Software-Ingenieur und nun auch Pasta-Künstler
06.03.2023 RheinfeldenDer Rheinfelder Urs Bratschi wagt sich immer wieder an Neues
Wenn man nach passenden Charakteristiken für Urs Bratschi suchen würde, müsste man Begriffe wie Beharrlichkeit, Ausdauer, Neugier und Lebensmut nennen. Zuerst erschloss sich der inzwischen 54-Jährige als Quereinsteiger und ...
Der Rheinfelder Urs Bratschi wagt sich immer wieder an Neues
Wenn man nach passenden Charakteristiken für Urs Bratschi suchen würde, müsste man Begriffe wie Beharrlichkeit, Ausdauer, Neugier und Lebensmut nennen. Zuerst erschloss sich der inzwischen 54-Jährige als Quereinsteiger und Selfmademan die Welt der elektronischen Datenverarbeitung (EDV), dann begann er selbstgemachte Pasta zu färben und zu Kunstwerken zu formen. Und schliesslich schaffte er es, seine Parkinson-Erkrankung zwar nicht zu besiegen, aber ohne Groll damit zu leben.
Edi Strub
«Ich war in der Primarschule eine grosse Herausforderung für meine Eltern. Schule interessierte mich überhaupt nicht und schlechte Noten fand ich sogar cool.» Das könnte ein schlechter Start ins Leben gewesen sein. Doch Urs Bratschi ist nicht gescheitert. Er arbeitet heute als Software-Ingenieur bei Postfinance und so ganz nebenbei hat er sich das seltene Handwerk eines Pasta-Künstlers angeeignet. Erarbeitet hatte er sich diese Fähigkeiten weitgehend selbständig ohne einschlägige Schulen und Kurse. Zuerst machte er zwar eine Bank-Lehre beim Schweizerischen Bankverein, aber das passte nicht zu ihm. Stattdessen entwickelte er früh ein Flair für Computer und EDV, wie man IT damals nannte. Seine Mutter hatte einen Computer gekauft, weil sie darin die Zukunft sah. Und so konnte Urs schon als Sechzehnjähriger programmieren lernen, ganz auf eigene Faust – learning by doing. Er entwickelte unter anderem ein Programm, um seine Münzensammlung zu erfassen. Münzen waren damals seine zweite Leidenschaft. Noch heute hat er ein komplettes Set von 5-Räpplern ab der Gründung des Schweizer Bundesstaates 1848. Das IT-Wissen erlaubte ihm dann später, aus der Bankerprofession auszusteigen. Stattdessen arbeitete er als Computer-Supporter für PC-Händler und EDV-Firmen. Als Quereinsteiger ohne Diplome und Ausweise. Im Unterschied zu jungen Kollegen, die Mathematik oder IT studiert haben, kann er auf seine Erfahrung als ehemaliger Banker, Praktiker und Tüftler bauen. Bei der Entwicklung von Software sei das ebenso wichtig wie reines IT-Wissen, sagt er. Man müsse verstehen, wie durchschnittliche Nutzer denken und wie beispielsweise die gesetzlichen Rahmenbedingungen aussehen. Da wisse er Bescheid und so komme man zu besseren Lösungen.
Einen ungewöhnlichen, aber für ihn typischen Weg ging er auch in Sachen Pasta. «Ich musste kochen lernen, als ich von zuhause auszog. Meine Mutter war eine sehr gute Köchin, wahrscheinlich habe ich etwas davon geerbt.» Und so begann er vor rund zwölf Jahren, selbst Pasta herzustellen, statt sie im Supermarkt zu kaufen. Am Anfang sei das zwar ein paar Mal richtig schiefgelaufen, aber er habe schnell gelernt. Er kaufte eine Teig-Walze für seine Kitchen-Aid. Denn Teigwaren mit einer handbetriebenen Walze herzustellen sei zwar romantisch, aber man brauche dafür eigentlich drei Hände. Eine zum Drehen und je eine, um den Teig in die Walze zu lenken und unten rauszuziehen. Mit einer Küchenmaschine gehe das schneller und besser. Irgendwann hatte Urs Bratschi dann die Idee, dem Teig Spinat beizumischen, was der Pasta eine schöne grüne Farbe verlieh. Mit Safran oder Kurkuma konnte er seine Pasta auch gelb färben. Als er seinen Arbeitskollegen davon erzählte, meinte einer, er solle doch Teigwaren in allen Farben des Regenbogens herstellen. Was vielleicht gar nicht so ernst gemeint war, hat er in den folgenden Wochen in seiner Küche dann umzusetzen versucht. Und nach viel Experimentieren und Pröbeln hatte er es im Griff. Blau gewinne man aus Rotkohl, wenn man ihn mit etwas Natron basisch mache. Einfacher sei es mit thailändischem Blauteepulver. Für Rot nehme er Rande, die es auch in Pulverform gebe. Und für Schwarz natürlich Sepia vom Tintenfisch. Damit stehe ihm das ganze Farbenspektrum zur Verfügung. Später habe er dann angefangen, die verschiedenfarbigen Teige zu allerlei Mustern zusammenzustellen, zuerst zu ganz einfachen, dann aber zu immer komplexeren wie bei Ornamenten in orientalischen Moscheen und Palästen. Schwierig war, diese Kunstwerke dann zu konservieren, damit sie nicht austrocknen und zerbröseln. Die Lösung war, die Teigwaren in Kunstharz einzugiessen. Die Fachleute, die er zuerst damit beauftragte, bekamen es jedoch nicht sauber hin. Und so begann er selbst zu pröbeln und zu experimentieren.
Heute beherrscht er auch dieses Handwerk und kann seine «Pastakunst», eingeschlossen in klare Expoxyblöcke, an Ausstellungen und auch online zum Kauf anbieten. Bislang leider noch mit mässigem kommerziellem Erfolg. Urs Bratschi ist sich aber sicher, dass er auch das noch zum Laufen bringen wird, obschon er seit rund acht Jahren an Parkinson leidet. Das ist eine Krankheit, an der man zwar nicht stirbt, die aber die Motorik der Betroffenen immer mehr einschränkt. Auch Urs Bratschi musste das erleben. «Es ist mir aber gelungen, den zuerst niederschmetternden Befund als Herausforderung zu sehen», sagt Urs Bratschi. Er habe nie aufgegeben und seine Freunde sagen, er sei verglichen mit früher sogar lebensfreudiger und offener geworden. Urs Bratschi ist in eine Selbsthilfegruppe eingebunden, treibt viel Sport und beschäftigt sich intensiv mit seiner Pasta-Art. Auf keinen Fall dürfe man in einer solchen Situation resignieren. Selbstmitleid führe nirgends hin.