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08.08.2025 KolumneSommer-Schnee im Garten
Marianne Herzog
Oberhof
Als ich kürzlich in unserem Garten von der nahen Baustelle Motorengeheul höre, muss ich unweigerlich an die neue Mode denken, mit Motorsägen in der Politik aufzutreten. Auch Frau Meier kommt mir ...
Sommer-Schnee im Garten
Marianne Herzog
Oberhof
Als ich kürzlich in unserem Garten von der nahen Baustelle Motorengeheul höre, muss ich unweigerlich an die neue Mode denken, mit Motorsägen in der Politik aufzutreten. Auch Frau Meier kommt mir in den Sinn, sie wollte ja auch eine Motorsäge für ihre Gartenarbeiten kaufen. Wenn Politiker und Gärtnerinnen neu mit Motorsägen hantieren, warum nicht auch Baufachleute? Ein kurzer Blick zum Neubau hinüber lehrt mich jedoch, dass der heulende Motor von einem Laubbläser stammt. Hm, interessant: ein Laubbläser auf einer Baustelle im Sommer?
Das Rätsel löst sich. Als ich am nächsten Tag das Gras bei unserer Hecke ausschneiden will, fällt mir eine weisse Schicht auf Gras, Erde und Weiher auf. Nein, es ist kein Schnee; es sind feinste Spuren von Styropor, die Teile unseres Grundstückes bedecken. Nun verstehe ich. Nachdem die Aussenfassaden des neu erstellten Hauses dick mit Styropor als Dämmung beklebt worden sind, haben die Fassadenbauer den Styropor geschliffen und ihn dabei nicht etwa eingesaugt, sondern grosszügig mit dem Laubbläser in die Umwelt verteilt.
Ein Anruf bei der Umweltfachstelle macht mir keine Hoffnung, diesen Plastik wieder einsammeln zu können. Der Spezialist meint zudem, Styropor und anderer Plastik sei entwickelt worden, um zu bleiben. Weder eine Rückgewinnung sei möglich noch ein natürlicher, unschädlicher Abbau.
Ich melde mich beim Architekten und der Bauleitung, damit nicht auch beim zweiten Haus das Dämm-Material Styropor weggeblasen wird und in die Umwelt gerät. Sie packen darauf den zweiten Neubau gegen unseren Garten hin mit einem doppelten Netz ein.
Eben erzählt mir der Fassadenbauer, dass es unerträglich heiss sei, hinter diesen Netzen zu arbeiten, er habe Mühe mit Atmen. Da tritt Frau Meier zu uns. Sie meint, es sei eine gute Entscheidung gewesen, auf den Kauf einer Motorsäge zu verzichten und sich anstelle davon einen gemütlichen Gartensessel zu leisten. Sie habe nun ganz vieles genau beobachtet und sich eine eigene Meinung gebildet. Und dann schüttelt sie den Kopf und meint, sie verstehe nicht, wie ein Architekt dazu komme, den problematischen Dämmstoff Styropor bei neuen Häusern zu verwenden. Natürlich sei das Dämmmaterial billig, aber die Einsparungen würden auf Kosten der Umwelt und der Handwerker gehen. Sie würde diesem Architekten den Rat geben, zuerst einmal das grosse Ganze in den Blick zu nehmen. Sie schüttelt nochmals den Kopf, schaut den Handwerker mitleidig an und geht weiter.
Offensichtlich versteht Frau Meier einiges vom Bauen.