Die Magdener halfen den Möhlinern «essen, trinken und metzgen»
11.05.2025 FricktalDie Wut auf die Willkür und harte Hand ihres Leibherrn, des Komturs Ludwig von Reischach, war gross, als die Karsauer Leibeigenen am 6. Mai 1525 Schloss Beuggen stürmten. Auch Bauern aus Möhlin, Magden und Augst und ein Priester aus Zeiningen waren dabei.
Boris ...
Die Wut auf die Willkür und harte Hand ihres Leibherrn, des Komturs Ludwig von Reischach, war gross, als die Karsauer Leibeigenen am 6. Mai 1525 Schloss Beuggen stürmten. Auch Bauern aus Möhlin, Magden und Augst und ein Priester aus Zeiningen waren dabei.
Boris Burkhardt
Der Hausherr, Komtur Ludwig von Reischach, ist bereits nach Basel geflohen, als es sich Bauern aus den Dörfern der Umgebung, namentlich aus Karsau, Riedmatt, dem «Rheintal» bis Wyhlen, aus Möhlin, Magden und Augst, in Schloss Beuggen «gutgehen lassen, schlachten, essen und trinken; viele bleiben über Nacht». Der pensionierte Geschichtslehrer Martin Birken, Mitglied im Arbeitskreis Geschichte des Vereins Haus Salmegg in Badisch-Rheinfelden, hat anlässlich des 500-Jahr-Gedenkens an den Bauernkrieg von 1525 Details zur Stürmung des Schlosses, damals Kloster des Deutschen Ordens, recherchiert.
Gut geplanter Aufstand
Zum Angriff der Bauern selbst gibt es laut Birken kaum Zeugnisse; feststehe aber, dass der Aufstand gut geplant und kein Akt von Anarchie gewesen sei. Davon zeugt etwa der evangelisch gewordene Priester Hans God aus Zeiningen, der als «Beutemeister» das geplünderte Gut verwaltete. Bei seinen Recherchen stiess Birken nun auf das genaue Datum, das bisher in der Öffentlichkeit nur als «Anfang Mai» bekannt gewesen sei. Aus der «Aktensammlung zur Geschichte der Basler Reformation in den Jahren 1519 bis Anfang 1534» von Emil Dürr aus dem Jahr 1921 zitiert Birken den Bericht des Hauptmanns Marx Werdenberg und des Vogts auf der Farnsburg, Henmann Offenburg, vom 6. Mai 1525 an den Basler Rat, «dass die Schreiber gerade erfahren haben, dass die Dörfer im Rheintal in Aufruhr seien und gegen Beuggen gezogen seien».
Freie Bauern aus Möhlin an der Spitze
Den Hinweis darauf erhielt Birken in der Möhliner Dorfchronik von 1959 von Karl Schib. Dieser weiss zu berichten, dass die freien Bauern in Möhlin «an der Spitze der Empörer» gestanden seien. Die Magdener hingegen seien Leibeigene von Basel gewesen und hätten deshalb «nur schüchtern» mitgemacht. Als nach dem Aufstand die Magdener deswegen die auferlegte Busse nicht hätten zahlen wollen, schreibt Schib, stellten die Möhliner fest, die Magdener hätten im Kloster Beuggen «geholffen essen, trinken und metzgen wie andere von der landschaft».
Birken geht davon aus, dass die Bauern das Kloster, das damals nicht grossartig befestigt gewesen sei, ohne Widerstand eingenommen hätten. Es sei nicht bekannt, wie viele Ordensmitglieder und Bedienstete sich damals im Kloster aufgehalten hätten. Auch hätten die Bauern abgesehen von den Lebensmittelvorräten wohl keine Schäden verursacht; im Gegenteil hätten sie nach der durchfeierten Nacht rund hundert Wachen zurückgelassen, um das Kloster vor Plünderungen zu schützen.
Menschenrechte eingefordert
Das passe zu dem, was über die Motivation der hiesigen Bauern bekannt sei, sagt Birken: «Ihre Wut richtete sich gegen den Komtur, nicht gegen das Kloster oder den Orden.» Angetrieben von den zwölf Artikeln von Memmingen vom 6. März 1525, in denen Bauern in Berufung auf die Bibel erstmals Menschenrechte einforderten, hatten die hiesigen Bauern zwei Beschwerdebriefe verfasst. Der erste stammte laut Birken von den freien Bauern im erwähnten «Rheintal», neben Fricktal und Möhlinbach eine der drei Landschaften der Grafschaft Rheinfelden: «Die andere verfassten die Leibeigenen des Deutschordensklosters Beuggen aus Karsau mit Bezug auf den ersten Text.»
Die Karsauer bestritten laut Birken nicht ihren Status als Leibeigene, wandten sich aber sehr wohl gegen die Willkür und die harten Bestrafungen ihres Grund- und Leibherrn, Ludwig von Reischach, der über die niedere Gerichtsbarkeit über sie verfügte. «Wiewohl wir in einer freien Landschaft wohnen und obwohl wir dem Kloster verpflichtet sind, so ruft er zu aller Zeit, früh und spät, im Sommer und Winter, unablässig nach uns», hat Birken emotionale Forderungen der Karsauer in modernes Deutsch übertragen: «Alle Arbeit ist zu leisten, wie es ihm in den Sinn kommt, was, wie und wann er will. Er hält uns nicht anders als ein unvernünftiges Tier.» Wer nicht arbeiten könne oder auch nur Widerworte gegen ihn spreche, werde bisweilen wochenlang in den Turm gesperrt.
Die freien Bauern der Grafschaft Rheinfelden hätten hingegen Steuergerechtigkeit gefordert: Das Kloster Beuggen besass viel Land und Rechte auf dem Gebiet der heutigen Stadt Badisch-Rheinfelden und im Fricktal, unter anderem in Möhlin. Da es aber keine Steuern zahlen musste, wurden diese Lasten alleine den Bauern aufgebürdet.
Der Historiker Casimir Bumiller wies kürzlich in seinem Vortrag im Haus Salmegg darauf hin, dass von Reischach in einem Brief an seinen Bruder selbst seine Härte und Willkür eingestanden habe – laut Bumiller ein einzigartiger Vorfall unter dem Adel während des Bauernkriegs. Von Reischach kehrte im Herbst 1525 noch einmal für kurze Zeit nach Beuggen zurück, wurde dann aber vom Orden abberufen. Sein Nachfolger Georg von Andlau liess das Kloster spätestens 1534 mit dem heute noch vorhandenen nördlichen Eingang mit Burggraben und Fallgatter befestigen; davon zeugt sein grosses Wappen über dem Eingang. In gewisser Weise sei dieser Torbau das einzige Zeugnis vom Bauernkrieg, das auf Schloss Beuggen überdauert habe, sagt Birken. Allerdings habe es nach 1525 keinen Aufstand mehr gegeben.