Bis ans «Ende der Welt»
11.08.2025 PersönlichVor wenigen Tagen ist Naïma Soder aufgebrochen. Auf dem Jakobsweg möchte sie Santiago de Compostela und anschliessend das «Ende der Welt» erreichen.
Janine Tschopp
«Wenn ich am Ende der Welt ankomme, werde ich überwältigt sein», ...
Vor wenigen Tagen ist Naïma Soder aufgebrochen. Auf dem Jakobsweg möchte sie Santiago de Compostela und anschliessend das «Ende der Welt» erreichen.
Janine Tschopp
«Wenn ich am Ende der Welt ankomme, werde ich überwältigt sein», antwortet Naïma Soder auf die Frage, auf was sie sich beim bevorstehenden Abenteuer am meisten freue.
Das Ziel der 23-Jährigen – vor wenigen Tagen hat sie ihre grosse Reise angetreten – ist, kurz vor Weihnachten in Spanien anzukommen. Genauer gesagt: Sie will den Jakobsweg (auf Umwegen) laufen und, wenn sie in Santiago de Compostela angekommen ist, noch einen Abstecher ans Kap Finisterre in Galizien – es wird auch das «Ende der Welt» genannt – machen.
Mit dabei hat sie einen Rucksack, der nur knapp über fünf Kilogramm wiegt. «Er sollte nicht viel schwerer sein als zehn Prozent meines Körpergewichts.» Eingepackt hat sie eine zweite Garnitur Kleider, einen Schlafsack, eine Regenjacke sowie eine dünne wärmere Jacke, Seife, Sonnencrème und ihr Handy. «Das Handy werde ich ganz weit unten im Rucksack lassen», sagt Naïma Soder, noch in ihrem Zuhause in Zeiningen.
Die NFZ hatte die Möglichkeit, sie dort ein paar Tage vor ihrem Aufbruch zu treffen.
Das Reisen schätzen gelernt
«Wir haben früher keine grossen Reisen unternommen», erzählt die junge Zeiningerin von ihrer Kindheit. Ihre Familie hat ein grosses Haus mit Tieren und daheim gab es immer viel zu tun. Dass sie in den Ferien fast immer in der Schweiz geblieben waren, war für sie und ihre Geschwister kein Problem.
Im Gespräch mit Naïma Soder wird klar, dass das Reisefieber sie dann ein bisschen später doch gepackt hat. Nach ihrer Lehre zur Schreinerin reiste sie während sechs Monaten hauptsächlich durch Indien und Nepal, aber auch durch Thailand. «Zuvor war ich noch nie alleine unterwegs.» Jene Zeit habe sie in ihrem Leben sehr viel weitergebracht. Zuerst reiste sie mit Freunden aus der Schweiz, später auf eigene Faust. Sie erzählt von einem Schlüsselerlebnis: «Anfangs der Zeit, als ich alleine unterwegs war, sass ich in einem Hostel in Nepal und stellte mir eine Grundsatzfrage: Warum war ich überhaupt dort? Warum habe ich meine behütete ‹Bubble› verlassen?» Die Antwort war schnell klar: «Jetzt ist es in meinen Händen, was ich aus dieser einmaligen Gelegenheit mache. Ja, ich gehe in die Welt hinaus. Die Leute da draussen wissen ja nicht, dass ich scheu bin und zum ersten Mal ganz alleine reise.»
Sie setzte sich in ein Café zu einer zuerst fremden Person und realisierte, wie schnell man als Alleinreisende Anschluss findet. «Zu einem späteren Zeitpunkt meiner Reise musste ich Menschen, die ich getroffen habe, sogar mitteilen, dass ich gerne wieder für eine gewisse Zeit alleine unterwegs sein möchte.»
Nach drei Monaten Nordindien, zwei Monaten Nepal, zwei Wochen Südindien und zwei Wochen Thailand folgte kurz nach der Fasnacht 2023 Naïmas Heimkehr nach Zeiningen. «Das Heimkommen ist mir massiv viel schwerer gefallen als das Weggehen.» Insbesondere die Herzlichkeit der Menschen, welche sie in den asiatischen Ländern tagtäglich erleben durfte, vermisste sie nach ihrer Heimkehr anfänglich sehr.
Betriebsmitarbeiterin in einer Metzgerei
Nach ihrer Heimkehr durfte sie im Betrieb ihres Vaters, er arbeitet selbständig als Schreiner, mithelfen. Später war sie während zwei Monaten in einem thailändischen Gastronomiebetrieb in Möhlin tätig und begann anschliessend als Betriebsmitarbeiterin in einer Möhliner Metzgerei. Bald erhielt sie dort eine unbefristete Festanstellung und bekam auch die Möglichkeit einer Ausbildung zur Metzgerin. Obwohl sie sich im Team sehr wohlgefühlt hatte, wusste sie, dass dies nicht ihr Traumberuf werden würde. Aber wohin die Reise gehen sollte, wusste sie nicht. Sie beschloss, ihre Tätigkeit bei der Metzgerei nach zwei Jahren auf zugeben und den Jakobsweg anzutreten.
Anfang August dann packte sie ihre sieben Sachen und unternahm die erste Etappe ihrer Reise zu Fuss nach Spanien. Ihr erstes Streckenziel kennt sie zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht. «Ich plane, via Baselbiet, Richtung Biel und Genf nach Frankreich zu laufen», sagt Naïma Soder wenige Tage vor ihrem Aufbruch. Sie will keineswegs den direkten Weg gehen und auch nicht auf den populärsten Strecken des Jakobswegs unterwegs sein. «Ich denke, dass ich insgesamt ungefähr zweitausend Kilometer laufen werde.»
Der Weg ist das Ziel
Naïma Soder wird den Jakobsweg nutzen, mehr über ihre Zukunftspläne herauszufinden. Unter Druck setzen wird sie sich aber nicht. «Ich werde es geniessen, ohne Verpflichtungen reisen zu dürfen.» Und weiter: «Ich werde versuchen, mir so wenige Gedanken wie möglich zu machen. Denn oftmals kommen die guten Ideen, wenn man einen leeren Kopf hat.» Irgendwann vor der nächsten Weihnacht, wird sie nach vielen eindrücklichen Erlebnissen und rund zweitausend Kilometern in den Beinen die Kathedrale von Santiago de Compostela erreichen. Und dann – als Sahnehäubchen – noch bis zum «Ende der Welt» im Nordwesten Spaniens laufen.
Was wird sie auf ihrer Reise am meisten vermissen? «Meine Freunde und meine Familie.» Sie ergänzt: «Ich hoffe natürlich sehr und gehe auch davon aus, dass sie alle noch hier sein werden, wenn ich heimkomme.»