«Dieser Beruf geht nicht ohne Obsession»
25.05.2025 RheinfeldenCharles Brauer gastiert am 3. Juni im Schützen Rheinfelden
Am 3. Juli feiert Charles Brauer seinen 90. Geburtstag, einen Monat zuvor tritt er mit seinem Kästner-Programm im Schützen in Rheinfelden auf. Der Schauspieler, der seit Jahrzehnten in der Nordwestschweiz wohnt, ...
Charles Brauer gastiert am 3. Juni im Schützen Rheinfelden
Am 3. Juli feiert Charles Brauer seinen 90. Geburtstag, einen Monat zuvor tritt er mit seinem Kästner-Programm im Schützen in Rheinfelden auf. Der Schauspieler, der seit Jahrzehnten in der Nordwestschweiz wohnt, arbeitet immer noch gerne.
Valentin Zumsteg
NFZ: Herr Brauer, Sie feiern im Juli ihren 90. Geburtstag und stehen immer noch auf der Bühne. Was treibt Sie an?
Charles Brauer: Die Lust zu spielen. Ich bin dankbar, dass ich gesund genug bin, es zu tun. Die Rolle, die ich kürzlich im Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg im Stück «Dienstags bei Morrie» gespielt habe, ist eine ganz besondere. Sie hat mir grossen Spass gemacht. Wenn ich eine Anfrage erhalte, die mich interessiert, dann setze ich mich in den Zug und fahre hin. So wie jetzt für die Lesung in Rheinfelden. Ich muss ja nicht, das ist das Schöne.
Von Ruhestand halten Sie nichts?
Doch, den geniesse ich auch. Ich bin nicht dauernd unterwegs. Abgesehen von der Lesung in Rheinfelden mache ich bis September gar nichts
– ausser den Garten geniessen, Freunde treffen und den Geburtstag feiern.
In Rheinfelden treten Sie mit einem Kästner-Programm auf. Was bedeutet Ihnen dieser Autor?
Sehr viel. Ich wünschte mir, eine Figur wie Erich Kästner wäre heute noch schreibend unterwegs. Mich würde es interessieren, was Kästner zu unserer heutigen Welt sagt. Das Problem ist, dass viele Leute Kästner nur noch mit «Emil und die Detektive» verbinden und nicht mit dem Satiriker und genauen Betrachter der Welt und der Menschen. Die Texte von Erich Kästner begleiten mich, seit ich denken kann. Ich habe das Programm schon oft gespielt, aber ich mache es noch nicht so lange mit einem musikalischen Begleiter, was die Sache sehr unterstützt. Ausserdem ist Günther Brackmann ein Pianist, den ich seit langem und gut kenne.
Was darf das Publikum in Rheinfelden erwarten?
Ich führe durch das Leben von Erich Kästner. In Verbindung damit gibt es Gedichte und Prosa. Gleichzeitig erzähle ich über ihn und wie ich Kästner sehe; meine Interpretation sozusagen. Es gibt sehr viel Kästner an diesem Abend.
Sie treten im November mit dem Programm «Satire und Blues in Dur und Moll» nochmals im Schützen auf. Welche Beziehung haben Sie zu Rheinfelden?
Ich mag Rheinfelden sehr gerne, ich finde es ein nettes Städtchen und bin öfter da. In Badisch Rheinfelden wohnt ein Freund von mir, das verbinde ich dann mit einem Besuch. Auf Schweizer Seite gibt es eine wunderbare Zigarren-Lounge, wo ich ab und zu ein Stündchen verbringe.
Sie leben seit vielen Jahren in Böckten im Kanton Baselland. Was gefällt Ihnen am Leben im Dorf?
Mich hat es hierher verschlagen. Wenn Sie mich vor 50 Jahren gefragt hätten, ob ich die letzten Jahrzehnte meines Lebens in einem kleinen Dorf in der Schweiz verbringen werde, wäre ich sehr verwundert gewesen über die Frage. Die Liebe hat mich hierhergebracht. Ich habe das Leben im Dorf von Anfang an sehr gemocht, ich wurde auch gut eingeführt.
Ihre Stimme ist vielen Leuten von Grisham-Hörbüchern bekannt. Wie wichtig ist die Stimme für Ihre Karriere?
Die Stimme ist natürlich unglaublich wichtig für einen Schauspieler. Die Hörbücher von Grisham sind mittlerweile eine Lebensaufgabe geworden. Er schreibt viel. Das erste Hörbuch von Grisham habe ich 1998 eingesprochen. Dann war das erfolgreich und so ist es immer weitergelaufen. Beim ersten Grisham hatte ich keine Ahnung, wer das ist. Das habe ich mittlerweile gelernt und ich schätze, wie er aktuelle amerikanische Themen angeht. Ich habe eine grosse Hochachtung vor ihm. Ich lese ihn auch sehr gerne, er schreibt gute Dialoge und es ist immer spannend.
Einem grossen Publikum bekannt wurden Sie durch Ihre Rolle des Tatort-Kommissars Peter Brockmöller, die Sie von 1986 bis 2001 spielten. Wie hat diese Popularität Sie und Ihre Karriere beeinflusst?
Die Rolle hat meine Karriere stark beeinf lusst, natürlich. Wenn man eine Theatertour macht, zum Beispiel in Bottrop oder in Herne, dann können Sie der beste Schauspieler in Berlin oder Hamburg sein, wenn man Sie nicht aus dem Fernsehen kennt, geht da kein Mensch hin. Die Prominenz hat gewisse positive berufliche Konsequenzen.
Auch private?
Die Rolle hat auf meine Frau und mein Kind keinen grossen Eindruck gemacht. Vielleicht bekommt man mal in einem Restaurant einfacher einen Tisch, aber sonst hat sich nicht viel geändert. Natürlich wird man manchmal angesprochen. Wenn das nicht unfreundlich passiert, ist das kein Problem. Wenn man in diesem Beruf unbekannt bleibt, ist es ja auch nicht gut.
Schauen Sie selbst noch Tatort-Krimis?
Nicht oft, auf keinen Fall regelmässig. Ich schaue sowieso wenig Fernsehen.
Was würden Sie jungen Schauspielern raten, die heute in die Branche einsteigen möchten?
Wissen Sie, Schauspielern etwas zu raten, ist schwierig. Wenn jemand die Leidenschaft und die Obsession hat, in diesen Beruf zu gehen, dann kann man ihm raten, was man will, er wird den Beruf ausüben, trotz aller Misserfolge. Zweifel begleiten diesen Beruf sowieso immer. Wenn jemand nach dem ersten Misserfolg einen anderen Beruf wählt, dann war er für die Schauspielerei nicht prädestiniert. Dieser Beruf geht nicht ohne Obsession.
«Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es»
Am Dienstag, 3. Juni, ist Charles Brauer zusammen mit dem Pianisten Günther Brackmann mit dem Kästner-Programm «Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es» im Hotel Schützen in Rheinfelden zu Gast. Beginn ist um 20 Uhr. Charles Brauer zeichnet in Texten zu und Gedichten von Erich Kästner das Leben dieses einzigartigen Schriftstellers nach.
Günther Brackmann spielt im Wechsel dazu Piano-Interpreta tionen von Themen aus der «Drei Groschen Oper», dazu Schlager und Swing der 1920erund 30er-Jahre sowie eigene Kompositionen.
Charles Brauer, der schon als Elfjähriger in dem Nachkriegsdrama «Irgendwo in Berlin» vor der Kamera stand, wurde einem breiten Publikum als Heinz Schölermann in der ersten deutschen Familienfernsehserie «Familie Schölermann» bekannt. Er erreichte besondere Popularität als langjähriger Hamburger «Tatort»-Kommissar Peter Brockmöller an der Seite von Manfred Krug. 2023 erschien «Die blaue Mütze und andere Geschichten aus meinem Leben». Hörbuchliebhaber schätzen seine akzentuierten Aufnahmen. (mgt/nfz)