Der weite Weg von Diyarbakir nach Laufenburg
31.07.2023 Laufenburg
Emin Mehmet Yilmaz, Trainer von Smash 05 Laufenburg-Kaisten
Als Kurde musste er aus der Türkei fliehen. Als Volleyballer wurde er bei seiner Ankunft in der Schweiz mit offenen Armen empfangen. Heute lebt Emin Yilmaz in Rheinsulz und engagiert sich ehrenamtlich als Trainer bei Smash ...
Emin Mehmet Yilmaz, Trainer von Smash 05 Laufenburg-Kaisten
Als Kurde musste er aus der Türkei fliehen. Als Volleyballer wurde er bei seiner Ankunft in der Schweiz mit offenen Armen empfangen. Heute lebt Emin Yilmaz in Rheinsulz und engagiert sich ehrenamtlich als Trainer bei Smash 05 Laufenburg-Kaisten.
Jordi Küng
Die NFZ hatte mit Emin Yilmaz den Interview-Termin auf Freitag um 14 Uhr am Bahnhof Laufenburg festgesetzt. Bereits um 13.50 Uhr kam dieser ausgewiesene Volleyball-Lehrer per Fahrrad aus Rheinsulz zum vereinbarten Treffpunkt. Das Gespräch war – aus sprachlichen Gründen – nicht ganz einfach, doch man sagt, dass der Sport eine universale Sprache habe. Yilmaz spricht nach 22 Monaten bereits ordentlich Deutsch, eine profunde Konversation ist aber noch schwierig.
Um den 45-Jährigen zu verstehen, muss man dessen Hintergrund kennen. Und der ist politischer Natur. Geboren und aufgewachsen ist Emin Yilmaz in der Zwei-Millionen-Stadt Diyarbakir in Südostanatolien. Diyarbakir grenzt an Syrien und gilt als «die Hauptstadt der Kurden». Sportteams haben es nicht einfach – es ist bekannt, dass sich kurdische Mannschaften, und vor allem jene aus der Hauptstadt, gerade bei Auswärtspartien vielen Aversionen ausgesetzt sehen.
Emin Yilmaz, heute Übungsleiter in Laufenburg, f lüchtete im Spätfrühling 2021 in die Schweiz. Die ersten Tage verbrachte er in einem Lager in Bern, dann ging es weiter nach Basel. Eine Sozialarbeiterin schrieb alle Schweizer Volleyball-Vereine an, denn es ist eine Ausnahme, dass solch eine Kapazität ins volleyballerische «Niemandsland Schweiz» gelangt.
Laufenburg-Kaisten reagierte als erster Klub – und wenig später ist der charismatische Emin Yilmaz im Fricktal aktiv. Aus einem Asylbewerber wurde schnell ein anerkannter Flüchtling, der eine Jahresbewilligung besitzt. Seine Familie verbringt aktuell die Sommerferien bei ihm in Rheinsulz. Im Gespräch mit der NFZ äussert er den Wunsch, endlich arbeiten zu können. «In einer Fabrik, in einer Werkstatt – ich bin für alles offen», so Yilmaz. Denn eines dringt im Gespräch mit dem Kurden durch. Bei Smash 05 Laufenburg ist er ehrenamtlich tätig.
«Ich bin dem Verein unendlich dankbar für die Aufnahme. Meine Mannschaft, die Juniorinnen und Junioren des Vereins, der Vorstand – alle waren und sind hilfreich und machen mir die Integration viel leichter», so Yilmaz. Als Dank lud er am Ende der Spielzeit 2022/23 den gesamten Verein zu einem kurdischen Barbecue ein.
NFZ: Herr Yilmaz, dürfen wir ein paar Eckdaten zu Ihrer Person haben?
Emin Yilmaz: Ich wurde am 1. Februar 1978 in Diyarbakir geboren, wo ich bis August 2021 gelebt habe. Ich bin verheiratet, meine Gattin ist Lehrerin und wir haben zwei Kinder; eine dreijährige Tochter und einen 19 Monate alten Sohn.
Können Sie uns Ihre sportliche Laufbahn schildern sowie die bisherigen Trainerstationen?
Als Aktiver habe ich 15 Jahre lang Volleyball in der dritten und zweiten türkischen Division gespielt. Mit meinen 180 Zentimetern bin ich, für Volley-Verhältnisse, relativ klein. Doch ich hatte eine enorme Sprungkraft von über einem Meter. Anfangs war ich Diagonal-Angreifer, in den letzten Jahren meiner Laufbahn war ich Libero (Réception). Als Trainer habe ich zuerst in meiner Heimatstadt die Juniorinnen trainiert, danach Frauen- und Männerteams der 2. Division. Zuletzt war ich Assistenztrainer bei einem Klub der obersten Spielklasse.
Die Türkei ist eine grosse Volleyball-Nation, die Schweiz weniger. Hatten Sie keinen sportlichen Kulturschock, als sie Volley Smash 05 Laufenburg-Kaisten übernahmen?
Die Türkei ist eine grosse Volleyball-Nation; die 1. Division der Frauen gilt weltweit als stärkste Spielklasse. In meiner Heimat ist Volleyball ein sehr populärer Sport, der professionell betrieben wird. Dies ist in der Schweiz nicht der Fall. Mit wenigen Ausnahmen ist Volleyball für Schweizerinnen und Schweizer ein Hobby, eine Passion. Und man will «nur» spielen und Spass haben.
Laufenburg spielte viele Jahre in der Nationalliga B oder sogar in der Landeselite (Nationalliga A). Im Sommer 2018 erfolgte ein totaler Rückzug in die 3. Liga. Haben Sie davon Kenntnis gehabt respektive genommen?
Man hat mir gesagt, dass Laufenburg vor zehn Jahren eine Grösse im Schweizer Volleyball war und der Verein über eine breite Basis verfügt. Sehr viele Menschen haben ganz viel Herzblut für Smash 05 Laufenburg-Kaisten und engagieren sich. Wir sind eine grosse Familie, das kommt mir sehr entgegen.
Die 1. Männer-Mannschaft hat sich in der 2. Liga etabliert. Welches sind die Zielsetzungen für die neue Saison 2023/24? Und wie steht es um die Nachwuchsförderung im Verein?
Nach dem Neuanfang arbeiten wir kontinuierlich daran, wieder in höheren Klassen zu spielen. In der letzten Saison hat meine Mannschaft als Aufsteiger sehr gute Leistungen gezeigt und sich unter zehn Teams gleich auf dem 4. Platz etabliert. Besonders stolz bin ich, dass wir als einzige Equipe die bis dato ungeschlagene Mannschaft von Volley Schönenwerd, die mit ihrem Fanionteam erstmals Schweizer Meister wurden, schlagen konnten. Das zeigt, dass Laufenburg-Kaisten über viel Potenzial verfügt.
Bestehen Ambitionen, mittelfristig wieder in der Nationalliga B, oder gar im «Oberhaus» zu spielen?
Das ist derzeit kein Thema. Wichtig ist, dass wir weiterhin hart arbeiten, intensiv trainieren – und dann bin ich überzeugt, dass wir gute Resultate erzielen werden.