«Das ist wie ein Sechser mit Zusatzzahl»
01.04.2025 MöhlinÜber den weissen Hirsch von Möhlin
Die Geburt eines schneeweissen Bocks hängten sie nicht an die grosse Glocke. Das Resultat einer Fell-Analyse sorgt nun aber dafür, dass Betreuer der Meler Damhirsche völlig aus dem Häuschen sind.
Ronny ...
Über den weissen Hirsch von Möhlin
Die Geburt eines schneeweissen Bocks hängten sie nicht an die grosse Glocke. Das Resultat einer Fell-Analyse sorgt nun aber dafür, dass Betreuer der Meler Damhirsche völlig aus dem Häuschen sind.
Ronny Wittenwiler
Sie weiden seit fünfundvierzig Jahren im Gebiet «Chilli». Doch zum allerersten Mal überhaupt tanzt nun einer der rehbraunen Damhirsche komplett aus der Reihe. Es ist kein schwarzes Schaf, es bleibt ein Damhirsch, wenn auch ein besonderer: «Wir trauten unseren Augen nicht», sagt Ernst Schürch, einer der Betreuer, als plötzlich ein schneeweisses Hirschkalb auf der Weide neben seiner Mutter lag.
Zuerst dachten alle an die klassische Laune der Natur: ein Albino-Tier, eine Genmutation, die bei allen Wirbeltieren auftreten kann (A lbinos fehlen Farbpigmente, weshalb ihre Haut beziehungsweise ihr Fell sehr hell ist). Insgeheim rechneten Schürch und seine Betreuerkollegen Sepp Holenstein, Bruno Pozzi und Roger Mahrer mit einem solchen Lottosechser. Hierzu ein kleiner Anhaltspunkt: Bei südamerikanischen Nasenbären liegt die Wahrscheinlichkeit für Albinismus bei eins zu einer Million.
Verblüffendes Resultat
Die Ortsbürger, denen die Damhirsche samt Gehege gehören, gaben den Betreuern schliesslich grünes Licht, um mit einer Haarprobe Klarheit zu schaffen. Jetzt liegt die Laboranalyse vor: von wegen Albino. Von wegen Lottosechser. «Das hier ist sogar ein Sechser mit Zusatzzahl», sagt Ernst Schürch. Sein Kollege Bruno Pozzi sagte einmal: «Ich höre immer wieder von Leuten, dass sie noch gar nie hier waren. Andere wissen nicht einmal, dass es in Möhlin Hirsche gibt.» Das könnte sich nun ändern. Denn die Ursache für den weissen Damhirsch-Bock gründet auf einem sogenannten Atavismus, dessen Wahrscheinlichkeit mit jeder Nachfolge-Generation zwar deutlich kleiner wird, aufgrund seiner Halbwertszeit mathematisch aber nie seinen Nullpunkt erreicht. Was furchtbar kompliziert klingt, ist ganz einfach. Schürch erklärt: «Das Resultat der Fellprobe führt zurück auf eine Alpaka-Population in den Anden.» Alpaka, auch bekannt als Pako, ist eine mittlerweile domestizierte Kamelart. Genauso wie Damhirsche, deren Ursprünge in Vorderasien liegen, und die spätestens von den Römern in vielen Regionen Europas eingeführt worden waren, fanden Alpakas über den Schiffsweg ihre Verbreitung auf anderen Kontinenten. Irgendwie und irgendwo müssen sich die Wege von Alpaka und Damhirsch gekreuzt haben – und ja, nicht nur die Wege …
Die an der Uni Remagen in Auftrag gegebene Fellprobe des Meler Bocks identifiziert das Tier jetzt zweifelsfrei als sogenanntes «Dam-Paka» und Schürch scharrt bereits mit den Hufen in freudiger Erwartung darauf, was da noch alles kommen mag an Überraschungen. Immer schon ein Blickfang für Kinder und Familien sind sie gewesen, die Tiere hier. Aber: ein schneeweisser Junghirsch – schöner kann man kaum aus der Reihe tanzen. Eine Umstellung des Menüplans, auch das bestätigen die Fachleute der Universität, sei nicht vonnöten. Und so gibt’s auch für den neuesten Wurf gehäckseltes Trockenbrot, Maiskörner, selenhaltiges Kraftfutter und Baumnüsse. Und manchmal, aber nur manchmal, da fressen die Tiere Ernst Schürch und seinen Kollegen regelrecht aus der Hand. Es ist kaum zu glauben.
So geht es zum Hirschgehege (Richtung GSA Röti): Auf der Landstrasse von Rheinfelden beim Kreisel geradeaus, danach erste Strasse rechts abbiegen (auf gleicher Höhe linkerhand befindet sich der Abzweiger Haldenstrasse in Richtung Dorfzentrum). Nach rund zweihundert Metern befindet sich das Gehege auf der linken Seite.