Ein Nischensport, der blinkt und klappert
21.03.2023 Rheinfelden, Kultur104 Spieler aus ganz Europa massen sich in Rheinfelden an Flipperautomaten
Das Kulturlokal «Aurea» in Rheinfelden, in dem sonst getanzt und Comedy gespielt wird, war am Wochenende Gastgeber der Schweizerund Europameisterschaft im Flippern. Die rund 50 Automaten lieferte eine Firma ...
104 Spieler aus ganz Europa massen sich in Rheinfelden an Flipperautomaten
Das Kulturlokal «Aurea» in Rheinfelden, in dem sonst getanzt und Comedy gespielt wird, war am Wochenende Gastgeber der Schweizerund Europameisterschaft im Flippern. Die rund 50 Automaten lieferte eine Firma aus Maisprach.
Boris Burkhardt
Barbara und René Stadler sind am vergangenen Samstag spontan aus Möhlin nach Rheinfelden ins Kulturlokal «Aurea» gekommen: Sie hatten in den Sozialen Medien vom Internationalen Flipperturnier gelesen und sich an ihre eigenen unterhaltsamen Erfahrungen mit den Spielautomaten erinnert. «Wir hatten in einem Urlaub den Plausch mit Flipperautomaten», sagt Barbara Stadler. René Stadler verweist auf die einzigartige Möglichkeit, gleich 50 Flipperautomaten an einem Ort zu haben: «Ich habe das Gefühl, dass das Flippern sonst aus der Mode gekommen ist.»
Doch René Stadler irrt sich. Denn dem Ehepaar war nicht bewusst, dass es sich beim Flipperturnier an diesem Wochenende nicht nur um die Schweizermeisterschaft, sondern sogar um die diesjährige Europameisterschaft dieses Nischensports handelt: 104 Teilnehmer sind nach Rheinfelden gekommen, hauptsächlich aus der Schweiz und Deutschland, aber auch aus Österreich, Frankreich, Italien, Polen, Belgien, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, Finnland – und sogar drei aus den USA.
Rund ein bis zwei Minuten
Beide Turniere werden gleichzeitig ausgetragen, am Samstag die Vorrunden, am Sonntag die Finalrunden. Der Sieger der für alle offenen Schweizermeisterschaft qualifiziert sich für die Europameisterschaft im kommenden Jahr, der Sieger der Europa- für die Weltmeisterschaft im Juni. Auch der vierfache Weltmeister Daniele Acciari aus Italien ist unter den Teilnehmern. Frauen sind nur eine Handvoll unter den Spielern.
Um 19 Uhr füllt sich der Veranstaltungssaal des «Aurea» auf einmal in Sekundenschnelle mit Männern und Frauen: Sie begeben sich zielstrebig an die Automaten, die entlang der Längswände aufgestellt sind, werfen wenn nötig eine Münze ein und legen los. Eine neue Runde hat begonnen: Der Turniercomputer hat jedem Spieler einen Automaten und einen Gegner zugewiesen. Nur der Bessere erhält einen Punkt für die Wertung. Da blinkt und blitzt es, rattert, klappert und fiept es – ein Spiel dauert in der Regel nur ein bis zwei Minuten.
Nur Schweizermeisterschaft geplant
Star Trek, Star Wars, Terminator, X-Men, Dirty Harry, Popeye, The Flintstones, The Munsters, Gilligan’s Island, Shrek, The Walking Dead, aber auch Metallica und Guns’n’Roses: Kein Thema der Popkultur der vergangenen 35 Jahre wird auf den Automaten ausgelassen; und wohlbekannte Gesichter blicken in meist grellbunten Farben ihrem Charakter entsprechend ernst, böse, verschmitzt oder mutig auf die Spieler hinunter. Jede Franchise-Ausgabe hat ihre Eigenarten und einen individuellen Auf bau des Spieltisches: Ein guter Turnierspieler findet sich an allen sofort zurecht. Immer wieder wird Andreas Salathé mit seinem Werkzeugkasten hinzugerufen, wenn ein Ball klemmt oder ein Teil der Elektronik ausfällt. Salathé hat den Import, Verkauf und Verleih von Flipperautomaten mit seiner Firma «Andis Flipper World» in Maisprach zum Beruf gemacht. Er lieferte alle rund 50 Automaten ins «Aurea». Bereits seit Mittwoch kamen sie in Zehnertranchen dort an. Ein Teil der Automaten befand sich im Lager, einen Teil holte Salathé von ihren Standorten in der ganzen Region ab.
In Empfang nahm die Flipperautomaten das Ehepaar Däni und Sabine Anderhub, seit knapp einem Jahr Besitzer des «Aurea» (die NFZ berichtete). «Unser DJ Beat Bauer ist Teil der Flipperszene», erklärt Däni Anderhub: «Und er wusste, dass für Turniere immer Räumlichkeiten gesucht werden.» Ursprünglich war nur die Schweizermeisterschaft in Rheinfelden geplant, als aber die ursprünglichen Gastgeber aus Finnland die Europameisterschaft absagten, sprangen die Schweizer ein. Anderhubs geniessen die friedliche internationale Atmosphäre in ihrem Kulturlokal. Beim Aufwärmturnier am Freitagabend hat sich auch Däni Anderhub nach langen Jahren mal wieder an den Automaten probiert: «Meine Punktzahl war weit entfernt von jener der Turnierteilnehmer», sagt er auf Nachfrage lachend.
Kein Glücksspiel
Die Flipperautomaten seien nicht ausser Mode gekommen, widerspricht Salathé der Einschätzung René Stadlers: «Wenn ich auf einer Messe Automaten aufstelle, sind sie ununterbrochen belegt.» Allerdings gibt er zu, dass die Automaten aus der Öffentlichkeit in Beizen und Abendlokalen vielerorts verschwunden seien. Der letzte Automat in Rheinfelden, weiss er, sei bis zum Besitzerwechsel im «Manhattan» gestanden. Für Salathé ist es wichtig zu betonen, dass Flippern ein Sport sei und kein Glücksspiel: «Nach drei Tagen Spielen hätten die Ungeübten am Montag eine Sehnenscheidenentzündung.» Auch die Konzentration während des Spiels dürfe nicht unterschätzt werden.
Und Stadlers? Sie versuchen sich etwas abseits von der konzentrierten Betriebsamkeit des Wettbewerbs in Ruhe am neuesten Flipperautomaten der Welt, einem Gerät der Firma Jersey Jack Pinball aus Chicago, das das 50-Jahr-Jubiläum des Filmklassikers «Der Pate» feiert. Erst am vergangenen Dienstag wurde der Automat der Öffentlichkeit vorgestellt: Salathé hatte ihn bereits am Sonntag zuvor per Linienf lug von Chicago nach Zürich einfliegen lassen.