten Zweck innerhalb der Familie, sässen sie heute oft auf einem Thron, vom dem sie – je nach Höhe des Throns – beim Eintritt in den Kindergarten tief fallen, wenn sie sich in eine Gruppe einfügen sollten.
Zusammenarbeit mit der HfH
Auch wenn «kein einziges Kind das System torpediert», wie Isler betonte, stellten Kinder mit Verhaltensproblemen die Schule vor grosse Herausforderungen. Um die Lehrpersonen zu unterstützen, ermögliche der Kanton Aargau den Regelschulen deshalb einen kostenlosen Zugang zu allen Sequenzen eines umfangreichen Weiterbildungsangebots (befristet bis 31. Juli 2027) zum Thema «Pädagogische Interaktionen». Isler verwies an den ebenfalls anwesenden (und referierenden) Pierre-Carl Link, Professor an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik (HfH), der diese Weiterbildungen direkt an den Schulen anbietet. Ein wertvolles Angebot, wie Irène Lorenzon, Schulleiterin in Stein, gegenüber der NFZ betonte. Die Schule Stein macht bisher als einzige im Fricktal davon Gebrauch.
Belastung entsteht auch, weil die Anzahl Schülerinnen und Schüler der Volksschule Aargau (total 85 000) in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, Lehrpersonen aus den geburtenstarken Jahrgängen aus dem Erwerbsleben ausscheiden und von den Pädagogischen Hochschulen zu wenige neue Lehrkräfte nachkommen. Isler räumte aber mit dem Narrativ auf, in der Bildung werde gespart. «Das ist schlicht nicht richtig.»
Massnahmen zur Entlastung
Um die Schulen im Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu unterstützen, erarbeitete die Abteilung Volksschule des BKS – in Rücksprache mit Schulleitungen – in sechs thematischen Handlungsfeldern Massnahmen. Die Umsetzung erfolgt schrittweise in den Jahren 2024 bis 2027, mit dem Ziel, dass sich die Schulen wieder vermehrt auf den zentralen Bildungsauftrag konzentrieren können. Verbesserungen sollen unter anderem im Bereich Weiterentwicklungs- und Laufbahnmöglichkeiten erfolgen. Anstatt ein ganzes Studium absolvieren zu müssen, sollen Lehrpersonen Weiterbildungen mit spezifischem heil- und förderpädagogischem Fachwissen durchlaufen können.
Die Volksschule habe seit jeher eine äusserst anspruchsvolle Aufgabe. «Sie sichert unsere Demokratie, indem sie zur Mündigkeit führt und uns in die Lage versetzt, miteinander in Beziehung zu treten und Kompromisse auszuhandeln.» Ein hehres Ziel, das, wie es scheint, nicht in jedem Punkt zu erreichen ist. Denn Patrick Isler stellte auch fest: «25 Prozent der Schüler können am Ende der Volksschule nicht recht lesen und schreiben und das ist eine Katastrophe. Fehlen uns diese Kulturtechniken, werden wir zum Spielball von digitalen Tools, die die Demokratie gefährden. Es braucht heute mehr denn je eine extrem gute Bildung, um zu erkennen, was wahr ist und was nicht.» Was es auch brauche, sei ein Miteinander von Kanton und Gemeinden.
Die Gemeinderäte, Schulleitenden und Politikerinnen folgten den Ausführungen mit Interesse, zeigten sich in der Diskussion aber mitunter skeptisch. Von Lehrpersonal am Anschlag war die Rede, von unerfüllbaren Sonderwünschen im Klassenzimmer und von Anforderungen des Kantons, die nicht zu erfüllen seien.