Was wäre, wenn Lebensenergie aus Fremdbestimmtheit entstünde?
Oder weshalb es lohnt, die bequeme Ohnmacht durch Eigenkraft zu ersetzen.
Wie weit sind wir souveräne Regisseure unseres Daseins oder trainierte Schauspieler auf einer ...
Was wäre, wenn Lebensenergie aus Fremdbestimmtheit entstünde?
Oder weshalb es lohnt, die bequeme Ohnmacht durch Eigenkraft zu ersetzen.
Wie weit sind wir souveräne Regisseure unseres Daseins oder trainierte Schauspieler auf einer Bühne, deren Drehbuch andere schreiben? Die Vorstellung, das eigene Leben autonom nach eigenen Werten und Zielen zu gestalten, gehört zu unseren tiefsten Bedürfnissen. Menschen, die sich als selbstbestimmt erleben, berichten von höherer Motivation, Zufriedenheit und psychischer Gesundheit. Doch diese Selbstregie entpuppt sich bei genauerem Hinsehen oft als Illusion. Fremdbestimmung lauert überall und ein nüchterner Blick zeigt: Sachzwänge, gesellschaftliche Normen, innere Denkgewohnheiten und soziale Rollen engen unsere Autonomie massiv ein.
Doch liegt unsere Machtlosigkeit nur an den Umständen? Vermeintliche Ohnmacht und das Klagebedürfnis sind selten Schicksal, sondern oft eine Entscheidung: Wer sich in die Opferrolle flüchtet, überlässt anderen die Regie über das eigene Leben. Psychologen sprechen von «erlernter Hilflosigkeit» – dem fatalen Glauben, nichts ändern zu können, selbst wenn Spielräume existieren. Doch wo verläuft der schmale Grat zwischen dem unveränderbaren Gegenwind des Lebens und selbstgeschaffenen Denkzwängen? Die Antwort liegt hinter der Kulisse: Auf der «Hinterbühne» unseres Lebens – jenseits des normierten Rollenspiels der Vorderbühne – können wir Handlungs- und Gestaltungskraft zurückgewinnen.
Produktive Resignation könnte ein Ausweg sein: akzeptieren, was wir nicht ändern können, aber entschlossen gestalten, was in unserer Reichweite liegt. Es geht nicht um einen naiven Optimismus, sondern um kluge Hoffnung. Wer die Gestaltungsspielräume auf der Hinterbühne nutzt, entdeckt: Wahre Selbstbestimmung beginnt dort, wo wir aufhören, uns über das Unvermeidliche zu beklagen – und anfangen, das Mögliche beherzt zu ergreifen.
Zwei persönliche Reflexionsfragen:
• Wo in meinem Leben spiele ich eine Rolle, statt Regie zu führen?
• Was wäre, wenn ich meine «Hinterbühne» als Ort der Kraft und Freiheit nutzte?
Sprechverbot – die Einladung für ein persönliches Experiment:
Der Gebrauch der Konjunktion «aber» kann dazu führen, die Opfer- und Exkulpationshaltung zu verstärken. «Aber» hebt die Hindernisse oder Unzulänglichkeiten im Umfeld hervor und kann das Selbstmitleid erhöhen. Mit dem Gebrauch des Wortes relativieren wir auch die eigene Verantwortung und den Eigenbeitrag. Pointiert könnte man sagen: Alles, was ich vor dem Wort «aber» gesagt habe, gilt nicht. Das empfohlene Experiment lautet: Verbannen Sie das Wort «aber» konsequent aus Ihrem persönlichen Wortschatz und ermutigen Sie Ihr Umfeld, dasselbe zu tun.
Wir sind gespannt auf Ihre Erfahrungen. Ihre Meinung interessiert uns: redaktion@nfz.ch
Die «Denkreise» will aufrütteln – leise, aber nachhaltig. Jede Etappe bietet eine Möglichkeit, die eigene Erfahrungswelt kritisch zu hinterfragen. Denken jenseits der Norm kratzt an Gewissheiten. Es weitet den Blick für das, was denkbar ist. Machen Sie mit. Denken Sie mit. Und vielleicht auch: Denken Sie um!