Als Mendelssohn Bach aus dem Schrank holte
24.03.2023 FrickDieter Wagners Chöre, die Matthäuspassion und Aida
Mit zwei Chören und einem Orchester führt Dieter Wagner am Palmsonntag in Aarau und am Karfreitag in Gipf-Oberfrick die Matthäuspassion auf. Der letzte Ton wird noch nachklingen, beginnen bereits die Proben zu Verdis Oper Aida, die ...
Dieter Wagners Chöre, die Matthäuspassion und Aida
Mit zwei Chören und einem Orchester führt Dieter Wagner am Palmsonntag in Aarau und am Karfreitag in Gipf-Oberfrick die Matthäuspassion auf. Der letzte Ton wird noch nachklingen, beginnen bereits die Proben zu Verdis Oper Aida, die Ende Oktober zur Aufführung gelangt.
Simone Rufli
Es war das Jahr 1824, Felix Mendelssohn Bartholdy gerade 15 Jahre jung und Chorsänger, da entdeckte er im Notenschrank des Rektors und Chorleiters der Singakademie Berlin, Carl Zelter, eine interessante Partitur. Fasziniert von der umfangreichen Notensammlung, wollte Mendelssohn die Partitur genauer studieren – was Zelter zunächst zu verhindern wusste. Als sich dann aber Felix’s Grossmutter mütterlicherseits, Bella Salomon, einschaltete, konnte Zelter den Zugang zu den Manuskripten nicht länger verwehren. Immerhin hatte Bellas Schwester, die bei Musikkennern bekannte Autographensammlerin Sarah Itzig Levy, einige Jahre zuvor der Singakademie die meisten Bachautographe, also die von Bach handschriftlich niedergeschriebenen Noten, geschenkt. So auch die Partitur der Matthäuspassion.
Aus heutiger Sicht kaum vorstellbar: Den Namen Johann Sebastian Bach kannten damals nur noch Spezialisten. Das breite Publikum hatte Bach, der 1750 bereits verstorben war, vergessen. Es war an Felix Mendelssohn, das zu ändern und Bach zu einer Renaissance zu verhelfen, indem er die Matthäuspassion aus eben jenem Schrank holte, sie von 3,5 Stunden Länge auf 2 Stunden kürzte, Anpassungen im Bereich der Instrumente und Soli vornahm und das Werk fast 100 Jahre nach seiner Entstehung im März 1829 in Berlin wieder zur Aufführung brachte.
Zwei Chöre, 130 Singende
199 Jahre nach der Wiederentdeckung der Partitur sitzt Dieter Wagner an diesem Donnerstagabend im Kirchgemeindehaus der reformierten Kirche in Frick an einem Flügel, vor sich die Noten der Matthäuspassion in der Version von Mendelssohn, um sich herum seine beiden Chöre: rechter Hand Sängerinnen und Sänger der Kantorei der Stadtkirche Aarau, links der Fricker Projektchor SMW (sing mal wieder). Seit den Herbstferien sind die total 130 Sängerinnen und Sänger am Proben; zuerst jeder Chor für sich, seit letzter Woche nur noch gemeinsam und das zweimal pro Woche. Zwei unabhängige Chöre mit unterschiedlichen Funktionen. Als Effekt die «Doppelchörigkeit». Jetzt greift Wagner gezielt einzelne Passagen heraus, arbeitet an Details, überprüft die Aussprache, die Atmung – Feinabstimmung, mehr ist nicht mehr nötig.
Besucher der beiden Konzerte, sagt Wagner, seien eingeladen, die Choräle mitzusingen, die Noten dazu fänden sich im Programmhaft. «Die Leute kennen diese Lieder», sagt Wagner und lachend, «Abschreckung ist nicht das Ziel, mitsingen ist freiwillig.»
Und im Oktober Aida
Dieter Wagner wäre nicht Dieter Wagner, hätte er nicht bereits ein weiteres, ambitioniertes Projekt am Start. Und das ist kein bisschen weniger anspruchsvoll. Mit dem Fricker Projektchor SMW bringt er Ende Oktober Aida von Giuseppe Verdi auf die Bühne. «Eine richtig grosse Nummer – allein die sechs Trompeten für den Triumphmarsch brauchen Platz.» Bei der Verabschiedung nach der letzten Vorstellung von Nabucco im Jahr 2019 habe er Aida angekündigt, erzählt Wagner und kommt ins Schwärmen. Ursprünglich habe ihm vorgeschwebt, Aida auf dem Feldschlösschen-Areal in Rheinfelden zur Aufführung zu bringen. «Weil dort aber nichts an Infrastruktur vorhanden ist, hätten wir vom Stuhl bis zur Beleuchtung alles mitbringen müssen. Durch die Corona-Pandemie fiel die Entscheidung zu spät und die Zeit reicht nun nicht für die Umsetzung an diesem spannenden Ort.»
Nun findet am 22. Oktober im Culturcasino in Bern die erste Aufführung statt, gefolgt von zwei Aufführungen in der Alten Reithalle in Aarau (28. und 29. Oktober), wo noch nie eine Oper präsentiert wurde. Mit den Proben zu diesem Monumentalwerk beginnt er am 27. April, um 20 Uhr (reformierte Kirche Frick). «Sängerinnen und Sänger sind herzlichst willkommen», so Wagner. Für die Proben mit dem Solistenensemble reist der Chorleiter eigens nach Novara in Italien.
Matthäuspassion von J.S. Bach, 2. April, 17 Uhr, Stadtkirche Aarau; 7. April, 17 Uhr, Kirche Gipf-Oberfrick. In der Version von Felix Mendelssohn Bartholdy mit dem Projektchor SMW Frick und der Kantorei der Stadtkirche Aarau sowie dem Kinderchor Voices Aarau. Begleitet vom Orchester Camerate Da Vinci Basel. Solisten: Kathrin Hottiger Sopran, Silke Gäng Alt, Tamàs Bertalan Henter Tenor, Szymon Chojnaki Bass und Kimon Barakos Bariton. – Gesamtleitung: Dieter Wagner; Vorverkauf bei eventfrog.ch sowie in der Buchhandlung Letra in Frick.