Die Geschichte einer Scharfrichter-Dynastie
13.12.2023 RheinfeldenDer letzte Henker von Rheinfelden
Der Rheinfelder Familienforscher Jürgen Rauber hat die Geschichte der Scharfrichter-Familie Mengis recherchiert und im Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung publiziert. Eine spannende Lektüre.
Valentin ...
Der letzte Henker von Rheinfelden
Der Rheinfelder Familienforscher Jürgen Rauber hat die Geschichte der Scharfrichter-Familie Mengis recherchiert und im Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung publiziert. Eine spannende Lektüre.
Valentin Zumsteg
Es war ein Zufall, der den Rheinfelder Familienforscher Jürgen Rauber auf die Spur der Scharfrichter-Familie Mengis führte: «In einer Seitenlinie meines Stammbaums stiess ich auf eine Anna Mengis, die 1781 in Schwarzenegg BE den Wasenmeister Johann Jakob Müller geheiratet hatte. Anna war die Tochter des Scharfrichters Martin Mengis (1737-1804) von Tenniken BL», hält Rauber fest. Den Namen Mengis kannte Rauber wohl, denn in Rheinfelden gibt es noch heute regelmässig Stadtführungen über den Scharfrichter Theodor Mengis, den letzten Henker von Rheinfelden. Die Neugier war geweckt, Jürgen Rauber tauchte tief in die Archive ein und verfasste einen fast 40-seitigen Artikel, der soeben im Jahrbuch 2023 der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung erschienen ist.
Nachrichter, Carnifex und Scharfrichter
«Ich habe mich richtig in das Thema verbissen. Ich wusste, dass es in der ganzen Schweiz Mengis gab und dass Verbindungen bestehen müssen», erzählt Rauber. Dank seiner akribischen Recherche konnte er sie schliesslich nachweisen: Im Jahre 1582 wählte der Grosse Rat von Rheinfelden den «Meister Balthasar Menger von Eberspach» als neuen Nachrichter und Wasenmeister (Abdecker). In der Literatur und in den Quellen wird der Begriff «Henker» selten verwendet. In frühen Quellen liest man vom «Nachrichter» oder «Carnifex», aber auch vom Scharfrichter ist die Rede. Der neue Scharfrichter, der in den Quellen danach unter dem Namen Mengis erscheint, übernahm seine neue Stelle zu denselben Bedingungen, wie sie sein Vorgänger Balthasar Gendtner 1576 ausgehandelt hatte und er wurde Stammvater der in der Schweiz weit verzweigten Familie Mengis. In den Kirchenbüchern von Rheinfelden, die 1579 beginnen, ist der Name Mengis erstmals 1602 (Ehe des Hieronymus Mengis, Carnifex) verzeichnet. Von seinen Kindern sind Christoph (um 1570), Eva (um 1572) und Hieronymus (um 1575) aus amtlichen Dokumenten bekannt.
«Nicht aus Liebhaberei Scharfrichter geworden»
Der Beruf des Wasenmeisters, der oft auch als Scharfrichter wirkte, war seit Jahrhunderten geächtet und wurde nur von wenigen Familien ausgeübt. «Diese waren durch ein enges, oft verwandtschaftliches Netzwerk miteinander verbunden, denn eine Heirat mit ehrbaren Leuten kam nicht in Frage. Oft mussten geeignete Ehepartner weit hergeholt werden, wofür man lange Reisen auf sich nahm», schreibt Rauber. Er folgt den Spuren der Familie unter anderem in Schwyz, Luzern, Sursee, Frauenfeld, Tenniken, Basel – und Rheinfelden. Hier lebte mit Theodor Mengis (1839-1918) der wohl prominenteste Vertreter der Familie. Er vollstreckte von 1879 bis zu seinem Tod sämtliche in der Schweiz von Zivilgerichten gefällten Todesurteile. Da das Scharfrichteramt aber zu wenig zum Leben abwarf, hat er nach dem Tod seines Vaters dessen Ziegelhütte übernommen. 1882 ging der Betrieb allerdings in Konkurs, die Ziegelei wurde versteigert. «Die manuell hergestellten Mengis-Ziegel zeichneten sich übrigens durch eine besondere Langlebigkeit aus: Laut dem Rheinfelder Dachdecker Stefan Obrist sollte heute noch mindestens ein Haus in Rheinfelden mit Mengis-Ziegeln gedeckt sein», hält Rauber fest. Er zeigt auch die menschliche Seite des letzten Henkers: «Aus Liebhaberei sei er gewiss nicht Scharfrichter und wenn er ein reicher Herr wäre, könnte seinetwegen köpfen, wer wollte.»
Die Publikation kann auch von Nichtmitgliedern der Schweizerischen Gesellschaft für Familienforschung erworben werden: Schriftenverkaufsstelle Anita Weibel-Knupp, Aumattstrasse 3, 5210 Windisch, 056 460 90 60. Mail: schriftenverkauf@sgffweb.ch