Dieses Ursprüngliche, Archaische, das fasziniert ihn
05.11.2025 PersönlichNiklaus Schmid, Jagdhornbläser und Jäger
Er gründete die Jagdhornbläsergruppe Ergolz, präsidiert die lokale Jagdgesellschaft und spielt seit sagenhaften 67 Jahren in der Musikgesellschaft. Niklaus Schmid, den alle «Chläusi» nennen, ist ein ...
Niklaus Schmid, Jagdhornbläser und Jäger
Er gründete die Jagdhornbläsergruppe Ergolz, präsidiert die lokale Jagdgesellschaft und spielt seit sagenhaften 67 Jahren in der Musikgesellschaft. Niklaus Schmid, den alle «Chläusi» nennen, ist ein Kaiseraugster Urgestein.
Von Andreas Fischer *
Aufgewachsen ist er in der Mitte des Dorfs, dort, wo heute die Rôtisserie Raurica steht. «Das war einst ein Bauernhof», erzählt er, «da wurde ich geboren, als jüngstes von neun Kindern.» Der älteste Bruder, Pater Reinhold, ein katholischer Priester und Redemptorist, verstarb 2023 im neunundneunzigsten Lebensjahr. Mit ihm feierte man einst, am 25. Juni 1988, eine der ersten Hubertusmessen der Jagdhornbläsergruppe Ergolz. «Das war draussen, oben bei der Kaiseraugster Waldhütte», erinnert sich Niklaus Schmid.
Angefangen hatte alles mit einem Kurs des Schweizer Jagdverbands, an dem er teilnahm. «Dort ging es nur um die Jagdsignale; doch es gab einige, die wollten weitermachen.» Jagdsignale, erklärt er, dienen der nonverbalen Verständigung unter den Jägern. Sie tragen Namen wie «Begrüssung», «Auf bruch zur Jagd», «Reh tot», «Jagd vorbei» und bestehen aus einfachen Tönen. Daraus sind Melodien, Fanfaren, Märsche entstanden, die konzertant gespielt werden. Alle zwei Jahre finden Jagdhornbläser-Schweizermeisterschaften in verschiedenen Kategorien statt. Schmid, der in der Kaiseraugster Musikgesellschaft Waldhorn spielt, konnte Musiker und Jäger für die Jagdmusik begeistern. Aus dem Aargau und dem Baselbiet, «dies- und jenseits der Egolz», kamen Bläser zur Jagdhorngruppe, die schweizweit eine der besten ist. Fast vier Jahrzehnte dirigierte Niklaus Schmid die Bläsergruppe, heute noch spielt er Parforcehorn, ist Ehrenmitglied und Vizedirigent.
Sechsundachtzig Hubertusmessen
Beruflich lernte Schmid einst Automechaniker, später erlangte er den Fachausweis in Buchhaltung. Ein Vierteljahrhundert lang war er Personalverantwortlicher bei der Ernst Frey AG. Marguerite, seine Frau, wuchs ebenfalls auf einem Bauernhof in Kaiseraugst auf, «dem Asphof, dort, wo heute die Roche steht». Die Familie zog dann weg in die Ostschweiz, doch die Verbundenheit zum Römerdorf blieb. «Bei Festen», erzählt Chläusi Schmid, «kehrte sie immer hierher zurück». Zusammengekommen sind die beiden aber nicht in Kaiseraugst, sondern in England, wo er sie während eines Sprachaufenthalts besuchte. 1971 heirateten sie; seit kurzem sind Marguerite und Niklaus Schmid Grosseltern, «Marla», sagen sie, «ist unser Sonnenschein». Die ganze Familie ist musikalisch. Als sich Marguerite einst überlegte, ein Instrument zu lernen, wurde ihr das Jagdhorn nahegelegt. Sie besuchte einen Kurs, «nicht bei mir», sagt Chläusi lachend. Danach musste sie vorspielen. Sie wurde aufgenommen und war 37 Jahre lang Mitglied der Jagdhornbläsergruppe.
Sechsundachtzig Hubertusmessen hat Chläusi Schmid inzwischen schon gespielt. Diverse Stücke hat er neu arrangiert, eine Trompete, Kesselpauke, ein Glockenspiel dazu genommen. Je nachdem spielt auch die Orgel mit. Auch im Alter ist Schmid noch aktiv, spielt ausser Wald- und Parforce- auch Alphorn, wandert, geht auf die Jagd.
«Da, die Säue kommen!»
Die Jagd ist, neben der Musik, sein zweites grosses Hobby. «Wir Bauernkinder», sagt er, «haben ein anderes Verhältnis zum Tod.» Der Tod sei integraler Bestandteil des Lebens gewesen, Hasen, Hühner, Säue seien vor Ort getötet worden. Als Kind habe er für jeden Mäuseschwanz zwanzig Rappen erhalten, «das war dann das Chilbigeld». Er sei also in gewissem Sinn schon in jungen Jahren Jäger gewesen. Auch gefischt habe er. Einmal seien ihm «Oole» (Aale) aus der Wanne abgehauen: «Die schafften es die Dorfstrasse runter, am Adler vorbei wieder zurück in den Rhein. Das waren bestimmt dreihundert Meter.» Nein, das sei kein Anglerlatein, versichert er dem ahnungslosen Schreibenden, das sei wirklich so gewesen.
Auch von der Jagd weiss Chläusi Schmid lustige Geschichten zu erzählen. Einmal auf dem Hochsitz pfiff das Hörgerät des Kollegen. Er bat ihn, es auszuschalten. Dann f lüsterte er: «Da, die Säue kommen!» «Was hast du gesagt?», fragte der Kollege so laut, dass die Wildschweine gewarnt waren und die Flucht ergriffen. Vor einer anderen Wildsau, einer Bache, ergriff umgekehrt Chläusi Schmid die Flucht. Sie schnaubte derart bedrohlich, dass er auf den Hochsitz kletterte und stundenlang dort oben ausharrte. «Damals gab es ja noch kein Natel», sagt er dazu.
Weniger glimpflich ging die Geschichte mit der Wildsau aus, die er schoss und dann ihrer Blutspur folgte. Er hielt sich an einem Bäumlein fest, das dürr war und seinem Gewicht nicht standhielt. Er stürzte den Hang hinunter, schlug mit dem Knie an einen Felsen und landete schliesslich mit gebrochener Kniescheibe direkt neben der toten Sau im Graben. «Die Sau ging in die Metzgerei, ich ins Spital», sagt er lakonisch. «Aber vorher habe ich noch ein Selfie gemacht.»
Ja, es könne viel passieren auf der Jagd, fährt er fort. Schon dreimal habe er miterlebt, wie ein Jäger im Wald an einem Herzschlag starb. Auch er selber habe schon einen Herzinfarkt erlitten, im Flugzeug, als er mit der Musikgesellschaft nach Portugal reiste. Die Ärzte sagten nachher, er solle ja nicht aufhören mit der Musik. Die trainierte Lunge habe ihn gerettet.
Ein Tier töten
Wie es eigentlich sei, ein Tier zu töten, fragt man zum Schluss. Mit Triumphgefühlen sei es nicht verbunden, sagt er, aber mit Befriedigung, auch mit Stolz, wenn man sich den Bruch – also den abgebrochenen Zweig, welcher das erlegte Wild symbolisiert – auf den Hut steckt und einem gratuliert wird. Chläusi erinnert sich an die Predigt seines Bruders, damals bei der Hubertusmesse im Wald: «Was habt ihr heute gegessen», habe er gefragt, «ein Kotelett, einen Hamburger, ein Wienerli?» Anders als anderes Fleisch stamme Jagdf leisch von Tieren, die bis zuletzt wild gelebt haben. Draussen in der Natur zu sein, der Anblick einer Rotte Wildschweine, einer Gämse im oberen Fricktal, auch die Realität des Todes und des Tötens, dieses Ursprüngliche, Archaische, das fasziniere ihn.
Am Sonntag, 9. November, um 10 Uhr findet im reformierten Kirchgemeindehaus Kaiseraugst ein Hubertus-Gottesdienst mit der Jagdhornbläsergruppe Ergolz statt; für Chläusi Schmid ist es der 87., für den Schreibenden der erste. Weitere Informationen: www.ref-rheinfelden.ch
*Andreas Fischer ist reformierter Pfarrer in Kaiseraugst.

