Drohung gegen Beamte während laufender Probezeit
29.08.2025 RheinfeldenEin somalischer Staatsangehöriger muss sich vor Bezirksgericht Rheinfelden verantworten. Bereits wegen Gewaltdelikten vorbestraft, delinquierte er erneut und mehrfach.
Zwar im vergleichsweise niederschwelligen Bereich, aber in einem Fall noch während laufender Probezeit. ...
Ein somalischer Staatsangehöriger muss sich vor Bezirksgericht Rheinfelden verantworten. Bereits wegen Gewaltdelikten vorbestraft, delinquierte er erneut und mehrfach.
Zwar im vergleichsweise niederschwelligen Bereich, aber in einem Fall noch während laufender Probezeit. Am Mittwoch stand der 28-Jährige wegen mehrfachem Hausfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Beamte und Weiterem vor Gericht. Verlangt waren 19 Monate Freiheitsstrafe unbedingt.
Judith Natterer Gartmann
«Ich bin ein guter Mensch», insistierte der Beschuldigte mehrfach. Er sei kein Krimineller, sondern gut. Eigentlich wie ein Polizist. Er wolle ein gutes Leben führen und arbeiten. Dafür brauche er einen geregelten Aufenthalt, und dafür sei die Schweiz zuständig.
Ohne Schul- und Berufsbildung sei er als Junge aus dem Bürgerkriegsland Somalia gef lohen und seither in Europa unterwegs gewesen. Italien, Deutschland, Niederlande, Schweiz. Kontakt zur Familie habe er nicht mehr. In der Schweiz habe er einen nun abgewiesenen Asylantrag gestellt. Im Zentralgefängnis in Lenzburg, wo er seit 30. Dezember 2024 in Untersuchungshaft sitzt, habe er es zum stellvertretenden Küchenchef gebracht. Dreimal täglich komme er zum Einsatz, da sei keine Zeit zum Schlafen. Er sei gemocht und geschätzt.
Bereits wegen Körperverletzung verurteilt
Der Beschuldigte, der am Mittwoch in Fussfesseln vor Gericht gebracht wurde, war bereits im Jahr 2016 vom Bezirksgericht Rheinfelden verurteilt worden. Damals u.a. wegen schwerer Körperverletzung. Ebenso 2018 in Basel-Stadt, u.a. wegen einfacher Körperverletzung, was ihm zudem einen noch bis 13. Juli 2026 geltenden Landesverweis eintrug.
Um diese Urteile sollte es am Mittwoch auch wieder gehen. Gerichtspräsident Matthias Meier sprach in deren Zusammenhang vom deliktischen «Gros», das sich der Beschuldigte bisher habe zu Schulden kommen lassen, während die aktuell zu beurteilenden Vorwürfe nicht allzu schwer wögen. – Der Zusammenhang? Einer der am Mittwoch beurteilten Sachverhalte soll sich just noch während der bis 7. Dezember 2023 laufenden Probezeit von damals ereignet haben.
Mehrfacher Anklagevorwurf und beantragte Gesamtstrafe
Die Anklage lautete auf mehrfachen Hausfriedensbruch, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie strafbaren Ungehorsam, Verweisungsbruch, rechtswidrige Einreise und rechtswidrigen Aufenthalt. Beantragt war seitens der Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe, die sich sowohl auf die aktuell zu beurteilenden mutmasslichen Delikte beziehen würde als auch den Aspekt berücksichtigen würde, dass der Beschuldigte innert ehemals auferlegter (und sodann verlängerter) Probezeit erneut delinquiert hatte. Konkret: Widerrufsstrafe mit Blick auf 12 Monate, die der Beschuldigte bei Wohlverhalten bis zum Ende der Probezeit nicht hätte absitzen müssen, resp. Rückversetzung bezüglich von 157 Tagen, die der Beschuldigte infolge bedingter Entlassung nicht mehr hätte im Strafvollzug verbringen müssen, hätte er nicht innerhalb laufender Probezeit erneut delinquiert.
«Ich werfe dich aufs Gleis»
Das mutmassliche Probezeitdelikt ereignete sich gemäss Anklageschrift am Freitag, 24. Juni 2024, im Basler Bahnhof SBB. Der Beschuldigte soll auf der dortigen Passerelle mit lauter Musik gestört, Abfall verteilt und insgesamt gegen die Hausordnung der SBB verstossen haben.
Die beiden Transsicura-Mitarbeitenden, die den Beschuldigten deswegen und wegen Missachtung einer in der Folge ausgesprochenen mündlichen Wegweisung anhielten, sollen von diesem bedroht worden sein (unter anderem mit dem Tod), wodurch wiederum eine – nicht ganz klar def inierte – A mtshandlung erschwert worden sein soll. Allein: Am Mittwoch als Zeugen vorgeladen, konnten zwar beide Sicherheitsleute den Beschuldigten wiedererkennen, sich aber nicht mehr an Drohungen von dessen Seite erinnern. Unfreundlichkeiten sei man in diesem Job regelmässig, ja täglich ausgesetzt, so der gelernte Zahntechniker und der ausgebildete Koch gleichlautend (beide arbeiten heute nicht mehr bei Transsicura). Etwa bis hin zu «Ich werfe dich aufs Gleis».
«Absurd»
Die Verteidigung forderte in ihrem dreiviertelstündigen Plädoyer Freispruch in allen Punkten: Für den u.a. angeklagten Hausfriedensbruch in der Möhliner Asylunterkunft fehle es schon einmal an einem der Zuständigkeitsordnung gemäss Gemei ndegesetz entsprechenden Strafantrag, und die angeblichen Drohungen gegenüber den Transsicura-Beamten seien unfreundliche Worte gewesen, nichts mehr (was sich denn so auch aus dem Protokoll des Vorfalls ergebe, lese man dieses gründlich). Ebenso wenig verfange der Vorwurf, der Beschuldigte habe den ehemals kassierten Landesverweis nicht respektiert: Er habe nur und einzig das gemacht, was man ihm im europäischen Ausland gesagt habe. Nämlich, in die Schweiz zurückzugehen. Das Land, in welchem er seinen ersten Asylantrag gestellt habe, und welches folge dessen für ihn zuständig sei. Es könne nicht sein und wäre «absurd», so die Verteidigung, wenn sich Leute nach nationalen Einreisevorschriften strafbar machten, während sie auf völkerrechtlicher Grundlage zwischen Staaten hin- und hergeschoben würden. Und es könne auch nicht sein, dass wegen Bagatellen, über die heute verhandelt würde und die unglücklicherweise halt in ein Probezeitfenster wegen früherer, unterdessen längst abgebüsster Taten fielen, die ganze Perspektive des jungen Beschuldigten zunichte gemacht würde.
Schuldspruch, jedoch tiefere Strafe
Das Gericht sah entgegen der Verteidigung sowohl den mehrfachen Hausfriedensbruch als erstellt und den Strafantrag als gültig an. Ebenso für gegeben erachtete es den Tatbestand der Gewalt und Drohung gegen Beamte (die sich trotz Gewöhnung und damit allenfalls einhergehender Abstumpfung auch nicht alles gefallen lassen müssten). Dito bejahte das Gericht den Verweisungsbruch und die rechtswidrige Einreise. Der in der Anklageschrift vom 26. Februar 2025 noch aufgeführte Ungehorsam sei demgegenüber heute verjährt. Und der rechtswidrige Aufenthalt sei im Lichte der zeitnahen Verhaftung gleich nach der Einreise zu verneinen.
Ausgesprochen wurde eine Gesamt-Freiheitsstrafe von achteinhalb Monaten, also eine deutlich tiefere als die von der Staatsanwaltschaft geforderten 19 Monate. Der Grund? Für den Widerruf der teilbedingten Freiheitsstrafe gemäss Rheinfelder Urteil von 2016 wäre eine «Schlechtprognose» nötig. Eine solche mochte das Gericht dem Beschuldigten nicht ausstellen. Wohl aber ordnete es Sicherheitshaft an, um die Durchführung des Strafvollzugs im Sinne des Urteils zu gewährleisten: Es bestehe Fluchtgefahr, weswegen der Beschuldigte in Haft bleiben müsse. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Generell gilt bis zur Rechtskraft einer allfälligen strafrechtlichen Verurteilung die Unschuldsvermutung.