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11.09.2025 FricktalAUSZEIT – Berufswahlzeit in Möhlin
Seit über fünf Jahren gibt es die Stelle Auszeit – Berufswahlzeit in Möhlin, gegründet und geleitet von Patricia Capurso, Lehrerin und Traumapädagogin. Unterstützt wird sie ...
AUSZEIT – Berufswahlzeit in Möhlin
Seit über fünf Jahren gibt es die Stelle Auszeit – Berufswahlzeit in Möhlin, gegründet und geleitet von Patricia Capurso, Lehrerin und Traumapädagogin. Unterstützt wird sie dabei von Hund Emil und gelegentlich von Praktikantinnen oder Praktikanten, die frischen Wind ins Projekt bringen. Frischen Wind wünschte sich Patricia Capurso auch in der Volksschule.
Nach fast 27 Jahren im Schuldienst – davon die letzten zehn im Kanton Aargau – wurden ihr die Stolpersteine und Lücken im Schulsystem immer deutlicher: sinkende Lektionen, neue Fächer und Anforderungen, die in den Unterricht integriert werden müssen, steigende Zahlen an Kindern mit Förderbedarf oder einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum, disziplinarische Probleme mit ausserschulischen Ursachen, unzureichend verteilte Ressourcen in den Schulgemeinden sowie Lehrkräfte, die krankheitsbedingt lange ausfallen und kaum ersetzt werden können.
Mit einem Grobkonzept, das im Kanton eine Auffangmöglichkeit für Kinder und Jugendliche schaffen sollte, die aus unterschiedlichen Gründen den Regelunterricht nicht besuchen können, wandte sie sich an das Departement für Bildung, Kultur und Sport (BKS) in Aarau sowie an zahlreiche Schulgemeinden im Fricktal. Doch ihr Anliegen stiess damals auf wenig Interesse – mit der Begründung, es gebe zu wenig Bedarf, um entsprechende Angebote zu finanzieren.
Der Alltag in den Schulen und Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen zeichneten jedoch ein anderes Bild. Deshalb wagte Patricia Capurso den Schritt in die Selbstständigkeit und gründete – mit Unterstützung ihrer Familie und inspiriert von Time-Out-Institutionen in anderen Kantonen – die Einzelfirma AUSZEIT – BERUFSWAHLZEIT.
Zu Beginn kamen die Anfragen vor allem von besorgten Eltern, deren Kind den Unterricht oder gar die Schule verweigerte. Heute, nach fünf Jahren, sind es weiterhin Eltern, aber auch Schulleitungen, Beistandschaften, Psychologinnen und Psychologen sowie Kinderärzte, die auf das Angebot aufmerksam machen. Auch Kinder und Jugendliche, die aus disziplinarischen Gründen einen temporären Schulausschluss erhalten, finden hier einen Platz.
Das Angebot ist vielfältig:
• Beratung von Eltern: Welche Möglichkeiten haben wir, wenn unser Kind die Schule verweigert (Schulabsentismus)?
• Lerncoaching für Kinder und Jugendliche parallel zum Schulbesuch
• Elterncoaching: Wie kann ich mein Kind in der Schule unterstützen?
• Beschulung von Kindern und Jugendlichen, die den Unterricht oder die Schule verweigern
• Unterstützung bei der Berufswahl oder der Planung eines Zwischenjahres
Der Alltag im Auszeit-Projekt erfordert viel Flexibilität, Einfühlungsvermögen und klare Strukturen:
Von der Alphabetisierung und dem Erstlesen mit einem Erstklässler über das Lernen der Kantonswappen und Bruchrechnen mit einer Fünftklässlerin bis hin zur Einführung in die Optik mit Jugendlichen. Dazu kommt die Begleitung einer 17-Jährigen, die eine weiterführende Schule oder Lehrstelle abbricht. Hinzu kommen Korrespondenzen mit Eltern, Behörden, Lehrkräften, Schulsozialarbeitenden, Psychologinnen und Pädiatern.
Besonders geniesst Patricia Capurso Weiterbildungen für Teams zum Thema Schulabsentismus oder ihre Kuscheltier-Sprechstunden, weil sie dort auf Erwachsenenebene agieren und sich austauschen kann.
Langeweile kennt Patricia Capurso nicht – manchmal wünscht sie sich jedoch ein kleines bisschen davon. Unterrichten macht ihr auch nach 32 Jahren noch Freude, und sie ist immer wieder überrascht, wie viel sie selbst durch jede neue Anfrage und Begegnung lernt.
Ihr Wunsch: Es gäbe in jeder Schule oder jedem Schulkreis im Kanton Angebote wie Auszeit – Berufswahlzeit, damit Ursachen für Schulabsentismus und Mobbing früh erkannt und angegangen werden können. Dafür braucht es drei tragende Säulen in jeder Schule:
1. Weitsichtige Schulleitungen, die offen für neue Ideen sind und Lehrkräften sowie Eltern auf Augenhöhe begegnen
2. Gut durchmischte Schulteams: erfahrene Lehrkräfte, Berufseinsteigerinnen und -einsteiger, verschiedene Geschlechter, Quereinsteigende und Fachpersonen
3. Ausreichende Stellenprozente für die Schulsozialarbeit, die als Anlaufstelle für Schulleitungen, Lehrkräfte, Kinder und Eltern dient
Diese drei Säulen tragen eine gesunde Schule, ist Patricia Capurso überzeugt. Mit ihrer Arbeit möchte sie Schulen und alle Beteiligten zum Weiterdenken und Handeln anregen – und vor allem ihren Schützlingen helfen, die Freude am Lernen wiederzufinden und ihre eigenen Stärken neu zu entdecken.
Patricia Capurso
Hauptstrasse 814, 4313 Möhlin
Telefon 078 337 86 00
www.schule-auszeit.ch