Das Warten auf das Tram, das nie gekommen ist, hat jetzt ein Ende

  04.12.2025 Rheinfelden

Nächster Halt: Rheinfelden, Neujahrsblätter

Mal federleicht und humorvoll, mal tiefgründig. Das sind die Rheinfelder Neujahrsblätter 2026, Chronik einer Stadt.

Ronny Wittenwiler

Und sofort wird man nachdenklich. Lotti Berner, Präsidentin der Neujahrsblattkommission, hat das zu verantworten. «Gewaltfreiheit ist mehr als die Abwesenheit physischer Gewalt, es ist eine Haltung, die dem gegenseitigen Respekt, der Empathie, dem Wunsch nach Gerechtigkeit und Verständnis entspringt.»

Die Zeitzeugen von damals noch einmal an einem Tisch
Lotti Berner hat das Vorwort zur aktuellen Ausgabe der Rheinfelder Neujahrsblätter geschrieben. Als «hochaktuell» bezeichnet Kommissionskollege Peter Schmid ihre gewählten Worte, «sorgfältig, unaufgeregt, mit Empathie». Durchaus Spiegelbild heutiger Entwicklungen – «Gewaltfreiheit braucht einen langen Atem und muss oft Gewalt von der Gegenseite ertragen können» – ist das Vorwort unter anderem einem Schwerpunkt der Neujahrsblätter gewidmet: Dem gewaltfreien Widerstand und Protest gegen den Bau des AKW in Kaiseraugst. Der Artikel «50 Jahre Kaiseraugst atomfrei» ist eine umfassende Dokumentation der Ereignisse, Autor Peter Schmid bringt Zeitzeugen von damals noch einmal an einen Tisch, und Lotti Berner sagt am Rande der Vernissage zwischen Neujahrsblatt-Kostprobe und Apéro zur NFZ: «Wir brauchen solche Chroniken. Es ist eine Form von Geschichtsschreibung, damit die Dinge nicht vergessen gehen. Plötzlich kann man nicht mehr nachfragen, weil niemand mehr da ist, der Antwort geben kann. Und dann ist es einfach weg.»

Man glaubt es kaum
Und manchmal muss eben auch aufgeschrieben werden, was nicht gewesen war. Um niemals zu vergessen, wovon andere Visionäre träumten. So zum Beispiel von der Strassenbahn, die vom Augarten via Salmen-Brauerei die Fröschweid hinuntersticht und über die Lautsprecher ankündigt: «Ihre nächsten Haltestellen: Marktgasse, Albrechtsplatz, Storchennestturm, Obertorturm, Bahnhof.» 18 Kilometer lang, ab Birsfelden, sage und schreibe 25 Haltestellen, geschätzte Kosten von 900 000 Franken – doch dann war vor über hundert Jahren der Zug abgefahren für diese Tramlinie. «So ist das Konzessionsgesuch von Wilhelm Hetzel eine schöne Vision geblieben», konstatieren die Neujahrsblatt-Autoren Ruedi Hofer und Laura Schleiss und kommen zum Schluss: «Die Vorstellung, dass eine Strassenbahn durch die Marktgasse in Rheinfelden gefahren wäre, gefällt uns trotzdem.»

Eintauchen in verschiedene Welten
Die Neujahrsblätter 2026 sind eine Ode an Rheinfelden und seine Menschen: an einen Stadtammann Franco Mazzi etwa, für den nach 23 intensiven Jahren in der Exekutive – «es braucht Gelassenheit» – eine neue Zeit anbricht; an einen Kunstmaler Viktor Hottinger, der in seine Welt entführt, «eine Welt, die sich nicht in einem ersten Blick erschliesst, sondern in der Tiefe offenbart, was sonst im Alltag verborgen bleibt» (Autor Niklaus Leemann). Dann wären da noch «Die letzte Bäckerei von Rheinfelden», «Die Rheinfelder Ferienkolonie auf dem Bözberg», «100 Jahre Waldfriedhof» und die offen ausgeschenkten Hintergründe darüber, «Wie Rheinfelden mit Feldschlösschen zur Bierhauptstadt der Schweiz wurde». Der Vollständigkeit halber gilt festzuhalten: diese Aufzählung ist komplett unvollständig.

Mal tiefgründig, mal federleicht kommen die Neujahrsblätter daher. «Heute ist kein gewöhnlicher Montag», sagte Lotti Berner an der feierlichen Vernissage im Kurbrunnen auch mit Blick auf dieses erste Türchen, das man am 1. Dezember zu öffnen pflegt. Sie sollte Recht behalten. Und die Neujahrsblätter öffnen weit das Tor zur Geschichte einer Stadt. Damit hat auch das Warten auf das Tram, das nie gekommen ist, ein Ende.


Die Rheinfelder Neujahrsblätter (Auflage 800 Exemplare) sind hier erhältlich: Altstadt Papeterie, Buchoase am Rhy, Stadtbüro Rheinfelden, Toni’s Marktplatz, Fricktaler Museum, Herzog Medien AG.


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