Ein Jünger Gutenbergs, der viel erlebt hat
14.05.2023 WegenstettenSein Beruf hat sich verändert, der Arbeitgeber ist geblieben
Seit 45 Jahren arbeitet der Wegenstetter René Schlienger bei der Herzog Medien AG in Rheinfelden. Früher musste er sich in der Druckerei vor heissem Blei in Acht nehmen, mittlerweile hat sich sein Beruf ...
Sein Beruf hat sich verändert, der Arbeitgeber ist geblieben
Seit 45 Jahren arbeitet der Wegenstetter René Schlienger bei der Herzog Medien AG in Rheinfelden. Früher musste er sich in der Druckerei vor heissem Blei in Acht nehmen, mittlerweile hat sich sein Beruf komplett verändert. Mit 65 Jahren möchte er sich noch nicht pensionieren lassen.
Valentin Zumsteg
René Schlienger ist ein Jünger Gutenbergs. So werden die Drucker und Schriftsetzer genannt, die dieses Handwerk von der Pike auf gelernt haben. «Ich gehörte zum letzten Jahrgang, der in der Schriftsetzer-Lehre noch im Bleisatz ausgebildet wurde», erzählt der heute 64-Jährige, der seine Ausbildung beim «Landschäftler» in Liestal absolvierte und die Kunstgewerbeschule in Basel besuchte.
Seine erste und letzte Stelle
Nach der Rekrutenschule trat er am 1. Juni 1978 seine erste Stelle an – was er damals noch nicht wusste: Es sollte auch seine letzte sein. Denn René Schlienger ist seinem Arbeitgeber, der heutigen Herzog Medien AG in Rheinfelden (die auch diese Zeitung herausgibt), über all die Jahrzehnte treu geblieben. Seit 45 Jahren arbeitet er für die gleiche Firma, auch wenn sich der Name und die Räumlichkeiten geändert haben. Den grössten Wandel erlebte jedoch sein angestammter Beruf: «Früher haben wir an der Setzmaschine die Zeitungsseiten gesetzt und in Blei gegossen. Wenn man nicht aufpasste, spritzte das heisse Blei aus der Maschine. Das war nicht ungefährlich.»
Eine solche Zeitungsseite, in Blei gegossen und mit Rahmen, konnte gut und gerne 30 Kilogramm wiegen. Da war Muskelkraft gefragt. Die Seiten mussten in die Druckmaschine eingespannt werden, erst danach konnte die Zeitungsproduktion beginnen. «Es dauerte 12 bis 14 Stunden, bis wir damals eine Zeitung mit 24 Seiten in einer Auflage von rund 8000 Exemplaren gedruckt hatten. Das waren lange, anstrengende Tage. Heute geht in den Grossdruckereien alles viel schneller.» Es wurden bei Herzog aber nicht nur Zeitungen so gedruckt, sondern auch Fahrpläne und Broschüren für Gemeindeversammlungen. «Es war ein richtiges Handwerk», erinnert sich Schlienger. Sein heutiger Chef, Walter Herzog, half als Bub jeweils beim Giessen von Linien. «Damit hat er sein Sackgeld aufgebessert», erzählt Schlienger mit einem Lachen.
Mit dem Offset-Druck, der Druckvorlagen auf Film benötigte, wurde die Arbeit leichter, es brauchte kein Blei mehr. Der Computer hielt immer mehr Einzug und veränderte das Berufsbild, aus dem Schriftsetzer wurde der Polygraf. René Schlienger übernahm neue Aufgaben und passte sich den Anforderungen an. Heute ist er bei der Neuen Fricktaler Zeitung, die mittlerweile bei der TX Group in Zürich gedruckt wird, Korrektor und verantwortlich für die Planung des Umfangs sowie die Platzierung der Inserate.
Die Krankheit hat vieles verändert
45 Jahre sind eine lange Zeit. Hatte er nie Lust, eine andere Stelle bei einem neuen Arbeitgeber anzutreten? Schlienger verneint. «Wir sind ein Kleinbetrieb. Hier kennt jeder jeden, es geht familiär zu und her, das gefällt mir.» Er erinnert sich an viele ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu fast allen kann er eine Anekdote erzählen. Er ist ein wandelndes Lexikon der Firmengeschichte.
Wegen gesundheitlicher Probleme arbeitet Schlienger heute mit einem 50-Prozent-Pensum. 2016 hätte ihn eine Krebserkrankung fast das Leben gekostet, die Folgen davon spürt er bis zum heutigen Tag. «Der Arbeitgeber steht zu mir, dies und die Familie haben mir Kraft gegeben, als es mir gesundheitlich sehr schlecht ging und mein Leben an einem seidenen Faden hing. Bei einem Grossbetrieb hätte ich meine Stelle wohl schon längst verloren.»
«Die Arbeit macht mir Freude»
Es gibt viel Konstanz im Leben von René Schlienger – nicht nur bei der Arbeit. Er ist in Wegenstetten aufgewachsen, wo er mit seiner Frau Vreni auch heute noch wohnt. Seine Eltern hatten eine Metzgerei, da gab es immer etwas zu tun. «Wir mussten als Kinder helfen, zum Beispiel beim Wursten, beim Putzen der Maschinen und bei den Hauslieferungen in Hellikon. So konnten wir immer ein paar Batzen verdienen.»
Die Familie ist für René Schlienger das Wichtigste im Leben, sie steht an erster Stelle. Die beiden erwachsenen Kinder und die drei Enkelkinder sind häufig zu Besuch. Er geniesst die Zeit mit ihnen und ist sich bewusst, wie wertvoll jeder Augenblick ist. Schlienger kann sich aber gut vorstellen, länger als bis zu seinem 65. Geburtstag, der im Oktober sein wird, zu arbeiten. «Die Arbeit macht mir Freude. Bis zur Krebserkrankung habe ich kaum je einen Tag gefehlt.»
Seit 45 Jahren gehört René Schlienger zur Herzog Medien AG – wenn es nach ihm geht, soll sich das so schnell auch nicht ändern.