Die Nestmacherin
03.11.2025 PersönlichNicole Schuler denkt fast immer in Farben, Formen und Materialien
Nicole Schuler hilft mit dem Verein «Nestmacher» älteren Menschen beim Umzug in kleinere Wohnungen oder Altersheime. Sie unterstützt die betroffenen Personen von der Planung bis hin zur ...
Nicole Schuler denkt fast immer in Farben, Formen und Materialien
Nicole Schuler hilft mit dem Verein «Nestmacher» älteren Menschen beim Umzug in kleinere Wohnungen oder Altersheime. Sie unterstützt die betroffenen Personen von der Planung bis hin zur Inneneinrichtung und steht ihnen bei jedem Schritt bei.
Petra Schumacher
Für das Gespräch treffen wir uns im Café. Nicole Schuler lässt ihre Augen durch den Raum schweifen und wirkt zufrieden. Das Café hat dem prüfenden Blick standgehalten. Die 53-Jährige ist ausgewiesene Expertin für ganzheitliche Raumgestaltung. Ihre Talente hat sie nach vielen Berufsstationen gebündelt und den Verein Nestmacher gegründet. Wohlfühlräume für Menschen schaffen, ist das erklärte Vereinsziel.
Die Leidenschaft für die Gestaltung von Innenräumen begann bei Nicole Schuler früh. Die Eltern hatten in der Nähe von Baden ein Ingenieurbüro für Gebäudetechnik, wo sie als Kind oft Nachmittage verbrachte, Grundrisspläne studierte und zeichnete. Von Anfang an waren es Wohnräume, mit Möbeln ausgestattet und farbig gestaltet, die auf den Blättern entstanden. «Die Gedanken um das Gestalten von Räumen begleiten mich eigentlich schon immer», weiss Nicole Schuler zu berichten. «Dabei habe ich nicht nur gezeichnet, sondern direkt auch an die Materialien, Farben und Formen gedacht. Ich habe eigentlich immer gedankliche Päckli geschnürt.»
Der berufliche Weg
Nach der Bezirksschule absolvierte sie eine Ausbildung als Innenausbauzeichnerin mit BMS und zog für einen Sprachaufenthalt und ein Praktikum in einem Innenarchitekturbüro in die USA. «Die Innenarchitektur war zu dem Zeitpunkt mein erklärter Berufswunsch», so Nicole Schuler. Es kam dann anders. Weil ihr neben dem Zeichnen die Materialien aber auch wichtig waren, ging sie nach der Rückkehr in die Schweiz zunächst nach Luzern an die Hochschule. Als Praktikantin arbeitete die angehende Textildesignerin bei Creation Baumann in Langenthal, wo sich Nicole Schuler mit Vorhängen, Rollos und Möbelstoffen beschäftigte. Nach einem einjährigen Design-Werkstudium in Italien führte der Weg zurück nach Langenthal. Bei der Firma Ruckstuhl entwarf sie Teppiche aus Naturmaterialien für Hotels und Gastronomie. Danach folgte eine Station im Architekturbüro Fankhauser in Basel. «Dort habe ich wieder meine Päckli geschnürt», erklärt Nicole Schuler. «Ich habe analysiert, was die Kunden brauchen und in einem passenden Gestaltungskonzept, Textilien und Farben zusammengebracht.»
Noch einmal ging es nach Langenthal. Bei der Firma Lantal, die sich auf die Entwicklung und Herstellung von hochwertigen Textilien für den internationalen Luft-, Busund Bahnverkehr spezialisiert hat, entwickelte Nicole Schuler Sitzbezug- und Farbkonzepte. «Spannend war für mich, welchen Einfluss Farbe auf die Raumatmosphäre hat und wie wichtig sie zugleich für die Markenidentität eines Unternehmens ist», sagt Nicole Schuler. Um dieses Wissen zu vertiefen, absolvierte sie in Salzburg eine dreijährige Ausbildung zur Farbgestalterin. Ein Seminar zum Gestalten für ältere Menschen hat sie dabei besonders geprägt: Die Studierenden trugen Overalls, Handschuhe und spezielle Brillen, um die Einschränkungen des Alters selbst zu erleben. Ihre Diplomarbeit widmete sie dem Farbkonzept für ein neues Alterszentrum mit Demenzabteilung in Basel. Dass dort der Grundstein für ihr heutiges Schaffen gelegt wurde, ahnte sie damals noch nicht.
Möbel Rösch in Basel war die nächste Berufsstation. Obwohl Nicole Schuler zum Verkaufsteam gehörte, konnte sie aufgrund ihrer Expertise dort auch Planungsprojekte übernehmen. «In der Zeit, wo ich für Privatleute die zweite oder dritte Ferienwohnung eingerichtet habe, erzählten immer mehr Freunde und Bekannte von ihren Sorgen und Nöten im Umgang mit den Eltern. Bei vielen älteren Menschen stand der Umzug in eine kleinere Wohnung an. Damit verbunden waren das Loslassen von Einrichtungsgegenständen, die Veränderung des gewohnten Umfelds und das Ankommen im neuen Zuhause». Nicole Schuler erlebte, wie Angehörige an ihre Grenzen kamen und welche Nöte die älteren Leute hatten. Geprägt von der intensiven Arbeit für ihre Diplomarbeit in Salzburg begann sie sich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Sie reduzierte ihr Pensum, suchte flexiblere Teilzeitstellen und übernahm freiberufliche Projekte, um sich ganz dieser Ausrichtung widmen zu können.
Die Nestmacher
Im Februar 2024 gründete sie gemeinsam mit Iris Landenberger den gemeinnützigen Verein Nestmacher. «Nest steht für mich für Geborgenheit und Sicherheit. Macher drückt aus, dass wir nicht nur beraten, wir machen es auch, wir setzen die Ideen um», erklärt Nicole Schuler die Namenswahl. Der Verein arbeitet mit einem ehrenamtlichen Netzwerk, um mehrheitlich ältere, von Armut betroffene Menschen in Basel, Baselland und im Fricktal beim Wohnungswechsel zu unterstützen. «Wir haben das aktuelle Angebot Silbernest genannt, weil es sein kann, dass weitere Zielgruppen, wie beeinträchtigte Menschen oder junge Leute ohne familiäre Unterstützung mit ihrer Erstwohnung dazukommen».
Um zu erklären, wie sie arbeitet, hat Nicole Schuler für das Gespräch viel Material mitgebracht. Aufnahmen von Wohnungseinrichtungen vor dem Umzug, ihre Planungszeichnungen, Farbtafeln und Textilproben. Es ist nur ein kleines Detail, auf das Nicole Schuler hinweist, aber es zeigt auf, wie tief sie sich in die Problematik eingearbeitet hat: Auf dem Foto von der bisherigen Wohnung ist ein Bild an der Wand zu sehen und genau dieses erscheint auch in ihren neuen Möblierungsplänen. «Menschen müssen ihre alte Wohnung im neuen Umfeld wiederfinden. Das nimmt ihnen die Angst. Nur wenn sie bei der Planung einbezogen sind, kann der Neustart gelingen», ist Nicole Schuler überzeugt. Ihre Augen blitzen auf, das Gesicht strahlt und die Hände unterstreichen ihre Rede – sie ist spürbar in ihrem Element. Eigentlich sind sie so etwas wie ein Startup-Unternehmen führt Nicole Schuler aus, nur eben gemeinnützig. Derzeit sammeln sie Referenzprojekte, um dann über Stiftungen und Unternehmen die Finanzierungen zu sichern. Auf die Frage, wo sie sich in fünf Jahren sieht, antwortet Nicole Schuler: «Vom Verein angestellt, immer noch nah bei den Kunden, aber auch stark in der Netzwerkarbeit eingebunden.»

