Das Leben und seine Wunder
26.12.2024 BrennpunktHoffnung, Ungewissheit, Angst und grosse Freude: Vom 14. Oktober bis am 12. November erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle.
«War Shiva heute Vormittag zu Hause?», wollte meine Nachbarin an jenem Montagabend, 14. Oktober, von mir wissen. ...
Hoffnung, Ungewissheit, Angst und grosse Freude: Vom 14. Oktober bis am 12. November erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle.
«War Shiva heute Vormittag zu Hause?», wollte meine Nachbarin an jenem Montagabend, 14. Oktober, von mir wissen. «Nein», sagte ich, «leider nicht.» Zusammen mit einer Kollegin hatten meine Nachbarin und ich die Aufgabe, während drei Wochen die beiden Katzen von gemeinsamen Bekannten zu füttern. In der ersten Woche ging noch alles gut. Beide Katzen waren zu den Fütterungszeiten immer anwesend. Dann ist dem Katzenbesitzer in den Ferien in Afrika aufgefallen, dass Shiva ganz früh durchs Katzentörchen ging und an diesem Montag nie mehr heimkam. Das kam uns allen seltsam vor. Wir erhielten Tipps von den Besitzern über Shivas Lieblingsplätze und mit welchen Tricks sie normalerweise angelockt werden kann. Mehrmals haben wir alle möglichen Plätze abgesucht, gingen mit dem Futter in den Garten, während wir den Namen der Katze riefen … alle Versuche blieben erfolglos.
Keiner hat sie gesehen
Zwei Tage später starteten wir die Suchaktion. Wir druckten Vermisstmeldungen, klebten sie gut sichtbar an die Kandelaber, platzierten eine Meldung auf Facebook, klingelten bei allen Nachbarn mit der Bitte, nach Shiva Ausschau zu halten. Niemand hatte sie gesehen. Die Katze war wie vom Erdboden verschluckt.
In den folgenden Tagen erhielten wir vereinzelt Hinweise von Dorfbewohnern, die sich nicht sicher waren, Shiva gesehen zu haben. Wir verfolgten jede Spur, aber keine unserer Aktionen führte zum Erfolg.
Schliesslich trat ich – mit dem Einverständnis der Katzenbesitzer – mit einer Tierkommunikatorin in Kontakt. «Ganz viel Herzschmerz» war das eindeutige Signal, das wir von Shiva erhielten. «Sie ist nicht eingesperrt, sie ist nicht verletzt, aber sie verspürt ganz viel Herzschmerz», meinte die Kommunikatorin. Der Herzschmerz schien mit der Abwesenheit der Besitzer in Zusammenhang zu stehen. Weder Mucki, die zweite Katze im Haushalt, noch wir drei Hüterinnen schienen Shiva über ihren Herzschmerz hinwegzutrösten.
Laut der Kommunikatorin war die Katze zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr weit weg von zu Hause. Wir ermutigten sie, nach Hause zurückzukehren und schickten ihr ganz viel Energie.
Hoffnung
Nach dem einstündigen Gespräch mit der Kommunikatorin spürte ich Hoffnung. Ich war fast sicher, Shiva würde in den nächsten Stunden heimkommen. Was aber folgte, waren weitere Tage der Ungewissheit, des Vermissens, des Traurigseins. Die Rückkehr der Katzenbesitzer kam näher und näher, und von Shiva nach wie vor keine Spur. Selbst, als die Besitzer nach ihrem dreiwöchigen Urlaub wieder in Zeiningen waren, kam Shiva noch immer nicht nach Hause. Unsere Hoffnung wurde immer kleiner, dass die Katze eines Tages unversehrt heimkehren würde. Am 13. November – das Datum haben wir schon vor der Abreise der Katzenbesitzer fixiert – sollte dann das Dankesessen für alle Hüterinnen stattfinden. Wir sahen diesem Tag mit einem mulmigen Gefühl entgegen. Das würde ganz sicher sehr traurig werden ohne Shiva.
Der Anruf aus Staffelbach
Einen Tag vor diesem 13. November sass ich mit einem Kollegen in einem Café. Ich wollte ihm auf dem Handy etwas zeigen und da sah ich, dass mich die Katzenbesitzerin zu erreichen versuchte. Auch schickte sie eine Nachricht «Shiva wurde gefunden». In meinem Kopf schwirrten alle möglichen Gedanken: War das jetzt wirklich eine positive Nachricht? Ist Shiva wohlauf? Wurde sie verletzt oder sogar tot gefunden?
Nach meinem Treffen rief ich sofort die Besitzerin an. Sie informierte mich, dass Shiva einer Frau, die vor kurzem ihre eigene Katze verloren hatte, zugelaufen war. Shiva lebte eine Weile bei ihr, bevor die Frau zum Tierarzt ging, um abzuklären, ob die Katze gechippt war. Die Frau hoffte, dass es nicht so sein würde, weil sie ihr Herz bereits an Shiva verloren hatte. Shiva war aber gechippt, und so konnte der Tierarzt die Besitzer umgehend kontaktieren. Die Frau, welcher Shiva zugelaufen war, wohnte nicht in Zeiningen, auch nicht in Möhlin oder Maisprach, sondern in Staffelbach. Eine Gemeinde im Bezirk Zofingen, die über 60 Kilometer von Zeiningen entfernt ist.
Der Katzenbesitzer wartete nicht, bis seine Frau das Telefongespräch mit der Finderin abgeschlossen hatte. Er holte das Katzenkörbchen, erkundigte sich nach der genauen Adresse und fuhr los. Knapp zwei Stunden später war er mit Shiva zu Hause. Sie hatte in den vier Wochen ziemlich viel abgenommen, hatte aber keinerlei Verletzungen. Es vergingen einige Tage, bis Shiva wieder ganz die Alte war. Mucki war am Anfang über Shivas Heimkehr nicht sehr begeistert. Dafür freuten wir Menschen uns alle umso mehr. Ob Shiva zu Fuss nach Staffelbach kam oder ob sie in ein fremdes Fahrzeug eingestiegen ist, weiss ausser ihr niemand. Auch wird es ihr Geheimnis bleiben, was sie in diesen Wochen genau erlebt hat.
Klar ist, dass sie jetzt wieder daheim bei ihren geliebten Besitzern ist, bei welchen sie schon fast 17 Jahre lebt. Shiva ist wieder da, die Familie vereint und Weihnachten kann kommen.