Als der 2. Weltkrieg zu Ende ging, gab es zwar noch eine Brücke zwischen den beiden Rheinfelden, aber sonst nicht mehr viel Verbindendes. Deutschland lag in Trümmern, die meisten Schweizer hassten und fürchteten die Deutschen. Wie haben die beiden Rheinfelden den Kontakt zueinander ...
Als der 2. Weltkrieg zu Ende ging, gab es zwar noch eine Brücke zwischen den beiden Rheinfelden, aber sonst nicht mehr viel Verbindendes. Deutschland lag in Trümmern, die meisten Schweizer hassten und fürchteten die Deutschen. Wie haben die beiden Rheinfelden den Kontakt zueinander wieder gefunden, wie wurden sie wieder gute Nachbarn und Freunde? Das war das Thema eines Gesprächs mit Zeitzeugen im Fricktaler Museum in Rheinfelden am Mittwochabend.
Edi Strub
Auf dem Podium sassen die Politikerin Béa Bieber, der es immer ein grosses Anliegen war, die beiden Städte einander näher zu bringen. Neben ihr Rolf Brugger, der auf beiden Seiten wohnte, arbeitete und Geschäfte betrieb, und rechts von ihm Klaus Heilmann, pensionierter Lehrer und ehemaliger Stadtführer. Nicht fehlen durfte natürlich der ehemalige Oberbürgermeister von Rheinfelden Baden Eberhardt Niethammer und schliesslich, wiederum aus der Schweiz, Heidi Leemann, die während Jahrzehnten so nahe an der Grenze beim Schweizer Zoll wohnte, dass ihr die Entwicklung von der Abschottung nach dem Krieg bis zum neuen Zusammensein täglich vor Augen war. Einfühlend moderiert wurde das Gespräch von Lotti Berner, die ebenfalls fast ein halbes Jahrhundert in Rheinfelden und Umgebung verbracht hat.
Wie war die Stimmung nach den Kriegsjahren? – Man sei sehr misstrauisch gewesen. Auf beiden Seiten meinte das Panel. Es habe sehr lange gedauert, bis man wieder Kontakt suchte. Auf offizieller Seite sogar noch länger als von Mensch zu Mensch. Der Durchbruch sei eigentlich erst mit Stadtammann Richard Molinari und seinem Nachfolger Hansruedi Schnyder gekommen, erklärte Ex-Oberbürgermeister Klaus Eberhardt aus Rheinfelden Baden. Gemeinsam hätten die beiden Rheinfelden (auf deutscher Seite noch unter Herbert King) Mitte der 70-er Jahre ein Vorhaben an die Hand genommen: der gemeinsam finanzierte Bau einer Kunsteisbahn auf Schweizer Seite. Das sei sozusagen der Handschlag gewesen, der eine neue Zeit, ein «Miteinander» über die Grenze und die schwierige Vergangenheit hinweg einläutete. In den folgenden Jahren hätten er, Eberhardt, und die Schweizer «Stadtoberhäupter» sich jede Woche im «Schiff», beim «Graf» oder auf der deutschen Seite zum Kaffee getroffen. Das sei grosser Schritt gewesen.
Noch ganz anders war die Stimmung, als die Eltern von Ex-Stadtrat Hans Gloor sich (1957) entschieden, von Beinwil nach Rheinfelden zu ziehen, weil Vater Gloor hier eine Stelle als Stadtkassier antreten konnte. Ob sie wirklich so nahe zu den «Dütschen» ziehen wollten, hätten die Beinwiler Dorfbewohner beim tränenreichen Abschied besorgt gefragt. Die Schrecken des Kriegs und des Nazitums seien noch nicht verarbeitet gewesen, erklärte Hans Gloor in der abschliessenden offenen Diskussion. Doch bald habe er zusammen mit jungen Musikern «vo däne» Musik gemacht. Die Deutschen hätten sehr gut gespielt und viel dazu beigetragen, dass es mit der Stadtmusik auf Schweizer Seite aufwärts ging.
Erste Kontakte zwischen den Bevölkerungen beider Städte hatte es zwar schon früher gegeben. Vorerst als Nothilfe: Der Frauenverein in Rheinfelden Schweiz habe kurz nach dem Krieg Suppe gekocht für die unterernährten Kinder aus Rheinfelden Baden und Umgebung. Drei Mal in der Woche 1400 Portionen, erzählte ein Zeitzeugin aus dem Publikum. Eine grosse Rolle bei der Annäherung habe auch die Fasnacht gespielt, erzählten Béa Bieber und Rolf Brugger. 1980 habe es den ersten grenzüberschreitenden Umzug gegeben. Ein weiterer Meilenstein.
Heidi Leemann und Béa Bieber erinnerten sich auch an die ersten amourösen Annäherungen zwischen deutschen Burschen und Schweizer Mädchen im Schwimmbad. Die deutschen Jungs seien irgendwie flotter gewesen als die einheimischen. Umgekehrt erinnerten sich Schweizer Männer in der Diskussionsrunde an die deutschen Mädels in ihren Bikinis. Das habe es in der Schweiz damals noch nicht gegeben. Moderatorin Lotti Berner bat dann die Anwesenden in der Runde, die in gemischten Ehen leben, die Hand hochzustrecken. Es waren sehr viele und das Gelächter darob sehr gross. Ins selbe Kapital gehört wohl das avanciertere Filmprogramm auf der deutschen Seite. Da habe man sich nicht nur «Ben Hur» ansehen können, sondern auch die Filme vom Aufklärer der deutschen Nation, Oswalt Kolle (Das Wunder der Liebe usf.), schmunzelte Jürg Mohler. Ausserdem habe es in Deutschland schöne Eisdielen gegeben, wo man sich anschliessend in der Kunst des Flirtens üben konnte. Auch das sei sehr städteverbindend gewesen.