Das Auto kam per Bausatz nach Hause
28.07.2024 RheinfeldenBenjamin Jacob und seine Strandbuggys
Benjamin Jacob sammelt in Badisch-Rheinfelden Strandbuggys, wie sie in den Sechzigern und Siebzigern in Mode waren, und vermietet sie für Ausfahrten durch den Schwarzwald. Mit rund 30 Stück besitzt er die grösste Sammlung in ...
Benjamin Jacob und seine Strandbuggys
Benjamin Jacob sammelt in Badisch-Rheinfelden Strandbuggys, wie sie in den Sechzigern und Siebzigern in Mode waren, und vermietet sie für Ausfahrten durch den Schwarzwald. Mit rund 30 Stück besitzt er die grösste Sammlung in Europa.
Boris Burkhardt
Zwei Buggys hat Benjamin Jacob mit Schweizer Kennzeichen angemeldet. Echte Strandbuggys mit VW-Chassis und knallbuntem Aufsatz aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die ihre Blütezeit mit der Beatles- und Hippie-Bewegung in den Sechzigern und Siebzigern hatten, bevor das letzte Modell in Jacobs Geburtsjahr 1982 produziert wurde. Echte Strandbuggys, von denen es in der Schweiz nur noch ganz wenige gibt, von denen Jacob aber in seiner Halle in Badisch-Rheinfelden rund 30 Stück stehen hat – und mit denen jeder zahlende Kunde fahren darf.
Der Name ist Programm
Ziemlich versteckt im kleinen Gewerbegebiet hinter dem Hieber Nollingen, erreichbar aus der Schweiz über den Autobahnzubringer Rheinfelden-Mitte, hat Jacob die Firma Black Forest Buggy gegründet. Der Name ist Programm: Wer einen Fahrausweis fürs Auto hat, darf hier nach kurzer Einführung allein oder in der Gruppe mit einem Führer durch den Schwarzwald… – das richtige Wort für lediglich 70, 80 Stundenkilometer im Fahrtwind ohne Dach und Türen ist: cruisen. Zwar war ein solcher VW-Buggy schon der Kindheitstraum Jacobs; dass er aber einmal Besitzer so vieler Sammlerstücke und Inhaber einer Firma sein würde, die sie verleiht, hätte er sich nie träumen lassen. Von Singen am Hohentwiel verschlug es ihn beruf lich nach Rheinfelden-Herten, bevor er 2008 im Baselbiet sein eigenes Unternehmen für Sicherheitstechnik gründete und seither in Allschwil wohnt. Die Buggys liess er aber in Badisch-Rheinfelden.
Seinen ersten VW-Buggy, einen orangenfarbenen Apal, den er selbst zusammenbaute, erwarb Jacob 2011. Er nannte ihn sinnigerweise «Nr. 1». Als er drei Fahrzeuge hatte, musste er sich Gedanken machen, wie er seine Sammlung finanzieren wollte. Auf einer Party nachts um drei kam er in seinem Freundeskreis auf die Idee, die Buggys zu vermieten. Er stellte schnell fest, dass ein Verein, wie zunächst angedacht, nicht die richtige Form dafür war. In der Firma Black Forest Buggy, die er 2017 gründete, gibt es einen hauptamtlich Angestellten für die Verwaltung: Alle anderen, Mechaniker, Liebhaber und Tourführer, arbeiten wie er selbst ehrenamtlich.
Zu jedem Fahrzeug die Geschichte
Heute hat Jacob laut eigener Aussage die grösste Sammlung historischer Buggys in Europa – in Rheinfelden und auf Mallorca. Die Fahrzeuge stammen aus der gesamten Zeitspanne ihrer Produktion von 1969 bis 1982, hauptsächlich von den europäischen Herstellern Apal in Belgien, Albar in der Schweiz und AHS in Deutschland. Vor allem in Belgien gibt es laut Jacob viele Buggys; in Schweden benutzten die Landwirte sie noch immer auf den Feldern. Nur ein Fahrzeug, «The General», stammt aus den USA und trägt als Dach sogar eine der US-Flaggen vom White House, die jährlich für einen fünfstelligen Betrag versteigert werden.
Alle Buggys haben Namen, die schnell einleuchten: «Malle» wurde auf Mallorca gekauft, «Homer» ist gelb wie das Familienoberhaupt der Simpsons, «Fucking Fast» ist mit seinem Porsche-Motor genau das; «Rotkäppchen» hat ein schwarzes Dach auf dem roten Aufsatz und «U-Boot» einen hochgebogenen Auspuff. Zu jedem Fahrzeug hat Jacob die Geschichte recherchiert: Manche seien 25 Jahre in einer Scheune gestanden und unter der Staubschicht kaum noch zu erkennen gewesen.
Wie jeder echter Oldtimersammler legt Jacob grossen Wert darauf, zu «95 bis 98 Prozent» Originalteile zu verwenden. Das ist bei den VW-Buggys trotz ihres Alters nicht schwer, weil sie dasselbe Chassis wie der VW-Käfer haben, gegebenenfalls etwas verkürzt. Seit sich Jacobs Sammlung in der Szene herumgesprochen hat, bekommt er laut eigener Aussage täglich Mails mit Angeboten für Ersatzteile. «Und wenn wirklich mal ein Teil fehlt, können wir es selbst mit Metallblock und Feile herstellen», sagt er.
Rolltor runter, Hände schmutzig
Wenn Jacob von der Autobauermentalität der VW-Buggy-Zeit erzählt, ist es schwer, seiner Begeisterung zu widerstehen, auch wenn man selbst keinerlei Neigung hat, an einem solchen herumzuschrauben. Ja, die Sechziger und Siebziger waren eine ganz andere Zeit: Die Buggys wurden zum Teil als Bausätze mit Anleitung nach Hause geliefert. «Das TÜV-Zertifikat lag schon in der Packung dabei», sagt Jacob lachend: «Heute unvorstellbar.»
Ihn reize nach einem Arbeitstag im High-Tech seiner Sicherheitsfirma an den Buggys genau ihre einfache Technik: «Es ist für mich absolute Entspannung, in die Halle zu kommen, das Rolltor hinunterzulassen und mir die Hände schmutzig zu machen.» Buggys seien «Autofahren pur»: Die einzige Elektronik am Fahrzeug seien das Licht und vielleicht ein Autoradio. Der Aufsatz, «Häubchen» genannt, ist mit lediglich 22 Schrauben am Chassis befestigt. Die luftgekühlten VW-Motoren, sagt Jacob, habe er unterwegs schon mit dem Sackmesser für den Rücktransport in die Werkstatt reparieren können.
Die Buggys sind sehr wartungsintensiv: Alle 2000 Kilometer sei ein grosser Service mit Ölwechsel fällig. Damit sie nicht verschleissen, wechselt Jacob die zwölf Buggys, die für den Verleih zur Verfügung stehen, regelmässig aus seinem Fundus aus. 2019 eröffnete er ausserdem einen Verleih auf Mallorca. Dort gehöre ein Strandbuggy vielleicht eher hin als in den Schwarzwald, gibt Jacob zu. Aber gäbe es sie im Schwarzwald nicht, könnte man vom Fricktal aus ja nicht so einfach welche mieten.