Ein römischer Gott in Rheinfelden
21.07.2024 RheinfeldenDer Janus-Kopf im Rathaus-Innenhof
Die Treppe hinauf zum Rheinfelder Rathaus-Saal wird von einem Janus-Kopf, auf dem eine weibliche Figur steht, geschmückt. Was hat es damit auf sich?
Valentin Zumsteg
Im Rheinfelder Rathaus-Saal wird gerne geheiratet. Jedes Jahr ...
Der Janus-Kopf im Rathaus-Innenhof
Die Treppe hinauf zum Rheinfelder Rathaus-Saal wird von einem Janus-Kopf, auf dem eine weibliche Figur steht, geschmückt. Was hat es damit auf sich?
Valentin Zumsteg
Im Rheinfelder Rathaus-Saal wird gerne geheiratet. Jedes Jahr finden dort rund 200 Ziviltrauungen statt. Was wohl die wenigsten Paare bemerken, wenn sie die Stufen hinauf zum historischen Saal marschieren, ist der Janus-Kopf, der den Treppenanfang schmückt und auf dem eine weibliche Figur steht. Dieses Kunstwerk wäre eigentlich für alle sichtbar – und trotzdem bleibt es meistens im Verborgenen, da es von den wenigsten Besuchern des Rathauses bewusst wahrgenommen wird.
Der Gott der zwei Gesichter
Janus entstammt der römischen Mythologie, er ist der Gott der zwei Gesichter, des Anfangs und Endes, der Türen und Pforten. Von seinem Namen leitet sich der Januar ab; der Monat, in dem viele Leute zurück auf das alte und voraus auf das neue Jahr blicken. Doch wie kam diese Götterfigur in den Innenhof? Die Römer haben sie jedenfalls nicht gebracht.
Zwischen 1908 und 1911 wurde das Rheinfelder Rathaus saniert und umgebaut, die Planung übernahm das renommierte Architekturbüro Curjel & Moser. Wie Isabel Haupt von der Aargauer Denkmalpflege in einer Abhandlung schreibt, spielte Kunst in den Bauten von Curjel & Moser eine wichtige Rolle. Besonders Karl Moser habe immer wieder die Zusammenarbeit mit Künstlern gesucht. Im Budget für den Rheinfelder Rathaus-Umbau waren hierfür jedoch keine Mittel vorgesehen, aber die Honoratioren der Stadt zeigten sich grosszügig. «Dies galt in besonderem Masse für Carl Habich-Dietschy, den Präsidenten der Baukommission.» Karl Moser unterbreitete ihm 1909 den Vorschlag, als Treppenanfänger eine Skulptur des Münchner Bildhauers Karl Killer (1873–1948) zu stiften, und schrieb ihm in einem Brief: «Ich bin froh, in Killer einen Mann gefunden zu haben, der sich so ausgezeichnet in den Stil des Rathaushofes hineingearbeitet hat und der einen so vorzüglichen Vorschlag für den Treppenanfänger gefertigt hat. Das Figürchen stellt eine Klugheit mit der Schlange dar. Sie steht auf dem Janus-Kopf, welcher seit alten Zeiten Aus- und Eingang beschützen soll.»
Junges Gesicht mit weiblichen Zügen
Der Rheinfelder Stadtführer Robi Conrad hat noch eine andere Deutung des Janus-Kopfes auf Lager: «Mit dem alten Gesicht wurde der lange Rückblick auf unsere Habsburger Vergangenheit ab 1330 symbolisiert; das junge Gesicht symbolisiert mit der Helvetia die schweizerische Zeit und trägt deswegen weibliche Züge. Etwas, das in der römischen Mythologie so nicht vorkommt.» Das Mädchen auf dem Janus-Kopf könnte aus seiner Sicht auch die Tugend darstellen. «Sie hat eine Schlange bei sich. Das ist eine ambivalente Symbolik, einmal steht sie für die Ursünde im alten Testament, dann aber hat sie auch die Bedeutung des Positiven, man denke nur an den Äskulap-Stab der Ärzte.»
Conrad erklärt die Janus-Statue sehr oft bei Führungen, «speziell wenn die Thematik Habsburg zur Sprache kommt.» Denn so einen römischen Gott gibt es ja nicht überall.