Auf der Privatschule
Ronny Wittenwiler
Diese Woche hatte ich beim Lesen einer Reportage ein Déjà-vu-Erlebnis: Wie ist es, ein hochbegabtes Kind zu sein?
Und so war es ein emotionaler Moment, als ich danach meine Eltern besuchte. ...
Auf der Privatschule
Ronny Wittenwiler
Diese Woche hatte ich beim Lesen einer Reportage ein Déjà-vu-Erlebnis: Wie ist es, ein hochbegabtes Kind zu sein?
Und so war es ein emotionaler Moment, als ich danach meine Eltern besuchte. «Danke für alles»: So fest ich nur konnte, drückte ich meinen Papi an mich. Er rang nach Worten, brachte vor lauter Rührung aber zwei Minuten keinen Ton raus. «Jetzt lass doch mal deinen Vater los, der läuft ja schon blau an», meinte dann die Mutter. Da waren sie also, die Eltern, die in den Achtzigern alles unternahmen, mir trotz der grossen Herausforderungen eine ganz normale Kindheit zu bieten. Ich installiere ihnen zum Dank eine neue Software auf dem Klapprechner. «Zum letzten Mal», sagt jetzt mein Papi: «Du bist nicht hochbegabt und jetzt Finger weg von unserer Mikrowelle.»
Jetzt kommt mein Bruder rein: «Oh, Vater, warum bist du so blau?»
Die Mutter verzweifelt: «Das war dein hochbegabter Bruder!»
Aha, also doch. Jetzt ist es raus. Nach 45 Jahren Ungewissheit und brennenden Fragen über mein Anderssein. Warum sonst sollten damals meine Eltern mir gleich nach dem Kindergarten einen Privatunterricht in Magden ermöglichen, den sonst nur Erwachsene besuchten. Jetzt mein Bruder: «Das war eine Hundeschule.»
Wie bitte? «Wir hatten ja gar keinen Hund.»
«Eben. Noch Fragen, Wunderkind?»
witte@nfz.ch