Eine Wohlfühloase geschaffen
22.07.2023 SteinGartenliebhaber und Einsatzleiter beim Natur- und Verschönerungsverein
In Stein ist Alfred Niederer bestens bekannt, denn bei ihm meldet man sich für Einsätze des Natur- und Verschönerungsvereins an. Der engagierte Einsatzleiter hat sich aus Überzeugung über ...
Gartenliebhaber und Einsatzleiter beim Natur- und Verschönerungsverein
In Stein ist Alfred Niederer bestens bekannt, denn bei ihm meldet man sich für Einsätze des Natur- und Verschönerungsvereins an. Der engagierte Einsatzleiter hat sich aus Überzeugung über Jahrzehnte in seinem naturnahen Garten eine Wohlfühloase geschaffen, die seinesgleichen sucht.
Paul Roppel
Ein tiefes Brummen kündigt das schwerbeladene und im Zeitlupentempo anfliegende Insekt an, dessen Nähe viele Menschen verängstigt. Das grosse gelb und schwarz gezeichnete Insekt schwebt für einen kurzen Moment vor seiner auffälligen Behausung und verschwindet durch ein Loch ins Innere. «Das ist kein Problem, die Hornissen sind friedlich», betont Alfred Niederer (allgemein als Fredy bekannt) beim Gespräch in der Pergola seines Gartens. Oben, in einer Ecke, hängen 30 Zentimeter lange braune, markant geformte hölzerne Objekte. Sie erinnern an die mit Samen gefüllten Rhythmusinstrumente, die Rasseln. «Das sind ausgehöhlte Kalebassen, die ich als Vogelhäuser vorbereitet hatte. Ein Loch führt ins Innere. Vögel sind keine eingezogen, aber in einer entsteht ein Hornissennest. Das ist auch OK», fügt er an. Ein paar Schritte entfernt rankt sich das nicht alltägliche Gewächs des Flaschenkürbisses an einem Baum hoch, wo neue Kalebassen gedeihen. «Meine Tochter hat ein paar Samen aus Zypern heimgebracht, die wir hier spriessen lassen», erzählt Niederer. «Aber sie sind unheimlich durstig», fügt er warnend an.
Der Garten lebt
Wasser hat es ein paar Schritte weiter: Ein kleiner Weiher mit Schilf, Steinen und blühenden Seerosen bilden einen harmonischen Eingang zum langgezogenen Naturgarten mit vielen Wildblumen. Kleine silberne Fischchen jagen an der Oberfläche nach Mücken. «Das sind Moderlieschen, die sind sehr anspruchslos», erklärt Niederer. Sie teilen sich das Gewässer mit den Fröschen, welche sich im Moment aber still in den Pflanzen verstecken. «Das kann vorübergehend schon mal etwas laut werden, wenn alle quacken», meint er schmunzelnd. «Ab und zu holt sich sogar ein Eisvogel einen Leckerbissen aus dem Weiher», erzählt Niederer. Auch Graureiher seien schon da gewesen, fügt er an. An einem Bambusstab sind Schneckenhäuschen mit der Öffnung nach oben angebracht. «Die füllen sich mit Regenwasser und dienen als Tränke für Hummeln, Bienen und Wespen», erklärt der innovative Gärtner. Reger Betrieb herrscht an der Wand des Gartenhauses, wo Holzscheiben mit vielen Löchern hängen und Wildbienen ein- und ausfliegen; darunter sind Holzscheite für eine Igelfamilie, die er nachts mit der Wildkamera gefilmt hat. Auch eine gefällig aufgeschichtete Scheiterbeige, die mit Bohrerlöchern verziert ist, dient den Holzbienen als Nistplatz für den Nachwuchs.
17 verschiedene Bäume
Unzählige Beeren tragende Büsche und Sträucher säumen den langen und neun Aren messenden Landstreifen hinter dem 1930 erbauten Haus, das er 1975 erworben und sukzessive zu einem gefälligen Zweifamilienhaus umgebaut hat. «Die Büsche schneide ich erst im Frühling zurück, denn die Beeren sind das Winterfutter für die Vögel. Himbeeren, Johannisbeeren und Brombeeren sind für den Eigengebrauch reserviert», erklärt Niederer. «Die Blumenwiese wird nur ein- bis zweimal pro Jahr gemäht, wenn alles versamt ist und Altholz wird als Unterschlupf für Tiere aufgeschichtet», fügt er an. 17 verschiedene Obstbäume decken eine grosse Auswahl an Früchten ab, darunter Nüsse, Zwetschgen, Feigen, Mandeln, Aprikosen und Trauben. Zuhinterst ist ein Baum ziemlich kahl und mit dürren Ästen, der gerade noch einen frühreifen Apfel trägt. «Das ist ein 80-jähriger Klarapfelbaum, der wohl eingehen wird», meint Niederer. Vielleicht entsteht daraus ein Spechtbaum. An den Ästen unter dem dichtbelaubten, schattigen und kühlen Kastanienbaum sind Hängesitze angebracht für gemächliche Stunden mit Blick in die Wohlfühloase, die keinesfalls steril und perfekt gestylt wirkt. «Eine Rebschere habe ich immer im Hosensack. Es gibt jeden Tag etwas zu tun und das hält mich auch fit», schmunzelt der 77-Jährige, der ein kreativer Handwerker ist.
Turmfalke sucht Beute
Niederer ist stolz auf sein Paradies, das über Jahrzehnte entstanden sei und worüber sich viel Wissen angesammelt habe. Er geniesst das Eldorado als Ort der Entspannung, grilliert dort gerne und präsentiert es auch Gästen. «Die ganze Bauverwaltung nimmt demnächst einen Augenschein», freut er sich. Plötzlich springt er auf und klatscht energisch in die Hände: Ein Turmfalke ist auf dem Kotbrett unterhalb einem der 14 Schwalbennester an der Hausfassade gelandet und f liegt aufgeschreckt davon. «Er wartet, bis eine junge Schwalbe aus dem Nest guckt, die dann seine Beute sein wird. Das ist halt auch Natur», betont Niederer.
Die Natur ist sein Anliegen. Er macht sich dafür im Naturschutz- und Verschönerungsverein Stein stark, seit seiner Pensionierung vor 17 Jahren. Seit zehn Jahren ist er im Vorstand und dort als Einsatzleiter zuständig für die rund ein Dutzend stattfindenden Arbeitseinsätze pro Jahr sowie für die Arbeiten am Vitaparcours. Für jeden Einsatz melden sich acht bis zwölf Arbeitswillige bei ihm, damit er die Gerätschaften, Arbeiten und Plätze koordinieren kann. «Wir haben ein gutes Verhältnis zu den Leuten des Werkhofs, mit denen wir zusammenarbeiten und Geräte ausleihen», unterstreicht Niederer, der in Mumpf auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen ist. Er wünscht sich, dass sich mehr Leute engagieren würden, vor allem auch jüngere. «Die Überalterung in unserem Kreis ist offensichtlich. Die Auflösung des Vereins ist beschlossen worden», fügt er an. Es gäbe aber viele schöne Plätze in Stein, die weiterhin gepflegt werden sollten. «Ich helfe sicher mit», bekräftigt er.
Kegeln als sportliche Leidenschaft
Dass veränderte Interessen in der Gesellschaft eine Zeiterscheinung sind, weiss er auch aus seiner zweiten Leidenschaft: dem Kegeln. Bei seinem Eintritt 1968 gab es in Stein drei Kegelclubs. Kegelbahnen im Fricktal gab es um die 20, heute sind es noch vier, diese aber meisterschaftstauglich. Die Clubs sind eingegangen, weshalb er bei Rot-Weiss Möhlin in der zweiten Mannschaft aktiv ist. Im Unterverband Fricktal ist er seit 40 Jahren im Vorstand und wurde 2004 zum Ehrenmitglied ernannt. Mit Stolz zeigt er zahlreiche Silber- und Bronzemedaillen, die er an Schweizermeisterschaften mit der Mannschaft erkämpft hat. «Für Gold hat es nur 2014 in der Kategorie B gereicht», schmunzelt er. Das abflauende Interesse an dem sehr herausfordernden Schweizer Traditionssport zeige sich am Teilnehmerfeld an der Schweizermeisterschaft, das innert 20 Jahren von 4000 auf rund 1000 Kegler geschrumpft sei. «Wenn ich einen guten Tag habe, reicht es mir noch heute für eine Auszeichnung», sagt der engagierte Kegler, der die Herausforderung, die Kameradschaft und natürlich auch die Geselligkeit liebt und noch immer fleissig die Trainings auf der Möhliner Bahn besucht.