«Es ist aufwändig, aber es lohnt sich sehr»
05.03.2023 Herznach, PersönlichHeimdialyse – für Edith Hehlen bedeutet das auch Freiheit
Wenn die Niere nicht mehr richtig funktioniert, kann der Körper Giftstoffe nicht selber ausscheiden. Betroffene müssen zur Dialyse oder auf eine Nierenspende hoffen. Die Wartefrist für Letzteres beträgt rund fünf Jahre. Edith ...
Heimdialyse – für Edith Hehlen bedeutet das auch Freiheit
Wenn die Niere nicht mehr richtig funktioniert, kann der Körper Giftstoffe nicht selber ausscheiden. Betroffene müssen zur Dialyse oder auf eine Nierenspende hoffen. Die Wartefrist für Letzteres beträgt rund fünf Jahre. Edith Hehlen hat aufgrund ihrer schlechten Nierenfunktion bereits als junge Frau eine Spenderniere bekommen, die tadellos funktionierte – bis sie an Corona erkrankte.
Karin Pfister
1989 hatte Edith Hehlen aus Herznach von ihrer Schwester Marianne eine Niere bekommen. «Eine Lebendspende war damals noch eine Sensation», erinnert sich die heute 69-jährige Herznacherin, welche fast ihr ganzes Berufsleben lang an der Primarschule Herznach als Lehrerin tätig war. Nötig war die Niere, weil Edith Hehlen im Alter von zwei Monaten eine Nierenbeckenentzündung durchmachte. «Von da an ging es mit den Nierenwerten stetig bergab bis nur noch Dialyse oder Spende übrigblieben.» Ihre Schwester, eine Pflegefachfrau, habe damals ziemlich schnell ja gesagt. «Durch die Spenderniere hat sich unsere Beziehung intensiviert. Wir sind bis heute sehr eng verbunden und beste Freundinnen.»
35 anstatt 10 Jahre
Zehn Jahre werde die Spenderniere etwa funktionieren, sagten ihr 1989 die Ärzte, aber es ging sehr viel länger gut. Rund 35 Jahre konnte Edith Hehlen mit der Niere ihrer Schwester ein normales Leben führen, obwohl sie wie alle Transplantierten bis heute täglich Medikamente gegen die Immunsupression nehmen muss.
Auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle steckte sich auch Edith Hehlen an, obwohl sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Vorgeschichte viele Vorsichtsmassnahmen getroffen hatte und teils monatelang nicht unter Menschen ging. Der Verlauf war schwer, ihr Leben hing an einem seidenen Faden und es dauerte lange, bis sie sich wieder einigermassen erholen konnte. Heute geht es ihr soweit wieder gut, aber: «Seit Corona arbeitet die gespendete Niere, die solange tadellos funktionierte, nur noch eingeschränkt.»
So war Corona für Edith Hehlen unglücklicherweise auch eine Rückkehr zur Dialyse. Vor zwei Jahren musste sie sich entscheiden, ob sie drei Mal wöchentlich nach Frick in die Dialyse-Station möchte oder die Dialyse zuhause ausprobieren möchte. Sie entschied sich für zweiteres, da es schonender für den Körper sei – die Dialyse läuft so permanent anstatt drei Mal wenige Stunden – und sie so viel freier in ihrer Alltagsgestaltung ist.
Enormer Aufwand
Der organisatorische Aufwand ist enorm, wird aber vom Spital Aarau, von dem Edith Hehlen betreut wird, sehr unterstützt. Einmal pro Monat kommt der Lastwagen, der 500 Kilogramm Material bringt. Der Chauffeur trägt die Kisten mit den Glukoselösungen in ihr Schlafzimmer, wo sich das Material nach der Lieferung bis zur Decke stapelt. Neben Edith Hehlens Bett steht die Maschine, welche die Dialyse steuert. Während der sogenannten Peritonealdialyse wird die Bauchhöhle mit einer speziellen Flüssigkeit gefüllt, die dazu benutzt wird, dem Körper Abfallstoffe und überschüssiges Wasser zu entziehen. In der Ecke hat Edith Hehlen einen Infusionsständer platziert für die ambulante Peritonealdialyse. Diese wird tagsüber ohne Maschine durchgeführt. Allerdings müsse man dafür mehrmals täglich eine halbe Stunde Zeit haben, um die Beutel von Hand zu wechseln, was Edith Hehlen als alltagseinschränkend empfunden hat, weshalb sie auf die maschinengesteuerte Dialyse nachts gewechselt hat.
Kein Spaziergang
Was relativ einfach tönt, war am Anfang kompliziert und überfordernd. Edith Hehlen war noch nicht richtig genesen und musste alle Handgriffe der Heimdialyse und die Technik der Maschine dazu in Kursen in Aarau lernen. «Das Pf legefachteam war sehr geduldig und ich wurde wunderbar instruiert.» Trotzdem sei es kein Spaziergang gewesen und sie überlegte am Anfang mehrmals, abzubrechen. Heute kann Edith Hehlen die Handgriffe fast im Schlaf. Vor dem Ins-Bett-Gehen stöpselt sie die Schläuche und die Beutel mit der Glukoselösung an ihren Bauch und geht schlafen. Sobald sie den Startknopf drückt, ist sie online mit dem Spital in Aarau verbunden. Trotz des leisen Summens der Maschine und während die Glukoselösung durch ihr Bauchfell fliesst und die Giftstoffe aus dem Körper transportiert, schläft Edith Hehlen «tipptopp». Die Dialyse, welche mehrere Zyklen umfasst, dauert acht Stunden, solange muss Edith Hehlen im Bett bleiben.
Die Eigenverantwortung ist gross
Sie schätzt die Möglichkeit während des Schlafens zu dialysieren. «Es ist aufwändig, auch wegen den zahlreichen Hygieneregeln, aber gut machbar. Meine Lebensqualität ist dadurch sehr gestiegen.» Die Eigenverantwortung sei gross und gerade der technische Teil schwierig zum Lernen, aber: «Es lohnt sich». Sogar in die Ferien könne sie die Maschine mitnehmen. «Ich habe das zusammen mit meinem Sohn und seiner Frau ausprobiert. Es geht, aber die Maschine ist schwer und wir mussten viel Material mitschleppen.» Da ihre Nierenwerte inzwischen wieder in einem guten Bereich seien, könne sie während der Ferien auch mal drei Tage auf die Maschine verzichten und ihre Niere nur mit der Handdialyse unterstützen.
Corona hat das Leben von Edith Hehlen stark verändert. «Ich bin sehr dankbar für mein Umfeld, welches mich während dieser sehr schwierigen Zeit immer wieder getragen und unterstützt hat.»