«Chicago» und «Cabaret d’été» begeistern
12.08.2025 RheinfeldenSpektakuläre «Open Classics» auf dem Inseli in Rheinfelden
Die Rheinfelder sind Glückspilze. Zum vierten Mal in vier Jahren fanden die Open Classics Konzerte ohne ein einziges Regentröpfchen und ohne schwarze Wolken mit dumpfem Donnergrollen im Hintergrund ...
Spektakuläre «Open Classics» auf dem Inseli in Rheinfelden
Die Rheinfelder sind Glückspilze. Zum vierten Mal in vier Jahren fanden die Open Classics Konzerte ohne ein einziges Regentröpfchen und ohne schwarze Wolken mit dumpfem Donnergrollen im Hintergrund statt. Dazu boten die beiden Konzerte am Freitag und Samstag das Beste vom Besten mit glänzend disponierten Orchestern und Solisten.
Edi Strub
Es ist bei den Rheinfeldern «Open Classics» zur Tradition geworden, dass eines der Konzerte einem Film gewidmet ist, der, auf riesige Bildschirme übertragen, live vom City Light Symphony Orchestra aus Luzern vertont wird. Dieses Mal war es der Musical-Klassiker «Chicago» von Rob Marshall mit Renée Zellweger als Roxie Hart und Catherine Zeta-Jones als Velma Kelly – ausgezeichnet mit sechs Oscars. Es ist ein genialer Film in grob gesagt zwei Teilen: Die Showsängerinnen bringen ihre Liebhaber und Männer um. Mit Messer und Pistole und kommen dafür, wie es nur recht ist, in eines der berüchtigten Chicagoer Gefängnisse. Beiden droht der Strang, wäre da nicht «Mamma», die gegen ein Bündel Dollarscheine ihre Beziehungen spielen lässt und den besten aller Anwälte engagiert. Er hat noch nie einen Fall verloren und weiss, dass es im Chicago der 20er Jahre nicht um Recht und Unrecht geht, sondern um hemmungslose Manipulation der Medien, der Geschworenen und des Gerichts. Er haut die beiden Mörderinnen raus und – das ist das Happy-End der Geschichte – ermöglicht den beiden durch ihre zweifelhafte Berühmtheit als Mordbeschuldigte erst richtig als Showstars abzuheben. Ein Film von grosser Raffiniertheit und hollywoodscher Verruchtheit.
Erstaunliche Präzision
Das City Light Symphony Orchestra spielte zu diesem Film live die Musik, während Roxie, Velma und Mamma über die Tonspur des Films sangen – ein Unterfangen so diffizil, dass es eigentlich nur schief gehen kann. Aber auf dem Inseli klappte alles absolut perfekt. Der Dirigent Kevin Griffiths hatte vor sich einen kleinen Bildschirm und im Ohr die Tonspur. Er leitete das Orchester mit einer Präzision, über die man nur staunen kann, und auch das Orchester bewältigte den Hochseilakt ohne die geringsten Zwischenfälle. Die einzige Kritik, die man vielleicht anbringen könnte, ist, dass im Film eine Big Band am Werk ist und nicht ein Symphonie-Orchester. Das tönt rauer, jazziger und mehr nach Chicago. Dennoch: die Live-Vertonung von Roxie & Co bereitete grösstes Vergnügen. Man wartet mit Spannung, was für ein Film im kommenden Sommer dran ist.
Sommer-Kabarett
Das Konzert vom Samstagabend war mit Cabaret d’éte überschrieben und man fragte sich, was das bedeuten soll. Die Antwort: vorerst mal ein Streifzug durch die französische und westschweizerische Musik der vorigen Jahrhundertwende. Geprägt vom Pariser Cabaret-Sound, aber ebenso sehr von der frankophonen Symphonik dieser Zeit. Cabaret, das heisse Traum, Schönheit, Charme und «Séduction», erklärte Dirigent Yannis Pouspourikas in seinen Zwischenbemerkungen. Und das heisse dann natürlich auch viel Erotik und Grenzüberschreitung – auf die frankophon kokette Art. Gespielt und gesungen wurde unter anderem «J’ai deux amants» aus «L’Amour Masqué» von André Messager, eine Debussy-Bearbeitung von Eric Satie und betörende Musik des westschweizerischen Komponisten Julien-François Zbinden. Als Sängerin verpflichtet hatte man die Mezzosopranistin Florence Losseau, die ihrem Ruf als aufgehender Stern am Opern- und Operettenhimmel vollauf gerecht wurde. Sie hat ihre Ausbildung zum grösseren Teil in Deutschland genossen und war damit auch die richtige, um zum zweiten Teil des Konzerts überzuleiten, zum «Cabaret berlinois», wie Pouspourikas sagte, mit Kurt Weill und Bert Brecht. Aber auch weniger Politisches wie «Benjamin, ich hab’ nichts anzuzieh’n» von Jara Beneš und Auszüge aus der Fledermaus von Johann Strauss ertönten.
Alfaré brilliert
Dazwischen gab es einen Ausf lug nach Italien mit dem einheimischen Grosstalent Valerian Alfaré, der auf seinem Euphonium (einer Art Horn) Bravourstücke von Gioachino Rossini zum Besten gab. Der junge Alfaré, der in Rheinfelden zur Musikschule ging, ist auf dem Weg ein grosser Star zu werden. Mit makellosem Spiel auch in den schwierigsten Passagen der berühmten Tarantella Napoletana von Rossini. Dennoch hörte er mitten im Vortrag auf, atmetet schwer, holte sein Schweisstuch hervor und bat den Dirigenten mit eindringlichen Gesten abbrechen zu dürfen. Manche im Publikum glaubten, es sei ihm ernst damit. Vielleicht hätten die Sommerhitze und die halsbrecherischen Sololäufe Rossinis ihn ans Ende seiner Kräfte gebracht. Aber alles war nur Spiel – perfekt inszeniert und passend zum Charakter dieses Abends. Alfaré spielte nach einer Atempause jedenfalls weiter und meinte danach in einem Gespräch mit der NFZ, nur die Schweisstropfen seien echt gewesen, der Rest Show.
Schon letztes Jahr habe er die Stimmung auf dem Inseli mit den Sternen am Himmel genossen, erklärte Dirigent Yannis Pouspourikas zum Abschluss des Konzerts. Zum Abschluss des Konzerts erklang als Zugabe folgerichtig «Lost in the Stars» aus Kurt Weills New York Suite.