«Die Leute auf den Bierbänken riefen uns zu»
10.09.2025 PersönlichIrina Schweighoffer-van Bürck, Teamplayerin im Wegenstettertal
Irina Schweighoffer-van Bürck bringt als Pfarrerin frischen Wind und neue Ideen ins Wegenstettertal. Beim Aargauer Kirchenfest wird sie für einmal einen traditionellen Predigt-, Orgel- und ...
Irina Schweighoffer-van Bürck, Teamplayerin im Wegenstettertal
Irina Schweighoffer-van Bürck bringt als Pfarrerin frischen Wind und neue Ideen ins Wegenstettertal. Beim Aargauer Kirchenfest wird sie für einmal einen traditionellen Predigt-, Orgel- und Abendmahlsgottesdienst gestalten.
Andreas Fischer *
Wir sitzen in Zuzgen hinter dem Kirchgemeindehaus an bunten Tischen mit Sicht ins Grüne. Der Möhlinbach rauscht. «Manchmal», erzählt Irina Schweighoffer-van Bürck, «feiern wir hier am Fluss Taufen». Und auch sonst finde vieles hier draussen statt, Pausengespräche, Sitzungen der Kirchenpf lege, die Friday Night, der Wednesday Chill, das Coffee & Talk. Dem Schreibenden fallen die vielen englischen Bezeichnungen auf. Ob sie dem Einfluss geschuldet seien, welchen die Baslerin auf das Wegenstettertal ausübt? Schweighoffer-van Bürck verneint lachend. «Die Namen entstehen in Ideen-Gruppen», sagt sie. «Da sind oft auch Jugendliche dabei.» Sie arbeite oft in Teams, auch die Gottesdienste entwickle sie meist in Vorbereitungsgruppen. Klassische Predigtgottesdienste biete sie selten an, stattdessen Formate wie «Impuls in der Kirche» und «Kirche Kunterbunt». Stets sei Beteiligung gross geschrieben. «Interessanterweise», stellt die junge Pfarrerin fest, «schreiben sich Predigten dann viel einfacher. Man spricht über das Thema und den biblischen Text, Gedanken, Gefühle, persönliche Erfahrungen kommen zusammen und fliessen ein in die Ansprache.»
Aufgewachsen ist Irina Schweighoffer-van Bürck in Reinach im Baselbiet, zusammen mit ihrem jüngeren Bruder. Die Mutter ist Arztsekretärin, der Vater Kaufmann mit einem eigenen Kleidergeschäft. In Kontakt mit Kirche und Pfarrberuf kam sie im Konfirmandenunterricht, später engagierte sie sich als Freiwillige in der Redaktion des Wochenblatts der Kirchgemeinde, war Hilfsleiterin in Jugendlagern. Nach der Matura arbeitete sie ein halbes Jahr in Kinderheimen in Ghana und in Thailand. «Dort sah ich, wie viel Kraft die Menschen aus dem Glauben beziehen.»
Raus aus der Kirchenbubble
Diese Erfahrung bestärkte ihre Absicht, Theologie zu studieren und Pfarrerin zu werden. Neben dem Studium an der Universität Basel arbeitete Schweighoffer-van Bürck als Religionslehrerin, als Sigristin, in der Buchhaltung des Geschäfts ihres Vaters. Ausserdem war sie in der Skuba, der Studentischen Körperschaft der Universität Basel, als Ressortleiterin und später Vizepräsidentin aktiv. Dort lernte sie ihren späteren Mann kennen, Martin Schweighoffer, der ebenfalls Vorstandsmitglied war. «Lange haben wir nicht zusammen geredet», erzählt Irina Schweighoffer-van Bürck. «Seiner Meinung nach lag es daran, dass ich immer mit irgendjemandem im Gespräch war. Er hatte gar keine Gelegenheit, mich anzusprechen.»
Bei einer Semesterendparty kam es dann doch noch dazu. Er ist Ökonom, arbeitet bei der Roche. «Die Beziehung holt mich aus der Kirchenbubble heraus», sagt Schweighoffer-van Bürck, «und das ist gut so. Es ist immer interessant, seine Meinung zu meinen Predigten zu hören.» Es gelingt der jungen, urban geprägten Pfarrerin offensichtlich, Welten zusammenzubringen. Als damals die Stelle im Wegenstettertal ausgeschrieben war, fuhr sie mit Martin Schweighoffer nach Zuzgen. Dort war gerade ein Dorffest im Gang. «Die Leute auf den Bierbänken riefen uns zu, wir sollen uns dazusetzen. Das war so eine heitere, herzliche Stimmung.» Schweighoffer-van Bürck bewarb sich auf die Stelle und erhielt sie. Vier Jahre ist sie nun dort, mit einem 80-Prozent-Pensum; zusätzlich ist sie zu 20 Prozent als Fachmitarbeiterin im Bereich «Kind und Kirche» bei der Aargauer Landeskirche angestellt. Sie fühlt sich rundum wohl. Und doch stehen Veränderungen an.
Eigentlich wollte Martin Schweighoffer, der die ersten Jahre seines Lebens in Wien verbracht hatte, den Heiratsantrag in einer eigens dafür gemieteten Gondel auf dem Prater machen. Doch dann kam Corona dazwischen. Immerhin eine Gondel auf den Weissenstein war es dann, die er für den Anlass mietete. «Er gab alles», sagt Schweighoffer-van Bürck lachend, «oben warteten die Familien, und Cookie, der Hund, der mich seit dreizehn Jahren begleitet, brachte die Ringe. Es war megaschön.» Inzwischen haben die beiden geheiratet, und im Dezember erwarten sie ihr erstes Kind. «Einst dachte ich, dass ich zu hundert Prozent Mami sein will. Doch jetzt kann ich mir ein Leben ohne Pfarramt kaum mehr vorstellen.»
Kirchenträume
Offenbar kann sich auch die Kirchgemeinde eine Zukunft ohne ihre Pfarrerin kaum mehr vorstellen. Es ist selbstverständlich, dass man gemeinsam Wege sucht, wie sie nach dem Mutterschaftsurlaub mit einem kleineren Pensum wieder einsteigen kann. Sie verstehe sich nicht als Hirtin von Schafen, sagt Schweighoffervan Bürck, und das passe zum Spirit dieser Kirchgemeinde: «Da ist viel Teamgeist. Anders wäre es gar nicht möglich, all das zu stemmen, was in den letzten Jahren entstanden ist.» Auch die Zusammenarbeit mit Möhlin ist essenziell. Den Konfirmandenunterricht führt man gemeinsam durch, gestaltet Gottesdienste zusammen. An sogenannten Mitwirkungsanlässen werden derzeit weiter gehende Szenarien diskutiert, bis hin zu einer Fusion der Kirchgemeinden. «Sie würde», sagt Schweighoffer-van Bürck, «besonders im administrativen Bereich Sinn machen; und insgesamt müssen wir natürlich darüber nachdenken, wie wir Kirche mit kleiner werdenden Mitteln leben.» Doch es sei ihr und der Kirchenpflege wichtig, dass nicht nur das Materielle die Diskussion bestimme. «Unsere Ausgangsfrage lautet: ‹Von welcher Kirche träume ich?› Bei den Anlässen zeigt sich eine starke Sehnsucht nach einer lebendigen und nahbaren Kirche. Sie soll Tradition und Innovation miteinander verbinden, klassische Gottesdienste mit neuen Liedern, niederschwellige Begegnungsräume mit Orten, wo vertieft über den christlichen Glauben nachgedacht und ausgetauscht wird, wie zum Beispiel Glaubenskursen.» Und auch in Bezug auf die Fusion sei man auf der Suche nach einer stimmigen Balance zwischen dem kirchlichen Leben vor Ort und der grossräumigen Kooperation.
All dies sind Themen, die die Kirchgemeinde Wegenstettertal ebenso betreffen wie die gesamte reformierte Aargauer Landeskirche. Schweighoffer-van Bürck denkt intensiv mit beim Reformprozess, der 2021 begann und bis 2030 abgeschlossen sein soll. Beim bevorstehenden Kirchenfest wird sie einen der Festgottesdienste federführend gestalten. Ausgerechnet für den klassischen Orgelgottesdienst in der Aarauer Stadtkirche sei sie angefragt worden, sagt die junge Pfarrerin lachend. Das sei sonst nicht ihr Schwerpunkt, doch im Rahmen der Kirchenreform gelte es, sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Der Gottesdienst mit Irina Schweighoffer-van Bürck findet im Rahmen des Aargauer Kirchenfests am Sonntag, 14. September, um 10 Uhr in der Aarauer Stadtkirche statt. Weitere Informationen: www.aargauer-kirchenfest.ch
*Andreas Fischer ist Pfarrer in der reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden.