MENSCH, PETERS
05.09.2025 KolumneKleider machen Leute
Verehrtes Publikum
Babys tragen bei ihrer Geburt ein Eva- oder Adamskostüm. In welchem Outfit die zunehmend ins Rampenlicht rückende genderfluide Variante des Homo sapiens das Licht der Welt erblickt, ist mir nicht bekannt. Hier ...
Kleider machen Leute
Verehrtes Publikum
Babys tragen bei ihrer Geburt ein Eva- oder Adamskostüm. In welchem Outfit die zunehmend ins Rampenlicht rückende genderfluide Variante des Homo sapiens das Licht der Welt erblickt, ist mir nicht bekannt. Hier könnte eine Anfrage beim Schweizerischen Hebammenverband Klarheit schaffen.
Das Geschrei, das wir bei der Geburt veranstalten, rührt sehr wahrscheinlich daher, dass wir zunächst keine Kleider besitzen. Weibliche Wesen empfinden dies als Demütigung, denn der Gedanke, sie hätten nichts anzuziehen, ist für zahlreiche Frauen schier unerträglich. Männer können dies nicht nachvollziehen. Für sie ist es dagegen inakzeptabel, wenn ihr angeberischer Nachbar das gleiche Auto fährt wie sie.
Da ich das Pech hatte, nicht als Sohn von John D. Rockefeller geboren zu werden und ausserdem einen älteren Bruder hatte, wurde mir das Unglück zuteil, alle Klamotten auftragen zu müssen, aus denen mein Herr Bruder herausgewachsen war. So lief ich in Knickerbockern und einem zwei Nummern zu grossen Anorak durch die Gegend – ein Bild des Jammers!
Als ich dann James Dean im Kino sah, wurde mir klar, dass ich so cool sein musste wie dieser Supertyp. Das Winnetou-Bild über meinem Bett tauschte ich gegen mein Nietenhosen tragendes Idol, das mit einer Lucky im Mundwinkel an seinem Porsche Spyder lehnte.
Sobald ich Geld verdiente, erstand ich Bluejeans. Über das Wochenende fuhr ich nach Hause, wo mein Vater mich seinen Stammtischbrüdern vorstellen wollte. Um für dieses epochale Ereignis angemessen gekleidet zu sein, zog ich meine neuen Jeans an und schritt die Treppe hinunter. Unten stand mein Vater. Er warf einen missbilligenden Blick auf meine Beinkleider und fragte, ob ich neuerdings als Klempner tätig sei.
Später bevorzugte ich Cordhosen, was meine Tante zu der Anmerkung veranlasste: «Sind jetzt Wellblechhosen der letzte Schrei?»
Rückblickend muss ich feststellen, dass in meiner Familie der Sinn für zeitlos elegante Herrenmode wenig ausgeprägt war.
JAN PETERS