Warum Kaiserin Maria Theresia das Land vermessen liess
12.03.2023 Fricktal, GemeindenZur Entstehung der Fricktaler Bannpläne
Unter dem Titel «Vom Estrich ins Staatsarchiv» war in der NFZ unlängst von einem Fricker Gemeindebannplan zu lesen, der über Umwege schliesslich doch noch ins Staatsarchiv gelangt ist. In folgendem Gastbeitrag geht Werner Rothweiler im Detail auf ...
Zur Entstehung der Fricktaler Bannpläne
Unter dem Titel «Vom Estrich ins Staatsarchiv» war in der NFZ unlängst von einem Fricker Gemeindebannplan zu lesen, der über Umwege schliesslich doch noch ins Staatsarchiv gelangt ist. In folgendem Gastbeitrag geht Werner Rothweiler im Detail auf die historischen Umstände ein, die Ende des 18. Jahrhunderts zur Erarbeitung der Fricktaler Bannpläne geführt hatten.
Von Werner Rothweiler
In der NFZ vom 23.2.2023 ist unter dem Titel «Vom Estrich ins Staatsarchiv» von einem Fricker Gemeindebannplan die Rede, den ein Historiker seit ungefähr vierzig Jahren gehortet hatte und jetzt Werner Fasolin fragt, was er damit tun soll. Der Plan ist in einem schlechten Zustand, weil er jahrelang unsachgemäss auf bewahrt wurde. Nicht erwähnt worden ist die Tatsache, dass ein sehr gut erhaltener zweiter Plan im Staatsarchiv auf bewahrt wird. Dass es zwei Pläne gibt, ist nicht verwunderlich, da die Geometer meistens ein Duplikat anfertigten für den Fall, dass das Original verloren geht oder einem Brand zum Opfer fällt. Ein Exemplar blieb bei der Gemeinde, das andere wurde von der vorderösterreichischen Regierung in Freiburg im Breisgau aufbewahrt. Bei dem jetzt zum Vorschein gekommenen Plan dürfte es sich um denjenigen handeln, der nach der Entstehung der Gemeinde übergeben wurde.
Dieser Plan ist einer von vielen, die in der Zeit von 1772 bis 1788 für 120 Gemeinden der vorderösterreichischen Provinz Breisgau, meist im Doppel, angefertigt worden sind. Der vorderösterreichische Breisgau umfasste die Herrschaften Rheinfelden, Laufenburg, Wehr sowie die Grafschaft Hauenstein und die vier Waldstädte. 33 Bannpläne betreffen Gemeinden im linksrheinischen Fricktal und 87 Gemeinden im rechtsrheinischen Breisgau. Nachdem 1803 das Fricktal Teil des Kantons Aargau und der Eidgenossenschaft wurde, übergab 1827 das Provinzialarchiv des Grossherzogtums Baden (gegr. 1806) in Freiburg i. Br. 28 Fricktaler Bannpläne der «Hochlöblichen Staats Canzlei des Schweizerischen Cantons Argau in Arau». Diese überliess die Pläne den Bezirksämtern Rheinfelden und Laufenburg, von wo sie später ins Staatsarchiv Aargau, ins Fricktaler Museum Rheinfelden und in einzelne Gemeinden (Herznach, Kaisten, Laufenburg, Sulz) gelangten.
Im Rahmen der Recherchen für die Magdener Dorfgeschichte stösst Werner Rothweiler auf den Magdener Bannplan aus dem Jahr 1774 von Geometer Fridolin Leimgruber, der auch den Fricker Bannplan 1776 geschaffen hat. Das weckt bei ihm das Interesse für diese Bannpläne im Allgemeinen. In der Folge initiiert er eine konzertierte Aktion (2008-2014) mit dem Staatsarchiv Aargau (StA AG), dem Fricktaler Museum, dem AGIS (Aargauisches Geografisches Informationssystem) und vier Gemeinden. Herznach, Kaisten, Laufenburg und Sulz überlassen ihre Originale dem StA AG gegen Kopien derselben. Defekte Pläne werden vom StAAG vor der Digitalisierung restauriert, 26 Bannpläne werden vom AGIS digitalisiert und ins Internet gestellt, wo sie unter www.geoportal. ag.ch (Historische Bannpläne Fricktal 1772-1783) zugänglich sind. Somit sind 17 Pläne im StAAG, 9 im Fricktaler Museum, 6 bleiben verschollen.
Leere Staatskasse
Maria Theresia trat anno 1740 als 23-jährige Erbfolgerin die Regentschaft ihres Vaters (Kaiser Karl VI.) an. Gleich zu Beginn hatte sie ihr Erbe gegen den Preussenkönig Friedrich II. zu verteidigen und beschrieb ihre Lage so: «In diesen Umständen fand ich mich ohne Geld, ohne Kredit, ohne Armee, ohne eigene Erfahrung und ohne allen Rat, als ich vom Preussenkönig angegriffen wurde.» Eine Heeresreform, eine Verwaltungsreform und eine Steuerreform sollten Abhilfe schaffen.
Das Ziel der Theresianischen Steuerreform, der sogenannten «Peraequation» (Lastenausgleich), war die Erhöhung der Staatseinkünfte sowie eine grössere Steuergerechtigkeit. Es sollte eine «durchgängige, Gott gefällige Gleichheit in Steuersachen» durchgesetzt werden. Bisher war nur der Bauernund Bürgerstand steuerpf lichtig. Neu sollte die Steuerpf licht auch auf den Klerus und den Adel ausgeweitet werden. Dadurch würde die Anzahl Steuerzahler um 41 Prozent erhöht werden.
Im Rahmen der Verwaltungsreform wurden 1752 die österreichischen Vorlande (Breisgau) von der Tiroler Regierung in Innsbruck abgetrennt und fortan als eigene «Provinz Vorderösterreich» mit Regierungssitz in Freiburg i. Br. geführt. Diese erarbeitete die Grundlagen für die «Peraequation im K.K. Österreichischen Breisgau». 1759 forderte die vorderösterreichische Regierung die Gemeinden auf, «Peraequations-Tabellen» auszufüllen, aufgrund derer das Steuersubstrat sowie der Steuerbetrag (25%) errechnet werden sollte. Es wurde allerdings Oktober 1764, bis die Gemeinden die Grundlagen für die Besteuerung ab dem «anno militaris 1765» erhielten.
Zu viele Ungereimtheiten
Es zeigte sich bald, dass diese Art der Steuererhebung unbefriedigend war. Die Selbstdeklaration entbehrte einer objektiven Grundlage und führte zu vielen Ungereimtheiten. Da erinnerte man sich einer hauseigenen Lösung, nämlich an den «Mailänder Kataster». Dieser war von Maria Theresias Vater (Karl VI.) 1719 in Auftrag gegeben worden, als nach dem Spanischen Erbfolgekrieg das Herzogtum Mailand mit der Lombardei an Österreich gefallen war. Grundlage war eine möglichst genaue Grundstückvermessung.
Also ordnete die vorderösterreichische Regierung in Breisgau mit einem Zirkularschreiben vom 6.7.1769 die «Ausmessung des Landes» an. Die Gemeinden hatten erfahrene und geschickte Feldmesser damit zu beauftragen. Um die Einheitlichkeit der Pläne sicherzustellen, wurden die Feldmesser von der vorderösterreichischen Regierung geprüft, über die Details der Darstellung der Pläne instruiert und vereidigt. So entstanden 130 Bannpläne (33 linksrheinisch und 87 rechtsrheinisch).
Der Autor dieses Beitrags hat zum gleichen Thema zwei Publikationen verfasst, die im Internet eingesehen werden können, unter:
• e-periodica Vom Jura zum Schwarzwald 2012 (86. Jg.) S. 7-28: «Maria Theresias Steuerreform und die Gemeindebannpläne des Fricktals 1772-85 und der rechtsrheinischen vorderösterreichischen Gebiete 1772-1788».
• e-periodica Rheinfelder Neujahrsblätter 2015 (71. Jg.) S. 31-49: «Kartografische Meisterwerke der 1770er Jahre im Fricktaler Museum».