Die Kunst des Liebens

  14.12.2025 Persönlich

Der Psychoanalytiker Erich Fromm starb 1980 in Ascona. Seine Schriften sind nach wie vor aktuell. Warum? Darauf geht Soziologe Ueli Mäder im Gespräch mit Germanist und Religionspädagoge Henning Kurz ein.

Henning Kurz leitete lange die Volkshochschule Grenzach-Wyhlen. Er ist auch ein musizierender Kabarettist und nähert sich Fromm über die Gebrauchslyrik von Erich Kästner an. Das wirft die Frage auf, was denn Kästner und Fromm überhaupt miteinander zu tun haben. «Ja, es ist heikel, die beiden Erichs miteinander zu vergleichen, trotz des gemeinsamen Vornamens», räumt Kurz ein: «Zumal sie doch in sehr verschiedenen Kontexten unterwegs waren.» Er wage es aber trotzdem. Auch deshalb, weil Fromm und Kästner seine «Lebens-Autoren» seien und ihn nicht nur streckenweise, sondern dauerhaft begleiteten.

«Kritiker der Gesellschaft»
«Beide waren dezidierte Kritiker ihrer Gesellschaft», fügt Kurz an. Und Kästners «skeptische Melancholie» und «Gebrauchsliteratur» sei für ihn persönlich wie eine Therapie. Ähnliches gelte für Fromms Tiefenpsychologie. Kurz will das unter anderem anhand «Dr. Erich Kästners lyrischer Hausapotheke» veranschaulichen.

Fromm und Kästner seien aber vor allem Humanisten. Und zwar «im wahrsten Sinne des Wortes». Mit der menschlichen Psyche vertraut, regten sie dazu an, sich von Entfremdung und Fremdbestimmung zu befreien. Und beide drückten sich «verständlich und trotzdem tiefgründig» aus.

«Eine Last von den Schultern gefallen»
Kurz wuchs «in einem sehr rigiden religiösen Milieu auf, das von Angst, Enge und Zwang geprägt war». Mit der Lektüre von Fromm sei ihm «eine riesige Last von den Schultern gefallen». So habe er verstanden, wie relativ das sei, was oft mit einem absoluten Anspruch auf Wahrheit behauptet werde, um «Macht über andere Menschen zu erlangen».

Fromms frühem Werk über «Die Furcht vor der Freiheit» (1941) verdankt Kurz «wertvolle Einsichten über autoritäre Einstellungen». Der Psychoanalytiker Fromm ergründe auch entsprechende Verhaltensweisen sehr differenziert. Und er plausibilisiere dabei, «wieso Menschen so häufig gegen ihre ureigensten Bedürfnisse handeln und selbstdestruktiv sind».

Fromms Bestseller ist «Die Kunst des Liebens» (1956). «Das Buch half mir», so Kurz, «ein ganz neues und weniger von symbiotischen Sehnsüchten bestimmtes Liebesverständnis zu entwickeln.» Für Fromm sei Liebe «kein passiver Affekt, sondern eine Kompetenz, die unsere gesamte Persönlichkeit durchdringt». Liebe lasse sich jedenfalls auf keine exklusiv romantische Paarbeziehung reduzieren. Sie beinhalte vielmehr eine reflektierte Beziehung zu sich selbst sowie andern Menschen und der Welt gegenüber. Ja, zu lieben sei eine Kunst. Wir müssten sie lernen und üben, wie das Spielen eines Musikinstruments.

Fromm wäre heute 125 Jahre alt. Und seine Gedanken sind keineswegs passé, betont Kurz «zum kleinen Jubiläum». Ihm imponiert, wie Fromm den Mythos der Konsumgesellschaft kritisiert: «Kaufe und Du wirst glücklich», laute das Credo. Und Fromm setze sich eben eingehend mit dem konformen «Marketing-Charakter» auseinander, bei dem genug nie genug sei. Wer ständig konkurrenz- und geldgetrieben materiellen Idealen nacheifere, verkomme selbst zur Ware. «Haben oder Sein?» (1976) heisst Fromms letzte Monographie. Das «Haben» steht für ein Streben nach immer mehr Anerkennung und Besitz. Mit einem boomenden Wachstum, das die Natur überlastet. Und einer Gier, die Kriege mit verursacht.

Das «Sein» symbolisiert indes ein schöpferisches, friedliches Tun. Mit viel Liebe und einem sozialen Miteinander, ohne sich über andere zu erheben. Hilfreich ist dabei Fromms Frage: «Wer bin ich, wenn ich bin, was ich habe?» (mgt)


Die Kunst des Liebens: Mittwoch, 17. Dezember, um 19.30 Uhr im Hotel Schützen (Bahnhofstrasse 19) in Rheinfelden. Gast: Henning Kurz. Musik: Peter Schmid. Fromm-Literatur präsentiert am Schützen-Talk die Rheinfelder Buchoase am Rhy. Moderation: Ueli Mäder. Eintritt: 15 Franken. Anmeldung über: https://www.schuetzenhotels.ch/de/entdecken


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