Die Kutten sind aus dem Schrank geholt
01.12.2024 RheinfeldenMehrere Familienbesuche am Abend bedürfen guter Planung: Alex Bringolf, Chef der Chlausengilde Rheinfelden, sucht bereits jetzt die besten Routen für die Samichläuse heraus. Seit einem Vierteljahrhundert macht er in Kutte und Bart Kindern Freude.
Boris Burkhardt
...Mehrere Familienbesuche am Abend bedürfen guter Planung: Alex Bringolf, Chef der Chlausengilde Rheinfelden, sucht bereits jetzt die besten Routen für die Samichläuse heraus. Seit einem Vierteljahrhundert macht er in Kutte und Bart Kindern Freude.
Boris Burkhardt
Die Kostüme holt Alex Bringolf unterm Jahr mehrmals aus dem Schrank, um sie auf Mottenfrass zu überprüfen. Doch nun haben in der Chlausengilde Rheinfelden die Vorbereitungen auf die grossen Auftritte rund um den 6. Dezember begonnen: Vor wenigen Tagen traf sich Bringolf erstmals mit den anderen Mitgliedern, um die Aufgaben zu verteilen. Die Anmeldeformulare können ab jetzt über die Homepage chlaus.ch oder per Mail bestellt werden. Der erste Termin, eine Weihnachtsfeier in einem Familienbetrieb, steht bereits am 30. November im Kalender.
Bringolf, 66 Jahre alt, chlaust seit 23 Jahren, lange Zeit als Samichlaus, seit einigen Jahren als Schmutzli. Ihn bringt so schnell zwischen exzentrischen Elternwünschen und unerfüllten Kindererwartungen vom Coca-Cola-Weihnachtsmann nichts mehr aus der Ruhe. «Ich habe langjährige Erfahrung mit Kindern», erklärt Bringolf. Vom pädagogischen Zeigefinger und Strafreden in der Stube hält Bringolf weniger: «Die Rheinfelder Samichläuse sind liebe Samichläuse. Wir wollen strahlende Kinderaugen sehen.»
Nicht als Erzieher unterwegs
Stehe auf der Liste der Eltern, das Kind putze sich nicht die Zähne, frage er dieses subtil, wie denn seine Zahnbürste aussehe. Stehen zu viele negative Eigenschaften auf der Liste, frage er nach positiven: «Ich mache den Eltern klar, dass wir nicht die Erzieher der Kinder sind.» Auch vorgeschriebene Texte der Eltern sind nicht erwünscht: «Die Samichläuse reden frei. Jeder hat seinen eigenen Stil, wie er die Stichworte einbaut.» Bringolf versucht, viele Wünsche zu erfüllen. Was er nicht mag, ist, wenn der Fernseher während seines Besuchs läuft: «Dann sage ich, dass der Samichlaus bei diesem Krach kaum noch etwas hört.»
Bringolfs Aufgabe ist es, die Familienbesuche am 5. und 6. Dezember, dieses Jahr eventuell auch am 7. Dezember, zu koordinieren und Routen zu erstellen, die für ein Samichlaus-Schmutzli-Gespann möglichst kurze Wege bedeuten. Drei Viertel der Kunden bezeichnet Bringolf als Stammkunden: «Der Rest kommt jedes Jahr neu dazu.» Die Einsatzorte der Rheinfelder Samichläuse sind neben der Stadt Kaiseraugst, Magden, Möhlin und Zeiningen.
Erste Anfrage schon sehr früh
Die Hauptaufgabe der Chläuse bleibt der traditionelle Besuch bei den Familien daheim; sie gehen aber wie eingangs erwähnt auch auf Firmenanlässe mit Familien. Die erste Anfrage für dieses Jahr bekam Bringolf bereits im Januar. Ein traditioneller öffentlicher Termin ist der Besuch der Kunsti, wo sich Samichlaus und Schmutzli Sprüche der Kinder anhören und Säckli verteilen.
Auch bei der Verkleidung und der aufwändigen Schminke hat Bringolf mittlerweile notfalls alles alleine im Griff. Ein Rauschebart aus Büffelhaar gehört immer dazu: Wer schon einen Bart hat, bekommt ihn weiss angemalt. Traditionell seien in Rheinfelden schwarze und braune Kutten für Samichlaus und Schmutzli, sag t Bringolf. Auf Wunsch ziehe er auch einen roten Mantel an. Den Sankt Nikolaus im Bischofsordinat machen die Rheinfelder Chläuse hingegen nicht. Weil diese Version in vielen katholischen Gegenden vorherrschend sei, habe er sogar schon eine Anfrage aus Brugg in verzweifelter Suche nach einem roten Samichlaus bekommen: «Ich musste wegen der Entfernung ablehnen.»
Auch hier ein «Fachkräftemangel»
Auch die Samichläuse haben Nachwuchsprobleme: Derzeit sind es vier Samichläuse und vier Schmutzli. Vergangenes Jahr hätten wieder zwei wegen des Alters aufgehört, stellt Bringolf fest. Der Altersdurchschnitt der Chläuse liege über 60: «Es ist schwierig, jüngere zu finden, die noch im Berufsleben stehen. Wenn der Nikolaustag wie dieses Jahr auf einen Werktag fällt, können sie nur abends nach acht Stunden Arbeit Besuche übernehmen.» Termine am Vormittag in Kindergärten und ersten Klasse der Primarschulen übernehmen die Rentner wie Bringolf. Auch Bringolfs Sohn war zwei Jahre dabei: «Er versuchte es. Aber er stellte fest, dass es nichts für ihn war.»
Die Chlausengilde Rheinfelden ist kein reiner Männerclub wie so viele andere Vereine zur Traditionspflege in der Schweiz. Es gab durchaus schon Frauen als Samichlaus und Schmutzli. «Hinter der Maske merkt das keiner», sagt Bringolf – zumindest bis jetzt nie. Auch sonst gibt es keine Ausschlusskriterien: Der kleinste Samichlaus bisher mass 1,55 Meter. Bringolf rät allen Chläusen, sich zu geben, wie sie seien, und nicht ihre Stimme zu verstellen: «DAS merken die Kinder.»
Interessierte Eltern und solche, die gerne chlausen wollen, dürfen sich unverbindlich bei Alex Bringolf (chlausengilde@bluewin.ch) melden.