Bezaubernd bizarre Begegnungen
Yasmin Malard
Die Hoch(-)zeit des Tages in einem Café wird am Nachmittag eingeläutet, bestehend aus der Braut «Kaffee» und dem Bräutigam «Kuchen». Alle Bein-, Augen- und Ohrenpaare werden ...
Bezaubernd bizarre Begegnungen
Yasmin Malard
Die Hoch(-)zeit des Tages in einem Café wird am Nachmittag eingeläutet, bestehend aus der Braut «Kaffee» und dem Bräutigam «Kuchen». Alle Bein-, Augen- und Ohrenpaare werden benötigt, um die Gäste artgerecht zu betreuen. Vor der eigentlichen Bestellung (geschweige denn Begrüssung) werden Pralinen gefordert, zum gewöhnlichen Kaffee 6 Päckchen Zucker verschlungen und das Tischset aufgrund der Farbe abgewiesen. Der Kaffee soll «aber sehr heiss!» kommen, das Glas Wasser dazu ja nicht kalt. Faszinierenderweise wird zum Teil der Teebeutel von zu Hause mitgebracht, die hauseigene Salatsauce zum bestellten Salat ausgepackt und Proviant aus Znüniboxen für die Kinder auf dem Tisch ausgebreitet – bis auf ebendiesem ein Schlachtfeld entsteht. Bei der Hunde-Affäre bilden sich stärkere Fronten als bei der Debatte um die Impfpflicht. Die Pro-Cane-Partei kann auf ihre Schosshündchen nicht verzichten und nennt sogar 150 Zentimeter grosse Viecher «mis Hundeli». Das Hierarchie-Spiel der Fellbündel mit lautem Gebell und Gesabber bringt zwar Stimmung in die Bude, lässt aber die Contra-Cane-Partei abwertende Blicke austauschen. «Ein Hund gehört nicht ins Café, der haart, stinkt und kläfft.» Kreative Meister werden die Kunden erst beim Bestellen. «Blutti Spätzli» ohne Rahm, ohne Käse und ohne Gewürze werden bestellt sowie Suppe ohne Rahm, ohne Käse und ohne Gewürze, Flammkuchen ohne Zwiebeln oder Speck, Kuchen und heisse Schoggi ohne Zucker, Gebäck ohne Gluten, Brot ohne Kerne, ein Cappuchino ohne Schokoladenpulver, Milch ohne Laktose, ein Latte Macchiato ohne Kuh-Latte, Bier ohne Alkohol, Kaffee ohne Koffein, Tee ohne Teein, Café crème ohne crème – bald schon ein Kaffee ohne Kaffee. Immerhin langweilig wird es nie.
Yasmin Malard (21) macht zurzeit ein Praktikum bei der NFZ und hat in ihrem Zwischenjahr fünf Monate in einem Fricktaler Café im Service gearbeitet.