«Alte Exemplare zu finden, wird immer schwieriger»
31.03.2025 Persönlich«Die Sammlung ist ein Lebenswerk», sagt Hansueli Rüesch aus Frick. Als kleiner Junge hat er einst auf dem Schulweg die erste Velonummer gefunden. «Ich war von meinem Fund fasziniert, da die kleine Metallplatte zusätzlich reflektiert hat.» Inzwischen besitzt er ...
«Die Sammlung ist ein Lebenswerk», sagt Hansueli Rüesch aus Frick. Als kleiner Junge hat er einst auf dem Schulweg die erste Velonummer gefunden. «Ich war von meinem Fund fasziniert, da die kleine Metallplatte zusätzlich reflektiert hat.» Inzwischen besitzt er Velonummern aus allen Kantonen.
Karin Pfister
Jeder Kanton hat andere Velonummern; je nach Jahrgang unterscheiden sich auch die verschiedenen Exemplare nach Farbe, Grösse und Schrift. Einige sind zusätzlich emailliert, andere reflektieren oder glimmern; im Kanton St. Gallen gab es einst auch eine Bändeli-Nummer. Diese wurde um das Lenkrad gebunden. Der Sammler Hansueli Rüesch kennt jedes Detail von seinen Nummern – darunter sind auch Mofa-Nummernschilder – und weiss, wann in welchem Kanton welche Exemplare eingeführt wurden.
Velonummern in der Schweiz haben eine rund 120-jährige Geschichte. Zu Beginn um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts waren solche aus Eisenblech, später Alu-Schilder in Gebrauch, 1988 wurde auf Vignetten umgestellt. Seit 2011 gibt es keine Velonummern mehr.
Mehrere 1000 Exemplare
Aufgewachsen ist Hansueli Rüesch in der Ostschweiz, am Rorschacherberg. Nach dem Tod seiner Eltern ist er zu seiner Schwester nach Oberhof gezogen. Inzwischen wohnt er in Frick im Altersheim. Sein Daheim ist das einzige Zimmer im fünften Stock, die Aussicht reicht bis über den Kaistenberg. Neben dem Fenster steht eine kleine Kommode aus Holz. Hansueli Rüesch hat sie einst als Abschlussarbeit während seiner Schreinerlehre gezimmert.
Mittelpunkt des Zimmers ist der Schrank neben der Eingangstüre. 24 Ordner mit Velonummern aus allen Kantonen bewahrt der 67-Jährige dort auf. Die Titelblätter der Ordner sind sorgfältig – mit der Jahreszahl des Beitritts des Kantons zur Eidgenossenschaft – gestaltet. «Es sind mehrere 1000 Exemplare», erzählt Hansueli Rüesch. Viele Jahre lang habe er alle auswendig gekonnt. Er habe genau gewusst, welche Ausgabe in welchem Ordner noch fehle, ohne nachschauen zu müssen. «Inzwischen sammle ich nicht mehr aktiv und habe deshalb nicht mehr alles im Kopf.» Sein Gedächtnis ist aber immer noch gut, er erinnert sich bei vielen Nummern auch Jahrzehnte später daran, wo und wie er sie erhalten hat. «Einige habe ich gefunden oder gratis bekommen und für einige musste ich ein paar Fränkli bezahlen.»
Ein Teil der Ferien zur Nummernsuche genutzt
Er habe während seinem Berufsleben als Schreiner – er hat zusammen mit seinem Vater bei einer Lastwagenfirma in der Ostschweiz gearbeitet – früher einen Teil seiner Ferien dazu genutzt, mit dem Velo in der ganzen Schweiz herum zu fahren und nach Velonummern zu suchen. Eine gute Anlaufstelle seien jeweils die Velohändler gewesen. Im Kanton St. Gallen wurden beispielsweise 1933 eine Bändeli-Nummer herausgegeben. «Leider habe ich davon nur eine Kopie. Mein Grossvater hat diese für mich gemacht, da der Velohändler damals die Nummer nicht weitergeben wollte.» Hansueli Rüesch ist immer noch gerne per Fahrrad unterwegs. Im Keller des Altersheims stehen drei verschiedene Velos. «Ein älteres, ein schnelleres und ein E-Bike», erzählt er. Er nutzt diese, um das Fricktal zu erkunden. Regelmässig fährt er am Morgen nach Wittnau auf den Bauernhof, um seine Bekannte Gertrud Häseli, die er vor ein paar Jahren auf einer seiner Touren getroffen hat, zu besuchen. Viele Autofahrer kennen ihn inzwischen, auch wegen den beiden grossen Veloseitenboxen, die er selber aus Holz gebaut hat. Diese enthalten Proviant und Velo-Flickzeug. «Seit mir ein Töff Fahrer in eine der Boxen gefahren ist und diese beschädigt hat, nehme ich sie nicht mehr immer mit.»
Lücken bei Basel und Schaffhausen
«Der Aargau ist praktisch komplett», sagt Hansueli Rüesch und zeigt die erste Nummer aus dem Jahre 1933. Auch beim Kanton St. Gallen fehlen nur zwei Exemplare. Die grössten Lücken habe er bei den beiden Basel, Schaffhausen und Genf. «In Schaffhausen gibt es seit den 20er-Jahren Nummern. Ab 1948 ist meine Sammlung fast vollständig, aber in den Jahren zuvor fehlen mir viele einzelne Exemplare.» Es werde immer schwieriger, alte Nummern zu finden. Hansueli Rüesch besitzt weder Handy noch Internet-Anschluss. «Wenn jemand diesen Artikel liest und mir gerne noch eine fehlende Nummer für meine Sammlung geben möchte, darf er sich gerne bei mir melden.» Interessierte fragen am besten vorgängig bei Hansueli Rüesch persönlich nach. Er hat alle Ausgaben nach einem besonderen System geordnet, teilweise in Ein-Jahresschritten, teilweise in Zehner-Jahresschritten. Hansueli Rüesch ist offenbar eher ein stiller Sammler. Dass er in seinem Zimmer einen « Schatz» aufbewahrt, den er sein ganzes Leben lang zusammen getragen hat, wissen viele der andern Seniorinnen und Senioren nicht, wie sich beim Fototermin mit der NFZ vor der Türe des Altersheims herausstellt. Das Interesse an seiner Sammlung ist nun auch dort gross.