Arbeiten Französinnen und Franzosen mehr als wir?
04.06.2024 FricktalDIE WIRTSCHAFT SIND WIR
Niklaus Leemann
Wenn Schweizerinnen und Schweizer von der 35-Stunden-Woche in Frankreich hören, verstehen sie oft die Welt nicht mehr, liegen doch hierzulande vertragliche Wochenarbeitszeiten deutlich über 40 Stunden. Ein Blick in ...
DIE WIRTSCHAFT SIND WIR
Niklaus Leemann
Wenn Schweizerinnen und Schweizer von der 35-Stunden-Woche in Frankreich hören, verstehen sie oft die Welt nicht mehr, liegen doch hierzulande vertragliche Wochenarbeitszeiten deutlich über 40 Stunden. Ein Blick in die Statistiken der Eurostat zeigt jedoch Verwunderliches: Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit in Frankreich liegt bei 37,2 und in der Schweiz bei nur 36,1 Stunden.
Arbeiten also Französinnen und Franzosen doch mehr als wir? Um die Zahlen zu verstehen, muss man eine Ebene tiefer schauen. In der Schweiz arbeiten ganze 39 Prozent der Arbeitnehmenden in Teilzeit, während es in Frankreich nur 16 Prozent sind. Entsprechend wird der Durchschnittswert in der Schweiz deutlich nach unten gedrückt.
Betrachtet man hingegen nur die Vollzeitarbeitskräfte sieht das Bild ganz anders aus: Vollzeitarbeitskräfte arbeiten in der Schweiz wöchentlich ganze 43,3 und in Frankreich nur 40,0 Stunden. Insgesamt arbeiten in der Schweiz mehr als 60 Prozent der Arbeitnehmenden über 40 Stunden pro Woche, während es in Frankreich nur etwas über 30 Prozent sind. Über die Hälfte der Französinnen und Franzosen arbeiten zwischen 35 bis 39 Stunden pro Woche, ein Arbeitspensum, das in der Schweiz nur rund 5 Prozent ausmacht.
Fazit: Schweizerinnen und Schweizer arbeiten also im internationalen Vergleich entweder überdurchschnittlich viel oder überdurchschnittlich wenig. In Frankreich wird mehrheitlich entlang des nationalen Durchschnittswerts gearbeitet. So geniessen Französinnen und Franzosen allgemein mehr Freizeit als wir – empirisch belegbar nicht zuletzt auch durch die Masse braun gebrannter Französinnen und Franzosen nach den Sommerferien.
Könnten Schweizerinnen und Schweizer einen ähnlichen Teint erreichen? Vielleicht. Die Produktivität pro Arbeitsstunde liegt in der Schweiz mit 78 Dollar um 20 Prozent höher als in Frankreich ($65). Weil beide Nationen in etwa gleich viele Stunden arbeiten, könnten wir also rund 20 Prozent weniger arbeiten und immer noch auf das gleiche Einkommensniveau wie unsere westlichen Nachbarn kommen. Doch ob das hierzulande nicht eher für rote Köpfe sorgt?
In der Kolumne «Die Wirtschaft sind wir» beschreibt der Ökonom und Unternehmensberater Niklaus Leemann, wie die Wirtschaft fester Bestandteil unserer Gesellschaft und unseres Lebens ist.