Eine der letzten ihrer Art
01.12.2025 Stein
Werkstattbesuch bei der Schuhmacherin Erika Schweizer-Leimgruber
Was der Schuhmacher mit Nachhaltigkeit zu tun hat und warum das fachkundige Anbringen von Sohlen und Absätzen für den Charakter vom Schuh wichtig ist, erklärt Erika Schweizer-Leimgruber im Gespräch.
...Werkstattbesuch bei der Schuhmacherin Erika Schweizer-Leimgruber
Was der Schuhmacher mit Nachhaltigkeit zu tun hat und warum das fachkundige Anbringen von Sohlen und Absätzen für den Charakter vom Schuh wichtig ist, erklärt Erika Schweizer-Leimgruber im Gespräch.
Petra Schumacher
Wenn man den Laden an der Zürcherstrasse in Stein betritt, kommen Kindheitserinnerungen auf: der Geruch nach Leder und Kleber, das Klopfen und das Rattern der Maschinen und dazu das zuversichtliche Lächeln, wenn man die ausgetretenen Lieblingsschuhe über die Ladentheke schob. Dieses «das kriege ich schon wieder hin Lächeln», das jeweils ein so wunderbar beruhigendes Gefühl hinterliess, zählt zu den schönen Erinnerungen, wenn man zur älteren Generation gehört, als der Schuhmacher noch ganz selbstverständlich seinen Platz neben dem Bäcker und dem Metzger hatte. Im Jahr 2025 haben laut dem Verbandsmagazin «Fuss & Schuh» in der gesamten Deutschschweiz 14 Orthopädieschuhmacher einen Lehrabschluss gemacht, aber kein einziger Schuhmacher. Hier in der Region hat es neben der Schuhmacherei Leimgruber nur noch in Magden und in Gipf-Oberfrick eine Werkstatt.
Schuhmacherstolz
Erika Schweizer-Leimgruber, Jahrgang 1961, ist mit der Schuhmacherei aufgewachsen. Der Vater hat die Werkstatt zusammen mit dem Schuhladen in Stein aufgebaut. Schon während der Schulzeit zog es sie immer wieder in die Werkstatt, um dem Vater über die Schulter zu schauen und zusammen mit der Schwester stand sie an manchen Samstagen im Laden, wenn der Vater, der im Gemeinderat war, anderweitig zu tun hatte. «Nach der Schule wusste ich nicht recht, was ich beruf lich machen wollte», erklärt Erika Leimgruber. «Etwas mit den Händen und mit Menschen sollte es sein. Nach einem Jahr im Welschen war für mich plötzlich klar, dass ich gern die Schuhmacherlehre machen möchte.» Den Vater habe es gefreut. Obwohl in ihrem Jahrgang von den 17 Lehrlingen nur zwei junge Frauen die Ausbildung machten, wurden ihr nie Steine in den Weg gelegt.
Erika Schweizer-Leimgruber im Jahr 1999 Werkstatt und Schuhladen übernommen. Am Anfang habe sie noch zwei, drei Kunden mit massgefertigten Schuhen gehabt. Und von Schuhläden aus Frick und Möhlin kamen regelmässig zwei, drei Zainen voll mit reparaturbedürftigen Schuhen. Das gibt es heute leider nicht mehr. «Für mich ist die Schuhmacherei aber heute noch ein wunderbarer Beruf», sagt die Schuhmacherin. «Die handwerkliche Arbeit, der Umgang mit den Kunden und der Einsatz vom Kopf, den es zum Glück auch immer wieder braucht, das alles gefällt mir noch immer», ergänzt Erika Schweizer-Leimgruber. Ihr Blick fällt auf ein Paar leuchtend rote hohe Lederstiefel. Die Stiefel habe sich eine Kundin in Italien als Massarbeit bestellt, erzählt sie. Sie passen aber nicht, sie sind im Schaft zu weit. «Da hat es schon ein Weilchen gebraucht, bis ich eine Lösung gefunden habe, um den Charakter der Stiefel nicht zu verändern. Aber ich habe es hinbekommen», erzählt die Schuhmacherin und man merkt ihr den Stolz an.
Thema Nachhaltigkeit
Wir gehen kurz vor die Ladentür. Erika Schweizer-Leimgruber macht auf ein Plakat aufmerksam, das im Schaufenster hängt. «Die Reparatur von Schuhen ist nachhaltig!» lautet die Überschrift. Neben dem Bild mit einem Regal voller Schuhe in einer Schuhmacherwerkstatt steht: «Früher – Niemand redete über Nachhaltigkeit, Schuhe wurden repariert.» Das Bild darunter zeigt eine fast leere Werkstatt mit dem Hinweis: «Heute – Alle reden über Nachhaltigkeit, Schuhe werden weggeschmissen.» Dieses Plakat bringe die gegenwärtige Situation auf den Punkt, findet die Schuhmacherin. Wenn die Schuhe so günstig verkauft werden und das Material nur zum Tragen für eine Saison ausgerichtet ist, dann denkt niemand an eine Reparatur. «Einen Lederschuh kann man fast immer wieder richten. Da können all die anderen Materialien nicht mithalten, so ist das einfach», erklärt Erika Schweizer-Leimgruber. Und es gibt einen Unterschied, ob ein Schuhmacher fachkundig die Sohle und den Absatz erneuert oder ob das im Schnellservice erledigt wird. «Für jeden Schuh gibt es die passende Sohle», sagt Erika Schweizer-Leimgruber und schaut zum raumhohen Regal mit unzähligen Sohlen und Absätzen. «Falsch gewählte Absätze und Sohlen können das Aussehen und damit den Charakter vom Schuh völlig verändern», ergänzt sie.
Das Wissen um das richtige Material, das Kleben, Ausputzen und Schleifen – all das, was es für eine fachkundige Ausführung braucht, lassen sie noch immer gern in die Werkstatt gehen, erzählt Erika Schweizer-Leimgruber. Zwei bis drei Jahre möchte sie noch in der Werkstatt arbeiten, plant die Schuhmacherin. Zum Glück habe sie noch immer eine Stammkundschaft. So kommen Kunden, die inzwischen nach Aarau gezügelt sind, weiterhin zu ihr. Und aus Bad Säckingen kommen Kunden, weil es dort in der Stadt keinen Schuhmacher mehr gibt. Lederschuhe, Taschen, Gürtel und auch mal eine Lederhose – es gibt genug zu tun. Auf die Frage, ob sie heute zu einer Schuhmacherlehre eher zu- oder abraten würde, antwortet Erika Schweizer-Leimgruber: «Ich finde, die Schuhmacherei ist nach wie vor ein interessanter handwerklicher Beruf und würde zuraten. Dazu gibt es aber ein Aber. Wenn es ein eigenes Geschäft werden soll, muss das gut überlegt werden». Ein Wort zum Abschluss? Erika Schweizer-Leimgruber zeigt auf ein zweites Plakat – «Ein Herz für die Umwelt, Schuhe reparieren lassen.» Vom Schuhmacher mag man ergänzen.
