Ein Fricktaler als «Oberwälder» – wie das?
25.01.2024 Persönlich, Gipf-OberfrickDer erste Faisse gehört in Bad Säckingen traditionell den «Wäldern». Vor kurzem wurde ein neuer «Oberwälder» bestimmt. Es ist ein Schweizer und mit Patrick Wagner sogar ein Fricktaler.
Simone Rufli
«Es ist eine sehr grosse Ehre ...
Der erste Faisse gehört in Bad Säckingen traditionell den «Wäldern». Vor kurzem wurde ein neuer «Oberwälder» bestimmt. Es ist ein Schweizer und mit Patrick Wagner sogar ein Fricktaler.
Simone Rufli
«Es ist eine sehr grosse Ehre für mich und für Bad Säckingen wohl eine kleine Revolution», meint Patrick Wagner als ihm die NFZ zur Wahl zum «Oberwälder» gratuliert. Der 58-jährige Rechtsanwalt, Judoka und Fasnächtler auf beiden Seiten des Rheins tritt am heutigen ersten Faissen in die Fussstapfen von Architekt Franz Michler. Dieser hat den Chefposten der «Wälder», wie er auf Anfrage der NFZ betont, «vertrauensvoll» an seinen langjährigen Freund aus «Südsäckingen», also dem Fricktal weitergegeben. Wagner sei auffallend engagiert im Säckinger Brauchtum, «ein Weltbürger» und seit zig Jahren am Wälder-Tag aktiv mit dabei.
Auch schon auf der Narrenspiegelbühne
Obwohl er in Sisseln aufgewachsen sei, sei ihm dieser Tag in seiner Jugend völlig unbekannt gewesen, bekennt Patrick Wagner. «Als ich dann aber vor 30 Jahren in Stein als Anwalt angefangen habe, bin ich mehr und mehr in die ‹Säckinger Welt› hineingezogen worden, beruflich und privat. Inzwischen habe ich dort sehr viele Freunde und auch Mandanten, bin einmal pro Woche am ‹Hiddigeigei-Stamm› und nehme an allen Fasnachtsveranstaltungen aktiv teil.» Vor Jahren stand der Vater von drei inzwischen erwachsenen Kindern sogar zusammen mit seiner damals 9-jährigen Tochter Sophie auf der Narrenspiegelbühne; das ist ein weiterer Fasnachtsbrauch, eine Woche später, am zweiten Faissen.
Vom Wald herab in die Stadt
Der «Wälder-Tag», der jeweils hunderte «Wälder» und noch mehr Schaulustige nach Säckingen führt, geht auf eine Legende zurück. Demnach holten die Hotzenwälder einmal pro Jahr den besten Anzug aus dem Schrank, kleideten sich in den sogenannten Sonntagsstaat und wanderten hinunter ins Städtle, also nach Säckingen, wo sie ihre Amtsgeschäfte verrichteten und der Obrigkeit ihre Meinung kundtaten. Diesem Gang wird mit dem «Wälder-Tag» jeweils am ersten Faissen gedacht. Verkleidet als Bewohner des Hotzenwaldes ziehen Fastnächtler durch die Altstadt und verteilen Schnaps, Speck und «Buurebrot». Ab 14 Uhr versammeln sie sich hinter dem Scheffelhof und bewegen sich Richtung Münsterplatz, wo um 14.30 Uhr der Narrenbaum gestellt wird.
Rede vor dem Bürgermeister
«Am Umzug nehmen gut 500 Leute teil und beim Narrenbaumstellen auf dem Münsterplatz sind es vermutlich noch mehr», erzählt der neue «Oberwälder». Die Figur sei in der Bevölkerung sehr beliebt, «denn jeder Narr, ob Zunftmitglied oder nicht, kann an diesem Ereignis teilnehmen». Bevor er jedoch im Umzug mitlaufen kann, wartet auf Patrick Wagner am heutigen Donnerstag eine spezielle Aufgabe: Als «Oberwälder» wird er um die Mittagszeit im Rathaus empfangen, wo er vor dem Bürgermeister eine Rede halten darf. Dann wird sich der Bürgermeister anhören müssen, was den «Wäldern» im vergangenen Jahr so alles aufgefallen ist und wird sich dabei einiges anhören müssen, was er womöglich lieber nicht hören würde.
Für Bürgermeister Alexander Guhl werde es heute eine Überraschung sein, wenn sich ein neuer Oberwälder an ihn richte, meint Franz Michler in Vorfreude auf den verbalen Schlagabtausch zwischen Wagner und Guhl. «In der Szene allerdings hat sich die Wahl von Patrick Wagner teilweise schon herumgesprochen.» Michler macht eine Pause, bevor er hörbar amüsiert feststellt: «Einige befürchten mit der Wahl eines Schweizers den Untergang des Abendlands. Dabei sind wir einzig durch einen Fluss getrennt, im Grund genommen aber doch gleich.»
Wenn sich der Gipf-Oberfricker Patrick Wagner heute Mittag an Alexander Guhl wendet, wird er seine Rede wir folgt beginnen: «Ojeh, ojeh, wird dr Oberhüüler Jehle Michael i drei Wuchä vor em Roothus am Hüüler sägä, ojeh ojeh: dr neu Oberwälder isch kein Säckinger meh! Er isch nid emol än Obersäckinger!, kein Wallbacher, kein Ripplinger und au kein Harpolinger. Es isch än Südsäckinger, einä us äm neue Ortsteil, än Fricktäler.»