«Die Konstante in meinem Leben ist die Nicht-Konstante»
23.02.2025 PersönlichMichael Schiffers vollbepacktes und unvorhersehbares Leben
Michael Schiffer ist amtierender Präsident der Junior Chamber International (JCI) Basel, die sich ehrenamtlich für junge Führungskräfte einsetzt. Nebst seiner regulären Arbeit ein Weg, sich ...
Michael Schiffers vollbepacktes und unvorhersehbares Leben
Michael Schiffer ist amtierender Präsident der Junior Chamber International (JCI) Basel, die sich ehrenamtlich für junge Führungskräfte einsetzt. Nebst seiner regulären Arbeit ein Weg, sich persönlich weiterzuentwickeln. Denn stehen bleiben möchte der 35-jährige Münchwiler auf keinen Fall.
Yasmin Malard
In Michael Schiffers Wohnung steht ein riesiges Standplakat der JCI. Auch auf seinem Hemd ist der Kürzel eingestickt. Ansonsten wirkt er bescheiden und lässig. Im Hintergrund läuft hippe Musik. «Zu Hause trage ich normalerweise Jogginghose», sagt er grinsend. «Das hier ist nur fürs Interview.»
«Es zieht uns gar nichts mehr weg von hier»
Ursprünglich kommt Michael Schiffer aus Deutschland, genauer gesagt aus Kerpen bei Köln. Seit zwölf Jahren lebt er nun in der Schweiz, nach ein paar Jahren ist seine Freundin nachgezogen und mittlerweile haben die zwei mit der gemeinsamen Tochter eine Familie gegründet und ein Leben im Fricktal aufgebaut. «Vom Schlag Mensch sind mir die Fricktaler super angenehm, ich konnte mich schnell mit ihnen identifizieren», erzählt er. In der Nachbarschaft fühlt er sich wohl und mittlerweile richtig verwurzelt. Die Schweizer seien vielleicht ein wenig verschlossen, aber die Menschen in seiner Heimat Köln für seinen Geschmack zu fest das Gegenteil. «Immer etwas heikel, diese Deutschland-Schweiz-Thematik», sagt er lachend. «Aber ganz ehrlich, ich könnte gar nichts Negatives über die Leute hier sagen, auch wenn ich wollen würde. Es zieht uns gar nichts mehr weg von hier.» Und dies, obwohl weder er noch seine Freundin im Fricktal arbeiten. Er habe trotzdem eine gute Weile gebraucht, ganz anzukommen. Während der Uni sei das leichter gewesen; gleiche Interessen, gleiche Altersgruppen und gemeinsame Aktivitäten. «Am Arbeitsplatz ist das schwieriger. Da muss man schauen, dass man nicht nur über Medikamente spricht während und neben der Arbeit.»
Keine Lust, stehenzubleiben
Schiffer arbeitet, seit er in der Schweiz lebt, in der Pharma-Branche, studiert hat er Biotechnologie. In diesen zwölf Jahren durchlebte er intern viele Wechsel, von Mikrobiologie über Virologie bis zu Produktion und Strategie. Eine Weile lang führte er ein biotechnologisches Labor und war in der Prozessentwicklung tätig. Das war ihm ein wenig zu wissenschaftlich gewesen, worauf er sich umorientierte. Momentan ist er in einem, wie er sagt, «richtigen Business-Job» in Bern gelandet. Das Wissenschaftliche vermisse er nun aber doch. «Mal schauen, in zwei oder drei Jahren kann das wieder ganz anders aussehen», sagt er. «Die Konstante in meinem Leben ist die Nicht-Konstante. Ich habe keine Lust stehenzubleiben. Ich will mein Leben lang lernen.»
Menschen, die etwas verändern möchten
Um diesem Wissensdurst und dem Bedürfnis nach persönlicher Weiterentwicklung gerecht zu werden, fing er bei JCI an. Global zählt die apolitische Dachorganisation 200 000 Mitglieder, darunter auch Bill Clinton, in der Schweiz beläuft sich deren Zahl immerhin auf rund 3000. Das Ziel der JCI ist, junge Führungskräfte von 18 bis 40 Jahren zu fördern. In anderen Verbänden, wie dem Rotary-Club, würden sich selten Menschen unter 40 finden. «Junge bringen aber eine lockere Atmosphäre mit und sind sehr aktiv dabei.»
Es sei mehr das Mindset als das Fachliche, was die Mitglieder verbinden würde. «Es sind alles Menschen dabei, die etwas verändern wollen. Wir sprachen von völlig verschiedenen Sachen, aber der Funke sprang rüber.»
Haupt-Hobby
Dem Verband ist lokale, ehrenamtliche Arbeit wichtig. Bei der JCI Basel beinhaltet diese ehrenamtliche Tätigkeit die Organisation von Networking-Events, wie die «Nacht der jungen Leaders», spezifische Training-Workshops, wie z.B. Rhetorikkurse und soziales Engagement, wie die Zusammenarbeit mit der Stiftung «Mehr Leben» für ein Kinderhospiz in Basel. Die Arbeit für JCI, der er sich nach seiner Regelarbeit und nach seiner Familienzeit widmet, sei momentan sein «Haupt-Hobby». Dieses schliesst auch andere seiner Vorlieben, wie das Reisen, mit ein. Die nächsten Studienreisen führen die Teammitglieder nach Tunesien und in die Mongolei.
Interessant ist, Präsident bei der JCI Basel bleibt man nur ein Jahr, dann wird jemand Neues gewählt, damit möglichst viele einen Einblick in die Führungsrolle erhalten. Michael Schiffer hat für seine einjährige Leader-Zeit einiges vor: «Mein Motto ist, alle an Bord zu holen. Nach Covid müssen wir wieder als Team zusammenrücken, denn es ist schwieriger denn je, Leute vor Ort zu bekommen.» Eine grosse Vielfalt an Events ist geplant, damit sich jede und jeder willkommen fühlt. «Ich möchte ein Präsident für alle sein. Auf der einen Seite braucht es Vielfalt, die sehr belebend ist, auf der anderen Seite Tradition, die zusammenhält.»
Dies spiegelt sich wider in seinen Werten, denn wie er sagt: «Jede Meinung ist da, gehört zu werden. Die grössten Erfolge hatte ich, wenn ich meine Meinung zusammen mit anderen in die Waagschale gelegt habe.» Neben der Teamarbeit ist er auch mit seinem Optimismus bisher gut gefahren. «Grundsätzlich versuche ich, niemandem etwas Böses zu unterstellen. Meistens gibt es da ein Missverständnis oder ein Problem im persönlichen Leben der Person. Ich versuche mich dann in die Person zu versetzen und die Sache möglichst konf liktfrei zu lösen. Vielleicht ist dieser Optimismus ein Luxusgut meiner behüteten Kindheit; ich denke einfach nicht, dass jemand dir aktiv Steine in die Wege legen möchte. Niemand steht am Morgen auf und denkt: Heute bin ich ein Arschloch.»
Was richtig führen bedeutet
Was die Redaktorin am Ende des Gesprächs doch noch Wunder nimmt: Wie lässt sich dieser aufstrebende gewinnorientierte Wunsch nach Führung mit dem beschriebenen Sozialen vereinen? Das sei eben gerade der Punkt, meint er. Gewinn sei nicht gemessen am ökonomischen Wachstum, sondern an der Qualität des Führungspersonals. «Es geht darum, dass die Leute, die in der Wirtschaft sind, gute Leute sind. Führungskräfte, die richtig führen können, und dies nachhaltig und sozial.»