Es bleibt teuer

  27.10.2022 Laufenburg

Die bis auf den letzten Platz besetzte Stadthalle in Laufenburg machte es deutlich: Die Leute wollen mehr zu den bis zu 160 Prozent höheren Stromtarifen der Stadt ab nächstem Jahr wissen. Das Resultat nach über dreistündiger Diskussion war etwas ernüchternd: An der Situation um die hohen Preise ändert sich nichts. Der Stadtrat versprach aber, die Beschaffungsstrategie neu zu überdenken.


Unter Strom

Infoabend zu den hohen Tarifen 2023 in Laufenburg

Teils sachlich, teils auch sehr emotional waren die Voten in der Laufenburger Stadthalle am Montagabend. Die rund 160 Prozent höheren Stromtarife ab nächstem Jahr stellen für alle eine Belastung dar. Ein Lösungsvorschlag aus der Versammlung war, für das Jahr 2023 auf die Netzgebühren zu verzichten.

Susanne Hörth

Die Erwartungen in der bis auf den letzten Platz gefüllten Laufenburger Stadthalle waren gross. So erhoffte sich der Stadtrat seinerseits durch seine einführenden, sehr ausführlichen Erklärungen zur Strompreisentwicklung und der von der Stadt gewählten Beschaffungsstrategie Antworten auf viele Fragen zu liefern. Von der Versammlung selbst waren in den vielen Wortmeldungen vor allem Lösungsansätze gefordert, um den massiven Tarifen ab nächstem Jahr entgegenwirken zu können.

Lange habe die Stadt von günstigen Preisen profitieren können. Dass sie dermassen explodieren könnten, hätte niemand erwartet, sagte Stadtammann Herbert Weiss. Christian Rüede, Vizeammann und Präsident der Elektrakommission, erklärte, die Stadt beschaffe den Strom für die Folgejahre jeweils in vier Tranchen. Die sich daraus ergebenden Strompreise werden dann vom Stadtrat genehmigt. Für 2023 ist im Mai 2022 (28,6 Rp/kWh) aufgrund der steigenden Preise erst eine der Beschaffungstranchen erfolgt. Der Resteinkauf sei auf diesen Herbst geplant. Die Frage einer Versammlungsteilnehmerin, ob man beim erhofften, wieder etwas günstigeren Einkauf nicht eine Mischrechnung für das nächste Jahr machen kann, verneinte Rüede und verwies auf die vom Bund festgelegten Regulatorien, welche bereits Mitte des laufenden Jahres die Bekanntgabe der Strompreise für das Folgejahr verlangen. Dieser wurde mit 35 Rp/kWh kalkuliert.

Der Hoffnung, die Stadt könnte die Tarife 2023 aus eigener Rechnung etwas abfedern, setzte der Vize-Ammann die Frage nach den Folgejahren entgegen. Die Tarife würden auch in der Zukunft hoch bleiben.

Einmaliger Verzicht auf Netzkosten
«Die Strompreise 2023 haben uns alle aus den Socken gehauen», so Versammlungsteilnehmer René Leuenberger von der FDP-Ortspartei. Einige Fragen hätte der Stadtrat an diesem Abend beantworten können. Leuenberger brachte sich mit einem konkreten Lösungsvorschlag ein. Als Eigentümerin des Elektra-Werks könnte die Stadt im nächsten Jahr einmalig auf die Netzgebühren verzichten. Die Gebühren dafür betragen im Hochtarif 7,5 und im Niedertarif 5 Rappen. «Wir können das nicht heute Abend beschliessen, aber an der kommenden Gemeindeversammlung», so der Redner. Sein Vorschlag wurde mit viel Applaus begrüsst. Christian Rüede gab zu bedenken, dass mit diesen Einnahmen auch der Unterhalt der Werke finanziert werde und zudem das Netz bereits mit 700 000 Franken verschuldet sei.

Die massiv teureren Stromkosten würden insbesondere die sozial schwächere Bevölkerung sehr treffen, wurde mehrfach eingebracht. Da gelte es, Unterstützung anzubieten. Wie der Umgang von Härtefällen im Sinne der Gleichbehandlung aller aussehen soll, ist unklar.

Wo bleibt die Entschuldigung?
Rolf Stäuble, der vom Stadtrat in einem offenen Brief Antworten auf offene Fragen zur Tarif-Erhöhung gefordert hatte, sagte sichtlich enttäuscht: «Ich bin konsterniert.» Ihm fehlt eine Entschuldigung seitens Stadtrats. Er sprach von verpasster Chance. Habe die Bundesaufsicht Elcom doch bereits im Oktober 2021, also Monate vor dem Krieg in der

Ukraine, die Gemeinden auf die steigenden Stromkosten von 2023/2024 hingewiesen. «Gibt es für das Versagen des Stadtrates eigentlich personelle Konsequenzen», wollte ein anderer Votant wissen. Das nicht, es werde aber sicher die Beschaffungsstrategie überdenkt, so die Antwort darauf. Ob statt Einkaufen in Tranchen der Abschluss von längerfristigen Verträgen eine Option sei, müsse geprüft werden.

Immer wieder wurde im Laufe der Diskussionen auf das Vorhandensein des von der Energiedienst betriebenen Wasserkraftwerkes in Laufenburg und den langen Beziehungen zwischen der Stadt und der

Betreiberin Energiedienst (ED) hingewiesen. Von hier müsste die Stadt doch den Strom beziehen und entsprechende, langfristige Verträge abschliessen können. Daniel Schölderle von der Energiedienst, der das Kraftwerk und seine Geschichte sowie die grossen Herausforderungen beim Strompreis zu Beginn in einem Referat vorgestellt hatte, versprach dieses Anliegen in die Geschäftsleitung zu tragen. Warum die ED der AEW und damit dem Kanton Aargau bis zu 20 Millionen Franken abgeben muss, Laufenburg als Standortgemeinde davon aber nichts erhält, dieser Frage will der Stadtrat nach entsprechender Aufforderung aus der Versammlung nachgehen.

Photovoltaik-Anlagen
In Laufenburg beziehen aktuell sieben Betriebe, die einen Strombedarf von 100 000 kWh/Jahr ausweisen können, Strom aus dem freien Markt. Der Geschäftsführer eines dieser Betriebe machte aber auf einen Umstand aufmerksam, der sicherlich weiteren Abklärungsbedarf erfordert und ihm so von Stadtrat auch zugesichert wurde. Die Firma verfügt seit einiger Zeit über eine grössere Photovoltaikanlage. Durch das Erzeugen des eigenen Stroms, fällt die Bezugsmarke unter die 100 000 kWh. Ob er aus seinem Vertrag raus und wieder zur Elektra wechseln kann, gilt es nun zu klären.

PV-Anlagen waren an diesem Infoabend ein häufig angeschnittenes Thema. Etwa auch, wenn es darum geht, solche in der Altstadt zu installieren. Die zurzeit in Überarbeitung befindliche Bau- und Nutzungsordnung lässt das aktuell nicht zu. Man arbeite daran. Eine Verbesserung, damit Baubewilligungsverfahren schneller werden, sei eingeleitet, so das Versprechen vom Stadtrat.

Er habe den Eindruck, der Stadtrat verstecke etwas, griff ein Votant direkt an. Dem sei nicht so, widersprach Christian Rüede. Man hätte aber tatsächlich den Strom bereits im Januar 2022 für die Jahre 2023/ 2024 beschaffen müssen. «Früher wäre besser gewesen. Dann müssten wir die heutigen Diskussionen nicht führen.» Stadtammann Herbert Weiss ergänzte: «Wir haben zum falschen Zeitpunkt gekauft.» Er ist froh, dass die Energiedienst eine künftige Zusammenarbeit mit der Stadt nun nochmals prüfen werde. In die Überlegungen, wie man den Stromkosten in Zukunft besser begegnen könnte, fliessen auch Ideen wie etwa ein eigenes Kraftwerk, Beteiligung an einem solchen oder ein eigener Solar-Park mit ein, führte Christian Rüede weiter aus. All das sei aber nicht auf die Schnelle umsetzbar.

Nach über drei Stunden intensiver und trotz aller Emotionen stets auch sachlich geführten Diskussionen endete ein Abend, von dem man behaupten darf, viele der Anwesenden standen «unter Strom».


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