«Die Gansinger zeigten Verständnis»
23.06.2023 PersönlichTour de Suisse-Direktor Olivier Senn im Interview
Der VMC Gansingen sprang als Organisator für die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft ein und hätte gestern Donnerstag dieses Rennen durchführen sollen. Wegen des Todesfalls von Gino Mäder an der Tour de Suisse wurde der ...
Tour de Suisse-Direktor Olivier Senn im Interview
Der VMC Gansingen sprang als Organisator für die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft ein und hätte gestern Donnerstag dieses Rennen durchführen sollen. Wegen des Todesfalls von Gino Mäder an der Tour de Suisse wurde der Anlass abgesagt. Olivier Senn (52) ist nicht nur der Tour de Suisse-Direktor, sondern auch Mitglied des VMC Gansingen.
August Widmer
NFZ: Herr Senn, wie ist die Gemütslage, jetzt wo sowohl die Tour de Suisse der Männer als auch der Frauen vorbei ist?
Olivier Senn: Das ganze Team und auch ich persönlich waren froh, dass es nach der Tour de Suisse der Männer noch eine Tour de Suisse der Frauen gab. So konnten wir uns auf eine neue Aufgabe konzentrieren und Abstand von den Geschehnissen gewinnen. Den Helfern war stets selber überlassen, ob sie weitermachen wollten oder nicht. Bei 220 Personen ist dies keine einfache Aufgabe. Jeder Mensch verarbeitet einen Schicksalsschlag anders. Dazu ein Beispiel: Ein Teammitglied sagte uns am Freitagabend, dass er nicht mehr mitmachen könne und nach Hause gehe. Am Samstagmorgen stand er wieder da und sagte, dass es ihm in unserer Gemeinschaft besser gehe als zu Hause.
An der Medienkonferenz vor der Tour de Suisse wurden Sie gefragt, ob es am 16. Juni einen Gedenkanlass für den vor 75 Jahren am Susten gestorbenen belgischen Rennfahrer Richard Depoorter gäbe. Nun ist am gleichen 16. Juni Gino Mäder verstorben. Wie gehen Sie mit dieser traurigen Parallele um?
Das ist eine tragische Parallele, dürfte aber letztlich Zufall sein. Vor dem Start zur Etappe von Fiesch nach La Punt am 15. Juni machten wir eine Gedenkminute zu Ehren des vor 75 Jahren verstorbenen Rennfahrers. Dort war auch Gino Mäder dabei. In der Abfahrt von der Albula stürzte er dann schwer und erlag einen Tag später seinen Verletzungen. Dass diese Gedenkminute und der schwere Sturz so nahe beieinander lagen, machte mir mehr zu schaffen, als dass beide Todesfälle am 16. Juni passierten.
Der VMC Gansingen sprang als Organisator für die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft ein. Dies weil das Rennen nicht wie vorgesehen im Zürcher Oberland stattfinden konnte. Nun wurde diese Meisterschaft im letzten Moment abgesagt und fand auch in Gansingen nicht statt.
Tatsächlich lief es mit der Zeitfahr-Schweizermeisterschaft nicht so, wie wir es erhofft hatten. Der VMC Gansingen wollte in die Bresche springen, weil es sich abzeichnete, dass wir für die Meisterschaftsstrecke im Zürcher Oberland innert vernünftiger Frist keine Bewilligung erhielten. Die Meisterschaft sollte vom Tour de Suisse-Team zusammen mit dem VMC Gansingen organisiert werden. Ich fühlte mich nach den Vorkommnissen der Tour de Suisse dazu nicht mehr imstande und wollte es auch meinem Team nicht mehr zumuten.
Wie wurde es im VMC Gansingen aufgenommen, dass die Zeitfahr-SM so kurzfristig abgesagt wurde?
Abgesagt wurde die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft nicht vom VMC Gansingen, sondern von uns als Organisatoren der Tour des Suisse sowie vom Verband. Obwohl die Gansinger einiges an Vorarbeit geleistet haben, zeigten sie für den Entscheid Verständnis. Meinen Kolleginnen und Kollegen vom VMC Gansingen danke ich ganz herzlich fürs Verständnis und für die geleistete Vorarbeit.
Die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft ist nach den Aussagen des Verbandes Swiss Cycling für 2023 nicht abgesagt, sondern in die zweite Saisonhälfte verschoben. Wird die Schweizermeisterschaft im Zeitfahren zu einem späteren Zeitpunkt in Gansingen stattfinden?
Es steht noch nicht fest, wo in der zweiten Saisonhälfte die Zeitfahr-Schweizermeisterschaft stattfinden wird. Dies, weil wir noch nicht mit dem VMC Gansingen darüber gesprochen haben, ob sie dies wollen und können. Selbstverständlich würden wir den Anlass sehr gerne in Gansingen durchführen. Allerdings ist es in der zweiten Saisonhälfte nicht einfach, ein geeignetes Datum zu finden. Die Meisterschaften finden fast in allen Ländern vor dem Start zur Tour de France statt. Dann gibt es nirgendwo Rennen. In der zweiten Saisonhälfte gibt es diese geschützten Daten nicht. Es dürfte schwierig werden, ein passendes Datum zu finden.
«Die Sicherheit ist das oberste Gebot»
NFZ: Nochmals zurück zum tödlichen Unfall: Kann man schon sagen, wie es mit der Tour de Suisse weitergeht? Gibt es Änderungen bei der Streckenführung?
Olivier Senn: Im Moment ist es noch zu früh, um dazu etwas zu sagen. Nach wie vor ist unklar, wieso es zu diesem folgenschweren Sturz kam. Zu sagen ist, dass wir von der Tour-Organisation von den Fahrern immer wieder hören, dass die Schweizer Rundfahrt eines der sichersten Rennen sei. Wir können die Strecke zwar nicht wie bei der Tour de France stundenlang für den gesamten Verkehr sperren. Aber mit unserem System der rollenden Vollsperrung ist sichergestellt, dass bei der Passage der Rennfahrer keinerlei Verkehr auf der Strasse ist. Die Sicherheit für die Rennfahrer ist für uns das oberste Gebot. Wir sind mit den Organisatoren der Flandern-Rundfahrt eine Zusammenarbeit eingegangen. Die Sicherheit ist einer der Bereiche bei dieser Zusammenarbeit. Wir werden uns zum Thema sicher intensiv austauschen und gegenseitig voneinander lernen können. (aw)