Einst in Südkoreas Marine, wacht Miyeon Cho heute über Badi-Gäste
26.07.2025 PersönlichSeit sie acht Jahre alt war, träumte Miyeon Cho davon, in der Marine zu dienen. Als junge Frau erfüllte sie sich diesen Wunsch. Dann heiratete sie einen Schweizer und zog aus Koreas Hauptstadt Seoul nach Frick.
Simone Rufli
Aufgewachsen ist Miyeon Cho in Seoul, der ...
Seit sie acht Jahre alt war, träumte Miyeon Cho davon, in der Marine zu dienen. Als junge Frau erfüllte sie sich diesen Wunsch. Dann heiratete sie einen Schweizer und zog aus Koreas Hauptstadt Seoul nach Frick.
Simone Rufli
Aufgewachsen ist Miyeon Cho in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, in der mit 9,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern mehr Menschen leben als in der ganzen Schweiz mit ihren aktuell rund 9 Millionen Bewohnerinnen und Bewohnern. 30 Jahre lang lebte sie in dieser gewaltigen Metropole, umgeben von Wolkenkratzern – unweit der Grenze zum feindlich gesinnten Nord-Korea, von China getrennt durch das Gelbe Meer.
Während die «normale» Bevölkerung der Republik Korea (Südkorea) im Alltag wenige bis keine Berührungspunkte mit den Nachbarn habe, sei das für sie anders gewesen. «Nach dem Studium zur Sportlehrerin habe ich mir meinen Kindheitstraum erfüllt und bin zum Militär gegangen.» Im Dienste der Marine war sie auf Schiffen unterwegs, arbeitete an Kontrollsystemen, koordinierte Einsatzpläne und überwachte das Radar-System.
Am Anfang der Sprachkurs
«Die Leute sind sehr freundlich», sagt Miyeon Cho nun wieder ganz im Hier und Jetzt und schaut von ihrem Badmeister-Posten in der Mitte des Areals hinüber zu den ersten Schwimmerinnen, die lautlos ihre Bahnen ziehen. Und wie lebt es sich in Frick? Miyeon Cho lächelt. «Ganz ehrlich – als ich hier ankam, fand ich es zuerst langweilig. Ich fragte mich, wo sind die Menschen? Warum sind die Strassen am Abend und am Sonntag so leer? Und ich verstand nicht, warum sich die Leute grüssen, wenn sie sich begegnen.» Das habe sie aus der Grossstadt nicht gekannt. Zur Erinnerung: in Südkorea leben pro Quadratkilometer zehnmal mehr Menschen als in der Schweiz.
Inzwischen habe sie sich in Frick eingelebt, sagt sie und schmunzelt. Miyeon Cho spricht f liessend Deutsch. Wobei es am Anfang dieser Geschichte über Kontinente und Kulturen, Hochseenation und Binnenland doch darum ging, Englisch zu lernen. Dafür reiste Miyeon Cho vor bald zwanzig Jahren von Korea nach Neuseeland. «In ein Dorf übrigens von der Grösse von Frick», betont sie und lächelt verschmitzt.
Sieben Jahre Fernbeziehung
In jenem Dorf in Neuseeland, beim Englisch-Unterricht, lernte sie – damals 23 Jahre jung – einen 21-jährigen Schweizer kennen und verliebte sich. Eine schöne Zeit, sei das gewesen, sagt sie, «aber dann kehrten wir beide wieder in unseren Alltag zurück». Er in der Schweiz, sie in Seoul. In Kontakt blieben sie dennoch. Sieben Jahre lang führten die beiden eine Fernbeziehung, arbeitete sie als Sportlehrerin, diente in der Marine und reiste ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann immer wieder für Besuche nach Seoul. «Als ich 30 Jahre alt war, fanden wir es an der Zeit, uns zu entscheiden.» Gemeinsam wollten sie den weiteren Weg gehen, nur wo?
Arbeitsmöglichkeiten für sich und Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder, die sie sich wünschten, hätten sie in die Überlegungen einbezogen, vieles andere nicht. Sie heirateten in Korea und entschieden sich für ein Leben in der Schweiz. Wie sie mit der Distanz umgehen würde, mit dem Getrenntsein von den kulturellen Wurzeln und der Familie, «darüber habe ich mir damals eigentlich keine Gedanken gemacht. Ich war jung, verliebt und dachte, mit meinem Mann an der Seite geht sowieso alles ganz einfach». Das war vor zehn Jahren.
In beiden Kulturen daheim
Die Angewöhnung an eine andere Kultur, ein anderes Leben, eine fremde Sprache, «das war eine Herausforderung», sagt sie. Der Abschied von Familie und Freunden schwerer als erwartet. «Ja, ich vermisse meine Familie sehr und bin froh, dass wir für gewöhnlich im Sommer nach Korea reisen, um sie zu besuchen. In diesem Sommer ausnahmsweise nicht, weil wir erst vor kurzem umgezogen sind.»
Wir, das sind inzwischen vier Personen. Das Paar hat zwei Söhne, neun und fünf Jahre alt. «Der ältere Sohn ist bereits im Schwimmclub, der jüngere besucht den Schwimmkurs», erzählt sie. Die Kinder wachsen mehrsprachig auf. «Daheim sprechen wir abwechselnd koreanisch, deutsch und englisch.» Einmal in der Woche besuchen die Kinder die koreanische Schule in Basel, um die Sprache in all ihren Facetten zu lernen und die Kultur noch besser zu verstehen, die die Buben mit ihren Angehörigen in Korea verbindet. Der Schulbesuch in Basel ist auch für Miyeon Cho eine schöne Gelegenheit, den Kontakt mit anderen koreanischen Familien zu pflegen. Abgesehen davon arbeitet Miyeon Cho selber als Lehrerin an der koreanischen Schule.
Zum Job in der Fricker Badi kam sie zufällig. «Ich las am Empfang, dass eine Kassen-Frau gesucht wird, da habe ich mich beworben.» Der Posten wurde anderweitig besetzt, doch als Teilzeit-Badmeisterin war sie hochwillkommen. Nach zehn Jahren als Familienfrau sei der Job für sie der erste Schritt auf dem Weg zurück in die Berufswelt. «Jetzt, wo der jüngere Sohn auch schon im Kindergarten ist, bin ich flexibler», sagt sie und hofft, dass sich weitere Türen auftun.